Bericht
vom 5. Prozesstag im Verfahren gegen Sabinus, Gefangener der "Operation
Spring"
25.12.2002 |
no-racism.net | |
Bericht vom 4. Prozesstag im Verfahren gegen Sabinus (24.09.2002) Bericht vom Verfahren gegen Sabinus (05.07.2002) Bericht vom Verfahren gegen Sabinus (04.07.2002) Schwerpunkt zur "Operation Spring" auf www.no-racism.net |
Austrian Apartheid: Operation Spring-Prozess gegen Sabinus am 10.12.2002 (5. Verhandlungstag des Wiedereinsetzungsverfahrens) Bericht von GEMMI Nachdem Richter R. bei der letzten Verhandlung am 3.9.02 behauptete (siehe link zum Bericht über den 4. Prozesstag), es sei damit zu rechnen, dass der Prozess in drei Wochen fortgesetzt werde, ist es mehr als drei Monate später tatsächlich weitergegangen. Zeit spielt also keine Rolle, es sei denn, du bist GefangeneR der rassistischen Klassenjustiz und musst Tag und Nacht die miesen Zustände im LG1 (Landesgericht 1/Wien)ertragen. Aufgrund der Verschleppung des Verfahrens durch mehrere Richter muss Sabinus, wie die anderen Gefangenen der Operation Spring auch, diese Zustände jetzt schon seit 3 Jahren und 7 Monaten ertragen. Und sich dann auch noch einer mitnichten gerechten Gerichtsbarkeit stellen. Kürzlich sagte Sabinus, er wisse genau, dass sie ihn brechen wollen, aber er werde das nicht zulassen und weiter gegen dieses rassistische System kämpfen - so wie Nelson Mandela in den Kerkern von Apartheid-Südafrika fast 30 Jahre lang Widerstand geleistet hat.
Zu Beginn des Prozesses wiederholt der Richter einmal mehr die hinlänglich
bekannten Anklagepunkte gegen Sabinus - angeblicher Verkauf von geringen
Mengen Drogen, ausschliesslich gestützt auf die belastenden Aussagen
einer sich ständig widersprechenden Zeugin; dazu noch der berüchtigte
Vorwurf des `Verkaufs einer nicht feststellbaren Menge an unbekannte Personen´.
Der Richter bezieht sich jetzt auf die Niederschrift des Polizeiverhörs von Sabinus bei der Kripo in Graz 1999. Konkret geht es um das Handy eines Freundes, das Sabinus zeitweise benutzt hat. Die Kripo behauptet in der Niederschrift, dass dieses Handy dem Sabinus selbst gehört habe. Der Richter war zwar beim Verhör nicht anwesend, vermeint aber dennoch zu wissen, dass eine beeidete Dolmetscherin die Niederschrift korrekt übersetzt und Sabinus unterschrieben habe. Sabinus besteht darauf, dass er nie gesagt hat, das Handy gehöre ihm; beim Verhör ist ihm eine solche Frage gar nicht gestellt worden. Darauf die naheliegende Frage, verblüffenderweise vom Richter (!) gestellt: `Das hat also die Polizei dazugeschrieben?´ Sabinus antwortet, indem er die Situation beim Verhör schildert: Er hat gar keine Chance gehabt, etwas zu erklären und hat sich schliesslich geweigert, zu unterschreiben. Den Inhalt der Niederschrift hat er nicht verstanden, da sie ausschliesslich in deutsch verfasst war. Aber die Polizei hat ihn zur Unterschrift gezwungen. Für den Richter alles kein Grund zur Beunruhigung, denn: `Es war ja eine beeidete Dolmetscherin da´. Sabinus weiss davon nichts. Objektive Stimmanalyse
Wieder mit Bezugnahme auf das Polizeiverhör in Graz behauptet der
Richter, dass Sabinus dort ausgesagt habe, er kenne das Restaurant `Willkommen´
in Wien nicht. Sabinus stellt richtig, dass er damals gefragt wurde, ob
er ein Lokal kenne und er hatte geantwortet, dass er viele kennt, wohin
er Essen gegangen ist, aber nicht das genannte. Er hatte die Frage so
interpretiert, dass es sich um ein Lokal in Graz handle, was ja auch naheliegend
ist. Der Richter widerspricht und versucht nun, die bei der Operation
Spring angewendeten polizeistaatlichen Bespitzelungsmethoden zu legitimieren:
Die Observationsbeamten hätten den Sabinus, genannt `unbekannte Person
UP15´ - beobachtet, demzufolge sei er in eineinhalb Monaten 21 mal
im `Willkommen´ gewesen, manchmal sei er innerhalb von Minuten rein-
und rausgegangen. Sabinus sagt, das stimmt nicht. Der Richter rezitiert
im folgenden für eine sehr lange Zeit, teilweise in unartikulierbarem
Murmeln, aus den Akten; er nennt irgendwelche Daten und Uhrzeiten und
behauptet, da sei Sabinus beim Rein- und wieder Rausgehen beobachtet worden.
