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[ 13. Apr 2008 ]

Wien: Hausbesetzung in der Spitalgasse 11

besetztes Haus

Wir dokumentieren ein Communique vom Plenum der Hausbesetzung in der Spitalgasse 11 in Wien.

 

Wir haben heute Nacht das Haus in der Spitalgasse 11 in Wien besetzt. Die weltweiten "Aktionstage für Besetzung und autonome Räume" haben uns dazu motiviert - aber nicht nur: Die Raumsituation in Wien spricht unerträgliche Bände. Überteuerte Mieten machen das Leben für die meisten Menschen zu einem täglichen Kampf, gleichzeitig stehen unzählige Häuser in Wien leer. Es ist das bekannte Spiel im Kapitalismus um die Steigerung des Marktwerts. Nicht nur, dass der Raum zur Ware wird, sondern die selben Maßstäbe der Verwertung gelten für den Mensch als solches. Wenn man dabei nicht mitspielen will, steht mensch als Unangepasste am Rande des öffentlichen Lebens. Vielen, die nicht als zugehörig zum nationalen "Wir" betrachtet werden, werden von vornherein von der Raumnahme ausgeschlossen oder gar abgeschoben.

Die Frage ist: Wie Leben? Wofür Leben? Der alltägliche Raum beherrscht von (Hetero-)Sexismus, Rassismus, Kapitalismus und anderen Formen der Unterdrückung, die ständige Flucht - auch Kultur genannt - um sich nicht mit der eigenen Situation konfrontieren zu müssen, diese Realität engt uns ein. Das kann es nicht gewesen sein!

Was in diesen ersten Stunden in der Spitalgasse 11 passiert, zeigt einen lebendigen Anfang. Im Vorfeld der Besetzung wurde in einem Workshop zu queer-feministischer Raumnahme diskutiert, wie die praktischen Arbeits- und Problembereiche einer Besetzung so gestaltet und organisiert werden können, dass gängige Verhaltensmuster wie Paternalismus, Mackerverhalten, Konkurrenz oder gegenseitige Abwertungen vermieden werden können bzw. zum Gegenstand von Reflexion werden. Wie der Raum zu einem werden kann, der Spielräume abseits von Normierungen ermöglicht.

Das mehrstöckige Haus füllt sich schnell bis zu seiner Dachterrasse, was das Bedürfnis nach solch einem Raum nochmals mehr bestätigt. Während die Clowns vor der Tür für ihre Art von Ordnung sorgen, hissen andere Transparente, wird in der provisorischen Küche bereits gekocht und in einem Workshop Verteidigungsmöglichkeiten diskutiert und erprobt. Party- und Kinoraum sowie ein Kinderzimmer sind bereits eingerichtet. Matten werden ausgerollt, die Schlafsäcke hergerichtet - ein kollektives Wohnprojekt entsteht. Auch wenn das Plenieren in der großen Gruppe vorerst noch recht mühsam ist, funktionierte die Selbstorganisation links gut.

Hiermit ist der Versuch gestartet, das Neue im Jetzt und Hier zu verwirklichen, welches wir betitelt haben mit Autonomie, Solidarität, Freiheit, Anarchie und anderen schönen Begriffen. Dies sind jedoch nichts als Wörter. Wir wollen das Neue erleben, erfahren; zeigen, dass es noch ein anderes Dasein geben kann! Diese Bewegung hat zur Besetzung geführt und fordert nicht nur alle dazu auf, den atopischen Raum zu verteidigen, sondern gemeinsam diesen neuen Raum zu gestalten und zu erweitern. Es ist an der Zeit.

aus dem BesetzerInnen-Plenum, Wien, am 13.04.2008