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[ 26. Oct 2004 ]

Kritische Asylanwältinnen werden kriminalisiert

Geknebeltes Maxl hört Stimme:

Strasser bereitete Klagen gegen die kritischen und engagierten anwältinnen Nadja Lorenz und Georg Buerstmair vor und lässt wegen Schlepperei bzw. Aufruf zum Ungehorsam gegen Gesetzte ermitteln. amnesty spricht von "klassischer politischer Verfolgung"

 

Wie die aktuelle Ausgabe des "Falter" berichtet, hat Innenminister Strasser Klagen gegen zwei prominente Asylanwältinnen, die auch Mitglieder des Menschenbeirats sind und als harsche KritikerInnen der Asylpolitik bekannt sind, geplant. Strasser und BeamtInnen des Bundeskriminalamtes haben Ermittlungen wegen Schlepperei bzw. Aufruf zum Ungehorsam gegen Gesetzte eingeleitet. Die anwältinnen sprechen von Einschuechterung, Kriminalisierung und politisch motivierten Ermittlungen. Das BKA sieht hingegen nur Routinevorgänge.

Die Auseinandersetzung mit Strasser hat damit eine neue Dimension erreicht - neben seiner Kritik an der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes bezüglich der Asylgesetznovelle zeigt er seine mehr als bedenklichen Einstellungen, indem er seine Machtstellung gegen völlig unschuldige MenschenrechtsaktivistInnen missbraucht. Wie aus juristischer Sicht nicht anders zu erwarten, wurden beide Anklagen von der Staatsanwaltschaft inzwischen eingestellt.


Heimliche Ermittlungen des Bundeskriminalamtes


Monatelang wurde von der Abt. 3 des Bundeskriminalamtes mit Wissen des Ministerkabinetts gegen die Rechtsanwaete Georg Buerstmayr und Nadja Lorenz ermittelt. Zudem berichtet die Zeitung davon, dass AsylwerberInnen einvernommen und ihnen Lichtbilder von anwältinnen vorgelegt worden seien. Selbst manche BeamtInnen im Innenministerium hätten gegen diese Vorgangsweise protestiert.


Konstrukt der Rechtsberatung als Schlepperei


Am 13. Oktober langte eine erste Sachverhaltsdarstellung in dieser Sache bei der Staatsanwaltschaft Wien ein. Anwalt Buerstmayr werde demnach vorgeworfen, tschetschenische Asylwerber "in fremdenpolizeilichen und asylrechtlichen Angelegenheiten" beraten zu haben, sowie "rechtliche Hilfe" geleistet zu haben. Daraus wurde in der Anzeige der Verdacht der Schlepperei konstruiert. Strafrahmen: fünf Jahre Haft.

In mehreren Punkten wird in dem Ermittlunsprotokoll aufgelistet, was offenbar für kriminell erachtet wird: Buerstmayr habe tschetschenischen Asylwerbern einmal in Tschechien "Visitenkarten zugesteckt und ihnen mitgeteilt, dass sie sich in Rechtsfragen an ihn wenden können". In einem anderen Fall habe der Anwalt eine Beschwerde verfasst. Diese vermeintlich brisanten Informationen bekamen die Fahnder nach Verhören mit tschetschenischen Flüchtlingen, die vor einem Jahr zu Unrecht nach Tschechien abgeschoben und danach von Buerstmayr betreut wurden.

Die Schleppervorwürfe waren aber derart offensichtlich aus der Luft gegriffen, dass die Causa von der Justiz schon am übernächsten Tag eingestellt wurde.


Aufforderung zum Ungehorsam gegen (unmenschliche) Gesetze


Auch anwältin Lorenz sollte um jeden Preis angezeigt werden, weshalb war noch nicht klar, doch auch sie wurde nie befragt. Da die BeamtInnen nichts finden konnten, was sie der Staatsanwaltschaft vorlegen könnten, begannen sie auf DrÀngen des Ministerkabinetts "alle offenen Quellen zu studieren".

Schließlich ist sie aufgrund eines Interviews im Standard angezeigt worden, wo sie als neu gewählte Sprecherin von SOS-Mitmensch sagte: "Wenn schwer traumatisierte Menschen von Abschiebung bedroht sind, muss man ihnen helfen. Ein Verstecken ist das nicht." Durch diesen Satz sehe das Innenministerium ein "Aufruf zum Ungehorsam gegen Gesetze". Dadurch habe sich Nadja Lorenz dafür eingesetzt, illegale MigrantInnen vor den Behörden zu verstecken. Strafrahmen: ein Jahr Haft.


Kriminalisierung und politisch motivierte Verfolgung


Heinz Patzelt von Amnesty international spricht von "klassischer politischer Verfolgung", die er auch an amnesty international in London weiterleiten wird.
Strassers Sprecher Johannes Rauch ist weiterhin überzeugt, dass die Ermittlungen, "wirklich nicht politisch motiviert" seien.

Sowohl Nadja Lorenz als auch Georg Buerstmayr sind MitarbeiterInnen des Menschenrechtsbeirates. Dieses Gremium darf unangemeldet die Polizei kontrollieren und war Strasser mit ihren kritischen Berichten (etwa im Fall Wague oder eben in den der abgeschobenen Tschetschenen) wohl zu gefährlich. Innenminister Strasser hat eine Vertragsverlängerung Buerstmayrs verweigert, Begründung dafür laut Sprecher Johannes Rauch: "Es besteht ja der Verdacht der Schlepperei.". Nadja Lorenz vertritt die Witwe Cheibani Wagues.

Nadja Lorenz dazu im Falter: "Ich will Menschen mit den Mitteln des Rechtsstaates vor verfassungsrechtswidrigen Abschiebungen schützen. Davon lasse ich mich sicher nicht abbringen. Ich finde es bedenklich, dass der Innenminister gegen Mitglieder des Menschenrechtsbeirats vorgeht, die ihn in menschenrechtlichen Angelegenheiten beraten sollten. Er war es, der in asylrechtlichen Angelegenheiten grundrechtswidrig gehandelt hat."

Sein Rücktritt und wohl auch eine Ministeranklage sind überfaellig, doch es ist eine Illusion, dass in Österreich unter einer schwarz-blauen Regierung derartiges passieren könnte. Wir müssen uns daher anders wehren...
Aktionen in den nächsten Tagen udn Wochen sind geplant.