Ein Journalist der Zeitschrift "L'Espresso" lebte eine Woche als Flüchtling getarnt in einem Flüchtlingslager auf der Insel Lampedusa.
Der Journalist Fabrizio Gatti schrieb einen Bericht für das am Freitag erschienene Nachrichtenmagazins "L'Espresso". Er täuschte vor kurdischer Migrant zu sein und verbrachte im September acht Tage im sogenannten Auffanglager der Insel Lampedusa. Er erzählt in Form eines Tagebuchs von den schweren Misshandlungen, die die Flüchtlinge bei den Vernehmungen durch die italienischen Polizisten erdulden mußten.
Muslimische Flüchtlinge wurden gezwungen, Pornofilme auf einem Handy anzusehen. Wer sich weigerte, wurde schwer geschlagen. Die hygienische Lage im Flüchtlingslager war katastrophal. "Aus den Wasserhähnen strömt nur Salzwasser, es gibt keine Türen, kein Toilettenpapier, keinen Strom und keine Privatsphäre. Die WCs des Auffanglager sind etwas Unvorstellbares." Die MigrantInnen wurden von Mücken und Flöhen geplagt. Der Reporter berichtete von einem Tunesier, der stundenlang nackt vor einem Polizisten stehen musste, schikaniert wurde und vor Kälte zitterte. Er wurde von den Carabinieri geschlagen. Keiner der Lagerinsassen sei einem Richter vorgeführt worden, was nach italienischem Recht verpflichtend ist.
Nun ist die Regierung von Silvio Berlusconi wegen der beschriebenen Misshandlungen unter Druck geraten. Die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Agrigent hat eine Untersuchung eingeleitet, um die Vorwürfe der schweren körperlichen Misshandlungen und Verletzung der Menschenrechte im Flüchtlingslager zu klären, berichteten italienische Medien am Samstag, 8. Oktober 2005.
Parlamentarier der oppositionellen Grünen forderten den Rücktritt von Innenminister Giuseppe Pisanu. Die Immigrationspolitik der Regierung Berlusconi sei gescheitert. Es sei skandalös, wie die Flüchtlinge behandelt würden. Das Aufnahmezentrum auf Lampedusa müsse gesperrt werden, da es einem "KZ-Lager ähnelt".
Der Situation auf Lampedusa hat auch die Aufmerksamkeit des Europa-Parlaments geweckt. Abgeordnete aus Brüssel hatten in den vergangenen Wochen das Auffanglager besucht. Sie hatten den Eindruck, eine "Maskerade" der Behörden erlebt zu haben. Einen Tag vor ihrer Visite seien fast alle LagerinsassInnen weggebracht worden, berichtete die französische Abgeordnete Martine Rour. Daher seien die 13 Abgeordneten nur noch auf elf Menschen in dem Lager gestoßen. Zugang zu einem Register über zwischenzeitlich in dem Lager versorgte Menschen habe es ebenso wenig gegeben wie Daten über Ausweisungsverfügungen.
Quelle: APA