Das ganze gespickt mit zynischen Bemerkungen wie `Erinnert er sich nicht
mehr, dass er sooft dort war?´ Sabinus stellt mehrmals klar, dass
er nicht öfter als einmal am Tag in ein Lokal zum Essen gegangen
ist und dass er natürlich nicht mehr weiss, an welchem bestimmten
Tag im Februar 1999 er dort gewesen ist - und genau das hat er auch beim
Verhör und bei der U-Richterin ausgesagt. Aber mit Hausverstand beisst
mensch hier auf Granit, wie ein Wasserfall bombardiert der Richter weiterhin
den Sabinus mit Daten und Uhrzeiten. Auch Einwände, dass hier eine
Verwechslung mit einer anderen Person vorliegt oder dass sein Englisch
falsch verstanden wurde, ignoriert der Richter. Als Sabinus grundsätzlich
den Sinn dieses sonderbaren Rein und Raus hinterfragt, versucht es der
Richter mit Psychologie: ob denn seine Erinnerung `normal´ sei,
schliesslich vergesse man ja. Das ganze gipfelt in der vollkommen absurden
Frage, ob er sich beim Verhör im Mai 1999 besser als heute daran
erinnert habe, was im Februar geschehen sei. Auch wenn verständnisloses
Kopfschütteln als angemessene Antwort vielleicht ausgereicht hätte,
stellt Sabinus noch einmal fest, dass er genau weiss, welche Fragen ihm
beim Verhör gestellt worden sind.
Der Anwalt weist darauf hin, dass zwar die Video-Observationen im Verfahren nicht mehr verwendet werden - im Gegensatz zum Verfahren in erster Instanz - dennoch streicht er auch hier Widersprüche heraus: Bei den Videos habe es viele `Ausbesserungen´ gegeben; mehrmals ist Sabinus mit einer anderen Person verwechselt worden. Und nicht nur er, wie der Anwalt feststellt: `Es sind einige Leute wegen Ähnlichkeiten verwechselt worden´. Der Richter bestätigt das; die Videos seien wegen schlechter Qualität auch nicht (mehr) beweiskräftig: Im Lokal sei es dunkel gewesen, die Aufnahmen seien von oben gemacht worden und ausserdem nur schwarz-weiss. Das ist noch problematischer, denn `das sind alles Schwarzafrikaner´, weiss der Richter. Was es aber schon gebe, sei die `augenscheinliche Betrachtung´ durch die PolizeibeamtInnen. Auch wenn es Korrekturen gegeben habe, heisse das noch nicht, dass jemand nicht dort gewesen sei - `man kann sich irren´, so der Richter. Und Punkt.
Abschliessend geht der Richter auf die zahlreichen Anträge, fast
ausschliesslich der Verteidigung, ein: Der Antrag auf eine Stimmanalyse
sei nicht zu erfüllen. Es gebe ein Tonband mit abgehörten Telefonaten
und eines mit abgehörten Gesprächen im Lokal `Willkommen´.
Beide nicht verwertbar, sagt der Richter: Ersteres sei vom Institut für
Schallforschung zurückgeschickt worden, mit der Begründung,
dass zuviele `Nebengeräusche´ die typischen Merkmale einer
Stimme nicht erkennen liessen. Auf dem zweiten Band sei ein zu grosses
`Stimmengewirr´ zu hören. Der Anwalt weist in seinem Plädoyer zuerst darauf hin, dass dieser
Tag ein historisches Datum ist, der Internationale Tag der Menschenrechte
nämlich. Er glaubt, es ist ein guter Tag, die Verhandlung auch entsprechend
abzuschliessen. |
Unterstützungsgruppe für die Gefangenen der "Operation Spring": GEMMI - Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen |
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