Eines der Hauptprobleme, das Leute davon abhält Inhaftierten zu schreiben, ist daß sie es nicht gewohnt sind einer fremden Person zu schreiben.
Leute glauben nicht zu wissen, was sie sagen sollen; sie glauben es gibt Dinge über die sie nicht reden können, oder denken, daß Gefangene nicht daran interessiert sind was sie zu sagen haben. Nun, es handelt sich dabei um ein Problem, das die meisten von uns überwinden müssen, deshalb haben wir hier einige Vorschläge zusammengestellt.
Natürlich handelt es sich nicht um starre Richtlinien, und wir geben auch keinesfalls vor alle Probleme gelöst zu haben. Unterschiedliche Menschen schreiben eben auch unterschiedliche Briefe. Hoffentlich werden diese Tips hier doch einige anregen in Briefkontakt mit inhaftierten RevolutionärInnen und AnarchistInnen zu treten.
Einige wichtige Dinge
Einzelne Haftanstalten begrenzen die Anzahl der Briefe, welche einE GefangeneR schreiben oder erhalten darf. Die Inhaftierten werden womöglich die Briefmarken und die -umschläge selber kaufen müssen, und die meisten sind sicherlich keine MillionärInnen. Deshalb erwarte nicht unbedingt eine Antwort auf deinen Brief oder deine Karte. Einige Gefängnisse erlauben, daß Briefmarken oder frankierte Umschläge mit der Post hinein geschickt werden. In solchen fällen ist es wohl am besten dies mit der jeweiligen Anstaltsleitung oder dem/der betreffenden Gefangenen zu klären.
Briefe werde auch aufgehalten, gelesen, verzügert oder gar "verlegt". Wenn du glaubst, daß ein Brief von der Knastaufsicht aus dem Verkehr gezogen worden ist, frage am besten gleich nach dem Grund dieser Zensur. Sicherer sind naTürlich eingeschriebene Briefe, weil diese in der Regel in Anwesenheit des/der Gefangenen geöffnet werden müssen. Aber eine 100% Sicherheit gibt es leider wirklich nie.
Auf deinen Briefumschlag solltest du stets die Adresse des/der AbsenderInnen draufschreiben, nicht nur damit der/die Inhaftierte dir antworten kann, sondern auch weil einige Gefängnis keine Briefe ohne AbsenderIn durchlassen. NaTürlich muß dies nicht unbedingt deine eigene Adresse sein, aber achte darauf, daß Postfach Adressen sehr gerne nicht akzeptiert werden.
Zum ersten Mal schreiben
Sage wer du bist, und wenn nötig welcher Gruppe/Organisation du angehörst. Ob du dich eingehender vorstellen möchtest, ist dir alleine überlassen, du mußt eben nur bedenken, daß die Briefe auch von den staatlichen Autoritäten gelesen werden. Sage vielleicht auch in deinem ersten Brief ein paar kurze Worte zu deiner politischen Einstellung, so daß der/die Gefangene entscheiden kann, ob er/sie mit dir in Kontakt bleiben möchte. Sage wo und wann du von seinem/ihrem Fall gehört oder gelesen hast.
Versuche diesen ersten Brief recht kurz zu halten und nur die nötigsten Sachen zu schreiben, weil es besser ist die Leute nicht beim ersten Mal zu überwältigen. außerdem begrenzen einige Vollzugsanstalten den Umfang der Briefe. Ratsam sind demnach Briefe bis zu 4 DIN A4 Seiten. Sobald sich der Briefkontakt zwischen euch beiden "eingespielt" hat, werdet ihr euch mehr zu erzählen haben.
Wenn du einem/einer politischen Gefangenen schreibst und du ihn/sie für unschuldig hältst, so erwähne dies auch kurz, weil es ihnen das wichtige Gefühl vermittelt, daß du an sie glaubst.
Viele, die Gefangenen schreiben, haben Angst über Dinge aus ihrem eigenen Leben zu sprechen, was sie so tun und denken usw., weil sie glauben, daß es die Inhaftierten deprimieren könnte oder, daß diese gar nicht daran interessiert sind. In einigen fällen mag dies wohl zutreffend sein, aber insgesamt kann ein Brief der hellste Punkt eines Tages hinter Gittern ausmachen. Das Leben im Knast ist tot langweilig, und jegliche Nachricht die etwas Licht bringt, egal ob sie von einer bekannten oder unbekannten Person kommt, ist stets willkommen. Besonders wenn du sie nicht vor ihrem Haftantritt gekannt hast, möchten sie mehr über dich wissen, wie dein Leben aussieht usw. Benutze deinen Verstand und dein Mitgefühl, und schreibe über nichts was den/die GefangeneN in Schwierigkeiten mit der Anstaltsleitung bringen könnte, oder irgendwem anderen Probleme mit der Staatsmacht bereiten könnte.
Sie sind dort drinnen für uns, wir sind hier draussen für sie
Für die Gefangenen aus unserer Bewegung, unseren Zusammenhängen und unseren kämpfen (wie z.B. Streiks, Kriegsdienstverweigerung, Mitglieder aus revolutionären Gruppen usw.), also so ziemlich alle politischen Häftlinge, ist es enorm wichtig sie in den weitergehenden Widerstand miteinzubeziehen, das heißt ihnen von Aktionen zu erzählen, ihnen Zeitschriften zu schicken wenn sie diese wollen und mit ihnen Strategien und Ideen zu diskutieren. Einige wollen sicherlich nichts mehr von Klassenkampf und Revolution hören, und möchten nur den Kopf senken und ihre Strafe absitzen. Dies müssen wir in selbstverständlich respektieren. "Politische" werden in der Regel im Knast selber isoliert, eben durch Angriffe der WärterInnen, durch Belästigungen usw.
Wenn du Unterstützung oder gar eine Kampagne für eineN GefangeneN anbieten möchtest, so ist es am besten realistisch zu bleiben, bezüglich dessen was du auch wirklich erreichen und umsetzen kannst. für jemenschden, der/die eine sehr lange Zeit hinter Gittern verbringen muß, kannst du wie ein sehr starker Hoffnungsschimmer erscheinen - es ist wichtig die Hoffnung aufrecht zu erhalten, aber keine falschen Illusionen zu kreieren. Wenn einE Gefangen dir glaubt, und diese Erwartungen aber nicht erfüllt werden so kann dies durchaus in Desillusion und Depression enden.
Durch die Mauern
Schlußendlich hat das Schreiben an eineN InhaftierteN sehr viel mit gesundem Menschenverstand und dem Benutzen des Hirns zu tun. Die Gefangenen sind eben nicht jene verRückten Bestien, wie sie uns die reißerischen Boulevardmedien glauben lassen möchten. Es sind vielmehr ganz gewöhnliche Menschen, eben wie du und ich. Knäste sind da um Menschen voneinander zu isolieren, deshalb müssen wir die Verbindung nach draussen aufrechterhalten. Direkte Kontakte mittels Briefverkehr ist einer der sichersten Wege, daß Gefangene nicht der Staatskontrolle alleine überlassen werden.