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[ 08. Dec 2000 // letzte änderung: 29. Dec 2006 ]

Arumugasamy Subramaniam

Arumugasamy Subramaniam

Am Morgen des 8. Dezember 2000 erhängte sich in der Abschiebungshaftanstalt Langenhagen (Deutschland) der tamilische Flüchtling Arumugasamy Subramaniam an seinen Schnürsenkeln. Drei Tage später sollte er abgeschoben werden.

 

Der 17-jährige Tamile(1) war am Mittwoch, 6. Dezember 2000 nach über fünfjährigem Aufenthalt in Deutschland festgenommen und am Donnerstag in die Abschiebungshaftanstalt nach Langenhagen eingeliefert worden. Nach den Aussagen seiner FreundInnen und Verwandten hatte er große Angst vor einer Rückkehr nach Sri Lanka, wo er befürchtete, sofort inhaftiert zu werden.

Arumugasamy Subramaniam war offiziell in Melle bei Osnabrück gemeldet, wo er sich jedoch tatsächlich kaum aufhielt: Die Familie seines Onkels in Ahrensberg (NRW), die seit 1997 die deutsche StaatsbürgerInnenschaft besitzt, bemühte sich mit Hilfe eines Rechtsanwaltes intensiv darum, den alleinstehenden Jungen zu adoptieren - Arumugasamy Subramaniam war für die Familie wie ein eigener Sohn. Sein Aufenthalt in Ahrensberg war zwar nicht erlaubt, jedoch wurde sein Aufenthalt durch die Ausländerbehörde augenzwinkernd geduldet. Eine Umverteilung nach Ahrensberg wurde von der dortigen Ausländerbehörde zwar befürwortet, von der Ausländerbehörde in Osnabrück jedoch nicht zugelassen.

Das eingeleitete Adoptionsverfahren wollte der Landkreis Osnabrück nach rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrags nicht mehr abwarten. Der Landkreis forderte den jungen Mann auf, bis zum 13.11.2000 eine Erklärung über eine freiwillige Ausreise abzugeben. Unter Hinweis auf einen Eilantrag vor dem VG Osnabrück, der am 25.11.2000 abgelehnt wurde, bat Rechtsanwalt Londzec die Ausländerbehörde um einen Aufschub. In Begleitung eines Freundes, des Fuhrunternehmers H. aus Ahrensberg, begab sich Arumugasamy Subramaniam am 6.12.2000 zur Ausländerbehörde, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Dort spielte sich dann folgendes ab:

Die Ausländerbehörde Osnabrück ließ die beiden unter einem Vorwand auf dem Gang warten und holte die Polizei. Der Junge fing an zu weinen. Der Fuhrunternehmer H. bat die Ausländerbehörde händeringend darum, dem Tamilen die freiwillige Ausreise zu ermöglichen, für die er persönlich geradestehen wollte. Dennoch bestand die Ausländerbehörde auf Abschiebungshaft. Am 07.12.2000 wurde Arumugasamy nach Bestätigung des Haftbeschlusses durch den Haftrichter in die Abschiebungshaftanstalt nach Langenhagen eingewiesen. Rechtsanwalt Londzec stellte noch einmal einen Antrag auf Aussetzung der Haft, biss jedoch bei der Ausländerbehörde auf Granit. Auch der Fuhrunternehmer H. unternahm einen erneuten vergeblichen Versuch, die Ausländerbehörde zu bewegen, die freiwillige Ausreise zu ermöglichen. Am Morgen des folgenden Tages beging Arumugasamy Selbstmord. Seine Adoptivmutter erlitt nach Erhalt dieser Nachricht einen Schock.


Kein Einzelfall


Der Selbstmord von Arumugasamy Subramaniam ist eine furchtbare Anklage an die praktizierte Asylpolitik in Deutschland. Es handelt sich hierbei nicht um ein tragisches Einzelschicksal eines labilen Menschen, der mit seinem Leben nicht zurecht kam. Arumugasamy Subramaniam mußte 1996 seine Familie und FreundInnen verlassen und aus Sri Lanka fliehen. Er kam nach Deutschland, um sein Leben zu schützen. Doch die Gleichgültigkeit und Ignoranz der Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts in Osnabrück nahmen ihm diesen Lebenswillen, so dass er letztlich den Selbstmord der qualvollen Gewissheit über Erniedrigung, Folter und drohender Ermordung in Sri Lanka vorzog.

Um 10 Uhr morgens hatten Beamte der Justizvollzugsanstalt den jungen Tamilen tot aufgefunden. Man sollte annehmen, dass nach einem solchen Vorfall, umgehend Konsequenzen aus der offensichtlichen Fehleinschätzung der Asylinstanzen gezogen würden. Doch schon eine Stunde später, um 11:15 Uhr, wurde der 26-jährige Tamile Shankar, der zuvor in derselben Abschiebehaftantalt in Langenhagen festgehalten wurde, nach Sri Lanka abgeschoben.

