no-racism.net logo
 
pfeil zeigt auf no-racism.net logo buchtips

 

buchtipAntirassismus: Positionen und Widersprüche

Andreas Görg und Hans Pühretmayer (Hg.)

buchumschlag

Forschungen im Bereich "Antirassismus" führen im deutschsprachigen Raum bislang eine Randexistenz. Der Boom in der Rassismusforschung seit den späten 80er Jahren hat bisher kaum zu wissenschaftlicher Beschäftigung mit Gegenstrategien geführt. Diesem Themenbereich widmet sich nun "Antirassismus - Positionen und Widersprüche von Andreas Görg und Hans Pührtemayer.

Als Defizit bisheriger Beschäftigung mit Antirassismus sticht ins Auge, dass die antirassistischen Politikformen, Pädagogikvorschläge, juristischen Modelle etc. meist von aussen an bestimmte AkteurInnen herangetragen werden. Relativ durchgängig sind dabei die Sichtweisen der rassistisch Diskriminierten und jener Menschen, die aktiv in der antirassistischen Praxis tätig sind, ausgeblendet geblieben.

Verlag: Kurswechsel 1/2000 - Zeitschrift für gesellschafts- wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen


Beschreibung:

"Mit diesen Defiziten sind wir konfrontiert, seit wir 1997 die Forschungsarbeit im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr zum Thema "Strategische Potentiale gegen Rassismen" aufgenommen haben. Im Rahmen dieser tätigkeit sind wir mit vielen antirassistischen NGOs und Initiativen in engeren Kontakt gekommen. Die Beteiligung von AktivistInnen an unserem Forschungsprojekt im Rahmen von Interviews und Gruppendiskussionen war die Basis, auf der wir den größten Teil der AutorInnen für diese Publikation gewinnen konnten.

Insbesondere das Defizit der Ausblendung der Sichtweisen der rassistisch Diskriminierten markiert auch eine wesentliche Konfrontationslinie in den Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen antirassistischen Strömungen. Während in Frankreich, großbritannien oder den Niederlanden aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit antirassistischen Aktivitäten heftig über eine "Krise des Antirassismus" diskutiert wird, war in Österreich bisher eher die Nicht-Existenz einer antirassistischen Bewegung das Problem. Nach den Erfahrungen mit dem "Lichtermeer" vom Jänner 1993 könnte man auch von einer "Krise des Österreichischen Antirassismus bereits vor seiner Existenz" sprechen. Erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre haben die MigrantInnen in Österreich in bedeutenderem Umfang begonnen, selbst antirassistisch-politisch aktiv zu werden, statt nur passive Objekte der Politik (und auch der betreuenden NGOs) zu bleiben.

Mittlerweile ist eine antirassistische Bewegung auch in Österreich im Entstehen. Die überkommene national-demokratische Struktur, welche die NichtstaatsbürgerInnen auf allen Ebenen von der Partizipation ausschließt, gerät in immer größeren Widerspruch mit den Ansprüchen der mittlerweile auf 10 % der WohnBevölkerung angewachsenen rassistisch diskriminierten Gruppen.

Der politische Aufbruch der MigrantInnenorganisationen und deren Auseinandersetzung mit Österreichischen Institutionen und nicht rassistisch diskriminierten Gruppen wird insbesondere in den Artikeln von Ljubomir Bratic über die jugoslawischen und türkischen Selbstorganisationen sowie von Araba Evelyn Johnston Arthur und Andreas Görg über den Unterschied von moralisch-antirassistischem Mainstream und dem campaigning der Black communities behandelt. Den Versuch einer antirassistischen Durchsetzung im Gewerkschaftsbereich haben Caroline Grandperret und Rolf Nagel nachgezeichnet. Michael Fanizadeh beschäftigt sich mit antirassistischen Interventionen in der Fußballkultur. Zu den Betrachtungen von antirassistischen Organisationen und Politiken gesellen sich Artikel, die sich mit dem rassistischen Umfeld auseinandersetzen, mit dem antirassistische Bestrebungen umzugehen haben. Karin Sohler beleuchtet die rassistisch aufgeladene Verknüpfung der beiden Sicherheitsparadigmen "Illegale Einwanderug" und "Organisierte Kriminalität" im polizeilichen und politischen Sicherheits-Diskurs sowie ihre Funktion als Bedrohungsbilder in der staatlichen Migrationsdebatte. Antirassismus ist konfrontiert mit der Umdeutung von Fluchtmigration in ein Phänomen massenhafter illegaler Immigration - in Verbindung mit dem in verschiedenen Staaten erkennbaren Versuch, ein "neoliberales Stadtregime" zu etablieren, das auf eine autoritäre Ausgrenzung der "Klasse der Entbehrlichen" (Flüchtlinge, Obdachlose, Drogenabhängige, Arbeitslose,...) abzielt .

Diese Umdeutungsprozesse entfalten ihre Wirkung nicht nur Österreich-intern, sondern auch im Europäischen Kontext. Claudia Roth und Mark Holzberger widmen sich dem Einfluss jenes, dem Österreichischen Innenministerium entstammenden, "Strategiepapiers" auf die Flüchtlings- und Migrationspolitik der EU, das eine weitgehende Demontage der Genfer Flüchtlingskonvention vorsieht und bei der ein "Asylrecht nach Gutsherrenart" droht. Eine andere Perspektive auf die Problematik der Migration liefern M. Cristina Boidi und Evelyn Probst. Sie setzen sich mit Frauenhandel als Form der Ausbeutung von Migrantinnen sowohl durch westliche Männer als auch durch westliche Haushalte auseinander und zeigen die rechtliche und soziale Zwangslage dieser Frauen auf.

Hans Pühretmayer argumentiert, dass eine kritische Auseinandersetzung mit dem rassistischen Macht-Ideologie-Komplex nur möglich ist, wenn die Mechanismen, die ihn produzier(t)en, ihrer Selbstverständlichkeit entledigt werden. Schließlich untersucht Peter Gstettner den Aufstieg der FPÖ und Jörg Haiders im Kontext der neoliberalen Ellbogengesellschaft und der Angleichung der Parteien in Programmatik und Design, und gibt Hinweise auf die Rolle Kärntens als "Exerzierfeld" für die Strategie der FP in einer bisher unbeachtet gebliebenen "Dialektik von politischer Peripherie und politischem Zentrum".

Zum Zeitpunkt, als dieses Editorial geschrieben wird, steht Antirassismus in Österreich sowohl der Kontinuität rassistischer Ideologien und Strukturen als auch einer grundlegend veränderten politischen Konstellation gegenüber. Die alte, mit der Sozialpartnerschaft kongruente Koalition zwischen Sozialdemokratie und Konservativen ist zerbrochen. Gemessen an den deklarierten Inhalten versuchen FPÖ und ÖVP, ein "austro-thatcheristisches" Projekt zu etablieren. Der symbolische Wert der Regierungsbeteiligung der FPÖ für den Rassismus in Österreich und in anderen Staaten geht jedoch weit über die in Aussicht genommenen policies hinaus. Vor diesem Hintergrund gewinnen die in diesem Band versammelten Artikel noch zusätzlich an Aktualität. Diese Publikation versteht sich als Ausdruck einer engagierten Wissenschaft und will einen kritischen Beitrag zur Verstärkung des politischen Aufbruchs des Antirassismus in Österreich liefern, der mehr denn je vorangetrieben werden sollte."

Text von Andreas Görg und Hans Pühretmayer