Bericht
vom Prozess gegen den Polizisten, der am 19. Mai 2000 Imre B. erschoss
11.06.2002 |
no-racism.net | Rassismus und Festung Europa |
Urteil: Freispruch für den Polizisten, der Imre B. erschoss Informationen zum Prozess Zum Vergleich: Prozess wegen antirassistischer Demo nach Tod Imre B's: 3 Monate unbedingt als abschreckendes Beispiel |
Dienstag, 4. Juni 2002, 9 Uhr - 11 Uhr 15 Der beschuldigte Beamte der Kriminalpolizei ist als Kriminalpolizist im Kommissariat Wien 16 beschäftigt. Die Anklage lautet auf "fahrlässige Tötung".
Die Erschiessung vom Imre B. sei fraglos ein dramatisches Ereignis gewesen,
aber es müsse nicht für alle Todesfälle unbedingt schuld
geben. Der Beschuldigte sei Mitglied der Polizeisondereinheit SEK (Sondereinsatzgruppe
Kriminaldienst) gewesen. Beim verhandelten Fall sei es um eine Drogenrazzia
gegangen, der beschuldigte Beamte und ein Kollege hätten die Außensicherung
übernommen. Vor dem Lokal sei es zu dem spontanen Zugriff gekommen.
Die beiden Beamten seien als Polizisten gekennzeichnet gewesen. Sie hätten
sich mit gezogener Waffe dem Fahrzeug von Imre B. genähert, der beschuldigte
Beamte hätte nur eine Hand von Imre B., der bereits ins Auto eingestiegen
war, gesehen. Dann hätte sich durch den "Gleitreflex" der
tödliche Schuss gelöst.
Schließt sich den Ausführungen des Rechtsanwaltes an. Er bleibt
bei der Schilderung des Vorfalles die er bei seiner Ersteinvernahme abgegeben
hat. Der Beschuldigte demonstriert im Gerichtssaal einen Schussvorgang. Er gibt weiter an, dass er keine Waffe bei Imre B. gesehen hätte.
Auf die Frage der Richterin, ob er sich bedroht gefühlt hätte,
antwortet der Beamte mit nein, er hätte nur Eigensicherung vorgenommen.
Dann wird die Verwechslung von Privat- und Dienstwaffe behandelt - Imre B. war mit der Privatpistole des Polizisten erschossen worden. Der Beschuldigte gibt an, dass Privat- und Dienstwaffe im Dienstkasten nebeneinander liegen. In der Hektik der Amtshandlung hätte er statt seiner Dienstwaffe (Glock 19) seine Privatwaffe (Glock 26) mit Dienstmunition geladen. Die Pistole, mit der Imre B. erschossen wurde wird im Gerichtssaal gezeigt,
auf die Frage der Richterin, ob jemand der im Saal Anwesenden eine Glock
19 hätte, zieht G. Rabensteiner, ehemaliger Leiter der SEK, der ebenfalls
der Verhandlung beiwohnt, seine Waffe hervor, entlädt sie und gibt
sie nach vorne. Der Größenunterschied zwischen Glock 19 und
Glock 26 ist augenscheinlich. Die Glock 19 ist größer. Frage des Staatsanwaltes: "Wie kam der Finger zum Abzug?" - Der Beschuldigte gibt an, er sei nach der Erschießung in einem Ausnahmezustand gewesen, hätte sich noch Tage überlegt wie der Finger zum Abzug kam. Ihm sei immer klar gewesen, "dass der Finger lang war". Frage der Anwältin der Kinder von Imre B., Gerda Hammerer: "Sie
waren in Hektik beim Einstecken der Waffe. Ist es polizeiintern rechtmäßig,
dass statt der Dienstwaffe die Privatwaffe verwendet wird?" - Nein,
das sei gegen die Vorschrift. Rechtsanwalt Tomanek fragt, wir die Schießausbildungen aussehen.
Würde nur auf Scheiben geschossen oder würden auch "Zugriffe"
geübt werden?
Er war der Kollege des Beschuldigten bei der Amtshandlung. Auf die Frage der Richterin, ob er die Position der Hände von Imre B. im Auto gesehen hätte gibt er an, dass er nur die Hände des Beifahrers auf dem Armaturenbrett gesehen hätte. Es hätte sich um eine normale Amtshandlung gehandelt. Der Motor des Autos sei gelaufen. Er hätte seine Pistole während der Anhaltung weggesteckt, da er die Hände des Beifahrers gesehen hätte.
Ihm wird vorgeworfen, dass er bei seinen beiden Einvernahmen, zuerst
im Sicherheitsbüro, dann beim Lokalaugenschein, unterschiedliche
Aussagen gemacht hätte.
Es gibt 2 Gutachten: eines vom 23.5.2000, das zweite vom 8.1.2001.
Die Spurensicherung erfolgt erst lang nach dem Vorfall. Die Anwältin der Kinder von Imre B. stellt fest, dass der Abzugswiderstand bei den Dienstwaffen der Polizei aus Sicherheitsgründen vom Innenministerium vor einigen Jahren erhöht worden war. Vor der Schussabgabe sei ein dreistufiger Widerstand zu überwinden. Die Waffen seien dreifach gesichert. Aus einer Stellungnahme des Innenministeriums zum vorliegenden Fall geht hervor, dass keine genauen Hinweise zu finden sind, wie der Schussvorgang vor sich ging. In der Ausbildung werde aber darauf wert gelegt, dass der Finger immer "lang" ist.
Die Anwältin der Kinder von Imre B. Der Anwalt des Polizisten: es müsse nicht immer eine Person strafrechtlich an etwas schuld sein. Hier hätte es sich um einen "unseeligen Unfall durch Abrutschen des Fingers" gehandelt. Der Beamte sei nicht für ein Ausbildungsdefizit verantwortlich zu machen. Nach einer halbstündiger Unterbrechung erfolgt die Urteilsverkündung
durch Richterin Anja Ziska - Freispruch. Bericht
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