Bereits ein Jahr zuvor hatte sich der 39-jährige Tamile Veluppillai Balachandran in der Abschiebehaft in Moers erhängt, nachdem sein verzweifelter Hungerstreik und seine Warnung, sich eher das Leben zu nehmen, als in die Hände seiner PeinigerInnen ausgeliefert zu werden, ignoriert worden war. Nach seinem Tod war kein Aufschrei in der deutschen Öffentlichkeit zu vernehmen. Man sah auch keine PolitikerInnen, die betroffene Gesichter zogen und ihr Bedauern aussprachen. Es wurde auch niemand zur Verantwortung gezogen. Stattdessen wurde der Ehefrau und der Tochter von Vellupillai Balachandran nicht einmal die Einreise nach Deutschland gestattet, um an der Trauerfreier teilnehmen zu können.

Der Selbstmord von Vellupillai Balachandran hätte schon damals einen Abschiebestopp nach Sri Lanka zur Folge haben müssen. Statt dessen ist die ungerechte Asylrechtsprechung gegenüber tamilischen Asylsuchenden noch weiter verschärft worden, obwohl die politischen Entwicklungen in Sri Lanka zunehmend unberechenbarer werden und die gewalttätigen Ausschreitungen gegen die tamilische Bevölkerung eskalieren.

In dem Moerser Abschiebegefängnis, in dem sich Vellupillai Balachandran das Leben nahm, begannen vier tamilische Flüchtlinge Anfang September diesen Jahres einen zunächst unbefristeten Hungerstreik gegen ihre Abschiebung und die ungerechte Abschiebepolitik, von der mittlerweile (Dezember 2000) im gesamten Bundesgebiet über 6000 tamilische Flüchtlinge bedroht sind.


Proteste gegen Abschiebungen


Aus diesem mutigen Protest entwickelte sich eine bundesweite Kampagne für einen Abschiebestopp nach Sri Lanka, die vor allem in den letzten Monaten die Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Niedersachsen konfrontierte. Während sich daraufhin der Petitionsausschuss des Landtages in NRW, angesichts der eskalierenden Menschenrechtsverletzungen an der tamilischen Bevölkerung in Sri Lanka, für einen sofortigen, zumindest drei Monate andauernden Abschiebestopp aussprach, erwägte das nordrhein-westfälische Innenministerium nicht eine Sekunde seine kaltschnäuzige Position zu verändern. Ein Vertreter des Innenministeriums in NRW hatte bei Verhandlungen im Oktober deutlich erklärt, daß ein Abschiebestopp nach Sri Lanka außer Frage stünde, da es viel zu viele (in NRW ca. 3000) ausreisepflichtige tamilische Flüchtlinge gebe. Als stünde die Anzahl der tamilischen Flüchtlinge in irgendeiner Verbindung mit der Bedrohung, der diese Menschen im Falle einer Abschiebung ausgesetzt werden. Diese Rechtfertigung zeigt die wahren Beweggründe für die unzähligen Abschiebungen in Folter und Tod.

Auch das Innenministerium in Niedersachen war seit Monaten über die besorgniserregende Menschenrechtslage in Sri Lanka informiert, hatte aber keine erkennbaren Konsequenzen daraus gezogen – auch nicht nachdem sich Arumugasamy Subramaniam in Todesangst vor der Abschiebung selbst erhängte.




Anmerkung:
(1) Für die Behörden galt Arumugasamy Subramaniam nicht als Minderjähriger, sondern als Volljähriger, da der Tamile mit einem von einer Fluchthilfeorganisation gefälschten Pass eingereist war und ein Asylverfahren betrieben hatte. Der gefälschte Pass lautete auf den Namen Kethesvaran Subramaniam und wies den Tamilen als 25-jährigen aus. Der Landkreis Osnabrück meinte, das "richtige" Geburtsdatum auf der Grundlage einer umstrittenen Röntgenuntersuchung bestimmen zu können, der zufolge der Tamile angeblich ca. 19 Jahre sei. Dagegen weist die vorliegende Geburtsurkunde ihn als Tamilen mit Geburtsdatum vom 3.1.1983 aus. Auch auf einem Schulphoto vom 20. Mai 1995 ist sein Geburtsdatum mit 3.1.1983 bestimmt. Fachleute sind sich darüber einig, dass die Bestimmung des Alters auf der Grundlage von Röntgenuntersuchungen aufgrund der großen Varianzbreite nur sehr ungenau möglich ist und deshalb keine seriöse Methode zur Feststellung des Alters darstellt.

Quellen: :: Presseerklärung des Flüchtlingsrat Niedersachsen vom 12.12.2000 sowie ein :: Beitrag von der Solidaritätsgruppe für das Selbstbestimmungsrecht der Tamilen und des Internationaler Menschenrechtsverein Bremen e.V.