Seit Jahren kämpft das Netzkulturinstitut Netbase um Fördergelder die es ermöglichen ihre Strukturen aufrecht zu erhalten. Seit geraumer Zeit nicht nur gegen die Stadtverwaltung und den Bund. ...
Ende Sommer erschien ein Artikel im Falter der es tatsächlich schaffte von "Spinnen im Netz" die es den kleinen "Netzzwergen" verunmöglicht an Gelder zu kommen zu schreiben. Diese Rhetorik hat schon einiges an historischem Gehalt, was dem Autor des Artikels Mathias Dusini wohl entgangen ist. Das Netbasebashing in seiner schönsten Blüte? Aufgrund unserer eigenen Geschichte als no-racism.net haben wir uns erlaubt mit ein paar Fragen an die maßgeblichen Betreiber der Netbase ein kurzes Interview zu führen. Der Objektivität nicht verpflichtet, haben wir uns erlaubt das Interview mit persönlichen Eindrücken rund um die Geschichte der Netbase abzurunden.
Im folgenden also ein gar nicht objektiver Bericht. Geschrieben aus der Perspektive eines ehemaligen Mitarbeiters der Netbase, veröffentlicht in einem Projekt, dass ohne Public Netbase wohl nie entstanden wäre ...
Der Streit um den Futtertrog
Eine Gruppe, die sich mit Förderungen nie wirklich beschäftigt hat und dessen Budget sich mehr oder weniger aus zufällig gewonnen Preisen und einer Handvoll Einladungen zusammensetzt, erstaunt es immer wieder, mit welcher Methodik um die Gelder der öffentlichen Hand gestritten werden kann. Anstatt der Stadt Wien und ihren KulturmanagerInnen die Hand auszureißen und den ganzen Kuchen zu fordern, wird eine Schlammschlacht um die Fördergelder inszeniert die ihres Gleichen sucht.
Während Gruppen wie Public Netbase (bzw. nunmehr Netbase/t0 Institute for New Culture Technologies) und vielen, vielen anderen die Grundlagen ihrer Professionalisierung entzogen werden und sie budgetmässig auf selbst ausbeutende Strukturen zurück geschnitten werden, kämpfen andere Hand in Hand mit den Vertrauensträgern der Stadt Wien um ihr Geld. Mailath-Pokorny hat seine Freude daran, wie sich leicht feststellen lässt. Und ob die besprochene Struktur auch weiterhin Gültigkeit hat wird die Zeit uns beweisen. Böse ist wer denken mag, dass sich der Futterneid so mancher politischen Gruppierung um die Gunst der Großen so einfach auf die Kunstszene umlegen lässt.
Was ist also eigentlich passiert?
Die Gruppen rund um die Initiative NetzNetz (www.netznetz.net) kämpfen um Gelder um ihre Projekte finanzieren zu können - natürlich mit guten Recht. Trotzdem stellt sich die Frage nach dem "wie". Als Betrachter des Konflikts wird man das Gefühl nicht los, dass sich (wie so oft im Wiener Sumpf des MiaSanMia) der kleinere Gegner ausgesucht wurde, um sich mit dem Eigentlichen - der Stadt Wien und dem Staat Österreich - nicht anlegen zu müssen. Anders kann es kaum gesehen werden, wenn kleine Kunstinitiativen dem Kulturstadtrat mit einem Vorschlag die Türen einrennen der in erster Linie darauf zielt der Netbase ihre Förderungen streitig zu machen.
Seit 1995 wurde das Budget der Stadt Wien für Netzkunst kaum erhöht, der tatsächliche Bedarf an Geldern für diesen Bereich ist aber explodiert. Kein Wunder, kaum eine andere Sparte in Kunst und Kultur erlebte einen derartig großen Aufschwung in den letzten 10 Jahren. Über kaum ein Thema wurden derartig viele und Vielfältige Theorien und Praxen gesponnen wie den Verbindungen von Kunst und Technologien. Selbst in Österreich, dass ja die Zugänglichkeit von Technologien und ihre Umsetzungen in der Kunst waren nun mal der große Hype der letzten Jahre. Das die Wiener Kulturpolitik diesen Wandel völlig verschlafen hat braucht niemanden zu wundern. Dass die ProbantInnen selbst diese Veränderung nicht sehen und sich mit den Aussagen von "Mehr Geld gibt es nicht" einfach zufrieden geben, lässt allerdings aufhorchen. Anstatt den Kuchen zu fordern sind wir also mit einem kleinen Eckerl schon zufrieden, und wenn es nicht anders geht dann nehmen wir auch das Eckerl, das bereits eine andere Gruppe für ihre Arbeit beansprucht. Nur nicht anecken an den Großen, nur nicht den Herrn Kulturstadtrat verärgern. Das sich bei solcher Politik die Türen des Stadtrats aufreißen lassen verwundert nicht. Das mit der einhergehenden Kritik an der Netbase die Tür gleich noch ein Stück offener bleibt auch nicht. Seit Jahren versucht Mailand-Pornokino die Netbase los zu werden und nun hat er endlich Unterstützung. Seitens der rechten Politik ("Die Netbase ist das elektronische EKH", Schweitzer (BZÖ)), der konservativen Stadtkultur (... ala SPÖ) und nun auch von den anderen Initiativen. Die Entpolitisierung hat gewonnen.
