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buchtipStadt für alle!

Heidrun Aigner, Sarah Kumnig (Hg.)

buchumschlag

Rassistische Polizeikontrollen, Ausschlüsse beim sozialen Wohnbau, Bettelverbote. In Städten wird ständig verhandelt, wer dazu gehört und wer nicht, wer Zugang zu Ressourcen hat und wer nicht. Dieser Sammelband liefert sowohl theoretische Überlegungen, wie auch konkrete Erfahrungen und Interventionen zum Thema gesellschaftliche Teilhabe sowie Ein- und Ausschlüsse in Städten. Wissenschafter_innen und Aktivist_innen aus antirassistischen und queer_feministischen Zusammenhängen analysieren Grenzpraktiken an verschiedenen Orten des täglichen Lebens (Wohnen, Lohnarbeit, öffentlicher Raum, ...). Sie skizzieren aber auch, wie diese verändert und destabilisiert werden können, um an einer Stadt für Alle (weiter) zu bauen.

Verlag: Mandelbaum Verlag, Wien, 2018
ISBN: 978385476-675-9


Beschreibung:

„Alle die hier sind, sind von hier“, steht an einer Hauswand in Wien. Dieser Satz bricht mit der Vorstellung einer nationalen Gemeinschaft. In Städten ist Migration kein Ausnahmezustand, keine Abweichung, sondern, im Gegenteil, alltägliche Realität und prägende Kraft. Ohne Migration gäbe es keine Städte. „Alle, die hier sind, sind von hier“ lacht dem nationalen Wir-Gefühl ins Gesicht und definiert Zugehörigkeit nicht über die Farbe des Passes, sondern über das Anwesend-Sein an einem Ort, über das Leben in einer Stadt, über den gemeinsamen Alltag. In verschiedenen Städten arbeiten solidarische Bewohner_innen seit langer Zeit daran, eine Stadt für Alle zu schaffen, die Gegenkonzept zum Zwang ist, sich in eine Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Auch politische Initiativen und manche Stadtverwaltungen versuchen die Idee einer Stadtbürger_innenschaft umzusetzen. In New York City gelang es beispielsweise, einen Personalausweis für alle Stadtbewohner_innen einzuführen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Ähnliche Bestrebungen gibt es in Zürich und Bern. Diese Projekte variieren von eher symbolischen Politiken über die jedenfalls formale Anerkennung aller Bewohner_innen bis hin zum Ziel tatsächlicher Teilhabe und der Umverteilung städtischer Ressourcen. Die Idee der Stadtbürger_innenschaft jedenfalls, wie sie Autor_innen in diesem Buch entwerfen, bedeutet nicht weniger als: die Stadt für Alle, die hier leben.

Städte haben jedoch nicht nur widerständiges Potenzial, sondern sie sind gleichzeitig Orte des Ausschlusses. Innerhalb globaler Migrations- und Grenzregime sind Grenzen niemals einfach nur Linien, die rund um Nationalstaaten gezogen werden, sondern ein institutionelles Gewebe und alltägliche Praktiken des Ein- und Ausschlusses, die in unser aller Leben hineinwirken. Rassistische Polizeikontrollen auf den Straßen, beschränkter bis verwehrter Zugang zu Wohnraum und Existenzsicherung oder das Glorifizieren von Kolonialgeschichte in Straßennamen sind nur einige der offensichtlichsten Formen lokaler Grenzpraktiken.

Um einen aufmerksamen Blick darauf zu werfen, wie sich Grenzregime in Städte einschreiben, wie sie reproduziert, verhandelt und untergraben werden, haben wir gemeinsam mit Raphael Kiczka im Sommersemester 2017 an der Universität Wien eine transdisziplinäre Ringvorlesung organisiert. Unter dem Titel „Stadt für Alle?! Zwischen lokalen Grenzpraktiken und Urban Citizenship“ diskutierten Vortragende und Besucher_innen gemeinsam über queer_feministische, antikoloniale und antirassistische Perspektiven auf Stadt. Theoretische Zugänge wurden dabei ebenso besprochen wie Formen der Wissensproduktion und konkrete Interventionen hin zu einer Stadt für Alle.

Dieser Sammelband ist eine detaillierte Zusammenschau und Erweiterung der Vorträge und Diskussionen und will den Blick auf die Möglichkeit von Einmischungen in die Stadt lenken. In den einzelnen Beiträgen analysieren die Autor_innen nicht nur unterschiedliche Formen lokaler Grenzpraktiken, sondern entwerfen auch Utopien und konkrete Antworten auf die Frage: „Wie geht Stadt für Alle?“ Unser Anliegen mit diesem Sammelband ist es unter anderem, die Handlungsmöglichkeiten auf der Ebene des Städtischen zu erforschen, um Gegenentwürfe zu den Politiken der rechten bis rechtsextremen Regierungen Europas zu entwickeln, die aktuell den gesellschaftlich tief verankerten rassistischen Grundkonsens in einer autoritären Wende auf die Spitze treiben. Städte waren immer wieder Orte des Widerstandes. Sanctuary Cities in den USA weigern sich etwa, mit nationalen Migrations- und Abschiebebehörden zusammenzuarbeiten. Städte, so wurde klar, existieren nicht einfach, sie wurden und werden gemacht. Und zwar von allen, die hier wohnen. Damit liegt es an uns Bewohner_innen, an einer Stadt für Alle (weiter) zu bauen, einer Stadt für Alle, die hier sind und die noch kommen werden.