Im folgenden ein paar Fragen an die maßgebenden Betreiber der Netbase. Konrad Becker und Martin Wassermair.
Red: Wie auch im oben genannten. Falterartikel richtig angesprochen, hat die Netbase viele politische und künstlerische Aktionen unterstützt und darin für lange Zeit eine ihrer wesentlichsten Aufgaben gesehen. Auch Projekte wie die VolXtheaterkarawane oder die, in den Tagen des Feber 2000 gegründete Informationsplattform widerstand@MUND und no-racism.net schauen auf diese Unterstützung zurück. Viele dieser Projekte sind noch immer aktiv. Die Netbase wurde für ihre Unterstützung schon mal 'elektronisches EKH' genannt und die Forderung nach der Streichung von Subventionen war immer an der Tagesordnung. Kann man heute sagen (ohne wehleidig zu sein), dass die Unterstützung für unbequeme Projekte und die Netbase eigenen Aktionen, die immer wieder zur aktuellen Politik Stellung nahmen, mit für die Budgetkürzungen der Netbase verantwortlich sind.
Wassermair: Hier täuscht der erste Eindruck nicht. Der Zusammenhang von Budgetkürzungen und Disziplinierungsmaßnahmen ist auch bei näherer Betrachtung mehr als augenfällig. Gleichzeitig wäre es enttäuschend wenn die Arbeit der Netbase keine derartigen Reaktionen auslösen würde. Es ist aber wichtig sich über diese Zusammenhänge klar zu sein und sie nicht von der politischen PR verwischen zu lassen.
Red: Wie arbeitet die Netbase heute mit politischen Initiativen zusammen?
Die Zusammenarbeit mit politischen Initiativen und Gruppen war immer sehr vielfältig, ist aber letztlich auch an entsprechende Ressourcen gekoppelt. Gleichzeitig ist es uns immer ein Anliegen diese Aktivitäten auf eine glaubwürdige Basis zu stellen, indem wir die Nähe zu unserem Aufgabenprofil wahren.
Red: Ihr habt auch immer wieder mit gemeinsamen Aktionen die Raum für Projekte forderten auf euch aufmerksam gemacht. Ist die Netbase noch eine Institution die in einer besetzten Struktur funktionieren könnte?
Becker: Natürlich ist ein notwendiges Maß an zivilem Ungehorsam Voraussetzung zur Realisierung so mancher Kulturprojekte und die Netbase war dementsprechend wiederholt in temporäre "Landnahmen" und symbolische Besetzungen involviert. Aber die Netbase war nie für den "Häuserkampf" konzipiert und ist von ihren notwendigen Induktionsvoraussetzung an eine funktionierende Infrastruktur gebunden. Gerade auch improvisierte Ansiedlungen wie das Mediencamp am Karlsplatz sind auf ein funktionierendes Umfeld strukturell angewiesen. Sie ist aber immer für Freiräume, virtuelle und reale, symbolische und soziale, eingetreten und hat versucht deren Bedeutung in einer zunehmend von Kommunikationstechnologie und Informationspolitik bestimmten Wissens- und Kontrollgesellschaft aufzuzeigen.
Red: Auch im Jubiläumsjahr hat die Netbase einige Initiativen zur Störung des nationalen Jubelns unterstützt. Unter anderem virtuell eine Kuh geklaut. 2 fragen: Was sollte diese Aktion bezwecken?
Becker: Der Kampf der Bilder und die Hegemonie der Symbole die mit einem revisionistisches Narrativ als Staatsoperette Österreich 2005 Fluten wollten, haben uns herausgefordert ZKW7kf45 als virtuelle Inszenierung im symbolpolitischen Raum zu entwickeln. Es ging nicht zuletzt auch darum dieses Spektakel nicht nur mit den gleichen Mitteln anzugreifen sondern an Absurdität noch zu übertreffen. Die aktuellen Vorgänge im Parlament zum Thema Deserteure und Partisanen haben uns zu diesem medialen Straßentheater besonders inspiriert. Im aktuellen Topos des Terrorismus wurde eine sozio-mediale Bühne geschaffen die als Spielraum für SympathisantInnen, KomplizInnen, TrittbrettfahrerInnen und Gerüchteküchen die offizielle Inszenierung ironisierte und eine Debatte unterstützte.
Red: Waru habt ihr die Kuh nicht real geklaut?
Becker: Wir weisen die Täter/Opfer Dialektik der Bundesregierung scharf zurück :) Als multimediales Kommunikationsprojekt, dass die Virtualität in der Umsetzung rechter Politik thematisiert, erscheint es geradezu zwingend, dass auch die entführte Kuh nur virtuell existiert. Aus der Logik der Mystifizierung bzw. vermeintlichen Authentizität medialer Darstellung ist die Kuh genauso so sehr oder so wenig ein Fake, wie die Inszenierung des Opfermythos selbst.
Red: Zum Museumsquartier.
In meiner Erinnerung hat die Netbase Teile des Museumsquartiers besetzt und sich geweigert auszuziehen. Vor allem weil unklar war in welche Räume die Netbase nach einer Renovierung zurück kehren kann. Nachdem die Netbase schließlich doch das MQ verlassen hatte und ihr Zwischenquartier bezog, machte die Gruppe mit vielen Aktionen immer wieder auf ihre Situation aufmerksam. Eine der schönsten (aus meiner Sicht) war das Zelt im Brunnen des MQ. Im vorliegenden Falterartikel von Matthias Dusini ist nun die Rede davon, dass die Netbase nicht zurück wollte. Wie kann eine solche Informationspolitik zustande kommen und woher sind diese Informationen?
Wassermair: Das ist der offizielle Spin des MQ Geschäftsführers und ein Q21 Kurator wie Vitus Weh erzählt das dann brav weiter. Ansonsten, Follow the Money- Mit dem Marketing und PR Budget des MQ ist das leicht erklärt... Das so genannte Q21 und sein System der Abhängigkeiten spielt dabei eine große Rolle.
Red: Wann und nach welchen Aktionen ist die Netbase letztlich aus dem Museumsquartier ausgezogen? Wie waren die tatsächlich Situation und die Möglichkeiten die das MQ der Netbase noch geboten hat? Mit welchen Aktionen habt ihr für einen Verbleib der Netbase im Museumsquartier gekämpft?
Becker: Wir haben uns sehr früh mit allen anderen NutzerInnen des Museumsquartiers zusammengetan um gemeinsam gegen die politisch motivierte Neuorganisation der MQ Struktur anzutreten. Die Motivation auch der großen Institutionen war, dass sie selbst durch Interventionen und Einschränkungen in ihrer Arbeit behindert waren. Bei den verbliebenen dauern diese Schwierigkeiten auch noch immer an. Waldner hat schon in den ersten Wochen seines Amtsantritts im Sommer 1999 ein auch mit Sponsoren durch finanziertes und mit der Stadt Wien akkordiertes Medienprojekt willkürlich gestoppt. Bei der so genannten Voreröffnung im Juni 2001 wollte uns das MQ unseren künstlerischen Beitrag verbieten weil sie den Eindruck hatten, dass es zu gefährlich wäre, dass Künstler ein elektronisches Billboard aus dem Internet steuern. Es gab offensichtlich die Befürchtung, dass anwesende Regierungsmitglieder mit kritischen Botschaften konfrontiert sein könnten und diese "Peinlichkeit" wollte das MQ durch ein Verbot verhindern. Da wurden wir das erste Mal "illegal" und haben "Remote Viewing" trotzdem gemacht. Wir haben den Raum im Hof temporär besetzt und als Basecamp gegen einen MQ Eingriff militärisch gesichert...
Inzwischen wurden wir vom MQ aufgefordert unsere Räume für 8 Monate zu verlassen damit die Bausubstanz saniert werden kann. Es war inzwischen längst klar dass Wolfgang Waldner kein Interesse daran hatte, dass wir jemals in das MQ zurückkommen und er diesbezüglich völlig andere Pläne verfolgte. Wir haben uns daher zunächst geweigert überhaupt auszuziehen bevor es eine dazu schriftliche Übereinkunft gibt.
Die Stadt Wien ist dann als Vermittler aufgetreten und hat einen Kompromiss durchgesetzt der von allen Beteiligten unterschrieben wurde. Entsprechend dieser Abmachung mieteten wir für 10 Monate ein Zwischenquartier in der Burggasse 21. Sehr bald wurde deutlich, dass die MQ Geschäftsführung gar nicht beabsichtigte diesen Vertrag auch einzuhalten. Nicht zuletzt um auf diesen Umstand hinzuweisen haben wir dann im September 2001 eine weithin sichtbare Skulptur in den Brunnen des MQ positioniert die gleichzeitig als kollaborative online- Audioinstallation ausgelegt war. Als sich dann herausstellte, dass die Stadt Wien nicht bereit war diese von ihr verhandelten Abmachungen auch durchzusetzen haben wir als Zeichen des Protestes eine weitere Abwandlung des Basecamp, Text-FM, direkt vor das MQ an der Mariahilferstrasse gestellt. Diese Interventionen in einen "privatisierten" öffentlichen Raum sollten aber nicht nur Protest signalisieren sondern auch Formen künstlerischer Praxis präsentieren die gerade auch für das Museumsquartier zukunftsweisend sein können. Nach Jahren aktiver Feindseligkeiten von Seiten Wolfgang Waldners und dem einseitigen Bruch der gemeinsam mit der Stadt Wien getroffenen Abmachungen gab es schon zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit des Verbleibens. Auch das Depot das stets versucht hatte de eskalierend zu wirken und nicht aktiv die Öffentlichkeit gesucht hat wurde letztlich aus ihren Räumen geworfen.
Red: Ist das Zwischenquartier zu einer Art 'letzten Ruhestätte' geworden, wie in einer Radio-Orange Sendung angemerkt?
Becker: Bestenfalls zu einer letzten Unruhestätte! Aber die Public Netbase wird es als "Netbase" noch weiter geben.
Red: Die Software zur Entscheidung. Was haltet ihr grundsätzlich von der Idee einer Abstimmung darüber, welche Gruppierungen und Institute Kulturbudgets erhalten sollen?
Wassermair: Die Vorstellung die Komplexität soziokultureller, politischer und ökonomischer Zusammenhänge durch ein Computerprogramm simplifizieren zu können ist so bestechend wie naiv. Die Vorstellung, durch simple Rechenoperationen ein mangelndes Verständnis und kulturpolitische Zielvorstellungen zu ersetzen sowie praxisnahe Rahmenbedingungen zu schaffen, ist reichlich abwegig. Ebenso wenig lassen sich subjektive Interessen durch ein Spielautomatensystem glaubhaft objektivieren.
Eine Abstimmung und ein gemeinsames auftreten der beteiligten Institutionen und Gruppierungen ist dringend erforderlich- auch wenn hier nicht zwanghaft alles miteinander vermischt werden sollte. Wenn persönliche Interessen der Akteure in der Verteilungslogik eine wesentliche Rolle spielen treten führt das notwendigerweise zu Dominanz und Territorialverhalten und zahlreichen unerwünschten Phänomenen. Manchmal kann diese Selbstlähmung einer Szene ein durchaus erwünschter Effekt sein.
Red: die Netbase gibt es nun seit 1995. kennt ihr das Budget das von der Stadt damals für Netzkultur zur Verfügung hatte und wie hat es sich in den letzten 10 Jahren verändert?
Wassermair: Als eine der signifikantesten Vergleichszahlen bietet sich das Jahr 2003 an. Damals wurden seitens des Kulturamtes 436.000 Euro für Netz- und Medienkulturaktivitäten zur Verfügung gestellt. Das waren lächerliche 0,27% des Gesamtkulturbudgets, was wiederum den Stellenwert dieses Sektors für die Kulturpolitik aufzeigt.
Zugleich werden anhand dieser Zahlen auch die aktuellen Versprechungen von einer Erhöhung der Netzkultur-Förderungen auf jährlich 500.000 Euro als leicht durchschaubarer Vorwahl-Gag entlarvt.
Red: Mit welchen Argumenten wird von der 'Szene' Netbase Geld angefochten?
Wassermair: Sachliche Argumente sind selten zu hören. Schon eher persönliche Sentiments und Verunglimpfungen, denen mit sachlich geführten Debatten nicht beizukommen ist.
Red: Wie funktioniert das im internationalen Zusammenhang. Wurden dort Budgets die für diesen Sektor verantwortlich sind der rasant wachsenden Struktur angepasst?
Wassermair: Ein internationaler Gesamtüberblick ist hier aufgrund der gebotenen Kürze nicht möglich. Zwei Trends lassen sich aber kurz zusammen fassen. EU-Förderungsmaßnahmen im IT-Bereich sind für nicht-kommerzielle Projekte nicht oder kaum zu erschließen. Diese konzentrieren sich eher auf Creative Industries und müssen daher als wirtschaftspolitische Finanzierungsmodelle angesehen. Darüber hinaus spüren Medienkultur-Projekte gerade auch auf national staatlicher Ebene, dass zunehmend Event- und Repräsentationskultur gefördert wird. Für non-konforme politische Kulturarbeit ist da immer weniger Platz.
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