Johnson Okpara starb nach Polizeiverhör am 3. August 2001; Lebensgeschichte und Protest von Verein AHDA
Nur wenige Stunden nach dem Sprung vom zweiten Stock des Jugendgerichtes in der Rödengasse in Wien-Landstrasse starb der 19-jährige Nigerianer Johnson O. Freitagabend im Wiener AKH. Er hatte beim Aufprall auf den Gehsteig zahlreiche Knochenbrüche und schwere innere Verletzungen mit hohem Blutverlust erlitten.
Dem Nigerianer wurden Drogendelikte vorgeworfen. Auch die fragliche Identität des Asylwerbers sollte geprüft werden. Freitagnachmittag wurde er dazu von der Untersuchungsrichterin im zweiten Stock des Gebäudes einvernommen. Ein Justizwachebeamter war dabei.
Wegen der Hitze stand ein Flügel des dreiteiligen Fensters offen. Es gab kein Fenstergitter. Johnson O. dürfte nicht registriert haben, dass das Zimmer im zweiten Stock liegt, und sah offenbar eine günstige Gelegenheit zur Flucht - und sTürmte plötzlich zum Fenster. Der Justizwachebeamte wollte ihn zurückhalten, scheiterte jedoch. Der Häftling sTürzte nahezu zehn Meter in die Tiefe. Bei der Versorgung durch den Notarzt kam er wieder zu Bewusstsein und wurde per Hubschrauber ins AKH transportiert. Sein Zustand war jedoch hoffnungslos.
Auch der Bewacher brauchte ärztliche Versorgung. Bei einem kurzen Gerangel mit dem Häftling am Fenster war eine Scheibe zu Bruch gegangen, und spitze Scherben bohrten sich in den Arm des Beamten. Die Verletzung musste genÀht werden.
VICTIMS OF THE SYSTEM
Die Geschichte von Okpara Johnson
Am 20. 03. 1999 stellte Okpara Johnson, geboren am 05. 12. 1981, nigerianischer Staatsangehöriger, seinen ersten Asylantrag in Österreich, beim Bundesasylamt Traiskirchen. Sein Asylantrag wurde am 13. 09. 1999 als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Gegen den ablehnenden Bescheid legte Johnson Okpara Berufung ein, die vom Unabhängigen Bundesasylsenat negativ entschieden wurde. Mit Schreiben vom 30. 05. 2001 stellte Johnson Okpara erneut Asylantrag beim Bundesasylamt Traiskirchen, der wegen entschiedener Sache abgelehnt wurde. Auch hiergegen hat Johnson Okpara Berufung, mit Schreiben vom 20. 07. 2001 eingelegt. Eines der Argumente dafür, daß er nicht ohne Gefahr für Leib und Leben nach Nigeria zurückkehren konnte, war, daß er in Nigeria der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt wäre. In Nigeria macht sich eine Person, die im Ausland wegen eines Drogendelikts den Namen Nigerias in Verruf bringt, einer Straftat schuldig (Dekret Nr. 33 Abs. 2 von 1990) und kann daher wegen dieser Tat erneut verurteilt werden. Dieses Argument hat das Bundesasylamt Traiskirchen bei seiner Entscheidung nicht in ErwÀgung gezogen und mußte daher auch nicht auf die lebensbedrohlichen Haftbedingungen in Nigeria eingehen. Eine Berufungsentscheidung wurde bislang nicht gefällt.
Soviel zur asylrechtliche Rahmengeschichte. Glauben wurde ihm von keiner der entscheidenden Behörden geschenkt.
Am 06. 05. 1999 wurde Johnson Okpara zum erstenmal festgenommen, wegen Verstoßes nach dem Fremdengesetz, Verdachts des Suchtgifthandels und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Wegen letzterer Delikte hat sich der Verdacht, der schriftlichen Begründung eines unbefristeten Aufenthaltsverborts vom 27. 07. 2000 zufolge, nicht erhÀrtet. Im betreffenden Bescheid wurde allerdings nicht ausdrücklich erklärt, daß der Verdacht nicht bestätigt werden konnte. Diese und alle weiteren Anzeigen und Festnahmen, bei denen sich der Verdacht gegen Johnson Okpara nicht erhÀrtet hat, wurden freilich bei Erlaà des unbefristeten Aufenthaltsverbotes genauestens festgehalten, um die Kriminalität des Johnson Okpara zu unterstreichen. Sie bildeten zusammen mit der tatsächlich verhängten Haftstrafe (siehe unten) Grundlage für das Aufenthaltsverbot. Von einer Beachtung der Unschuldsvermutung kann unter solchen Umständen kaum noch die Rede sein.
Am 26. 05. 1999 wurde er erneut im, so der Ausdruck der Fremdenpolizei Wien, "Suchtgiftmilieu" angetroffen und wegen Verdachts des Suchgifthandels angezeigt. Doch auch hier kam es zu keiner Anklage. Danach wurde ihm vorgeworfen, sich auch am 02. 06. 1999 in der "Suchtgiftszene" befunden zu haben. Diesmal wurde er wegen Verdachts des Suchtgifthandels, der körperverletzung und gefährlicher Drohung festgenommen und angezeigt.
Zu einer Verurteilung des Johnson Okpara kam es schließlich nach seiner Verhaftung im Rahmen der bis heute fragwürdigen Operation Spring. Er wurde wegen Verstoßes nach dem Suchtmittelgesetz angezeigt und vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unbedingt verurteilt. Johnson Okpara hat auch in der Justizvollzugsanstalt St. PÃŒlten immer wieder seine Unschuld beteuert. außerdem hat er erklärt, daß ihm sein damaliger Anwalt zugeraten hat, die Strafe anzunehmen, da sie sehr niedrig sei. würde er sie nicht akzeptieren, hätte er mit sehr viel längerer Haftstrafe zu rechnen. Johnson Okpara kann als ein Opfer der nach wie vor zu Recht umstrittenen Operation Spring eingeschätzt werden. Briefe aus der Vollzugsanstalt an AHDA belegen seine Verzweiflung.
Leider ist es immer wieder so, daß AsylwerberInnen, (vor allem solche mit dunkler Hautfarbe), sehr häufig repressiven Aktivitäten der Polizei ausgesetzt sind, wenn sie einmal im Zusammenhang mit Drogendelikten aufgefallen sind. Sie werden wieder und wieder kontrolliert, werden angezeigt, kommen in Untersuchungshaft, müssen sich für jeden Schilling, den sie in der Tasche haben rechtfertigen, es wird automatisch unterstellt, mitgeführtes Geld stamme aus DrogenGeschäften. (Vom Staat jedenfalls können sie das Geld nicht haben...)
So war es auch bei Johnson Okpara:
Gleich nach seiner Entlassung aus der Haft Anfang Juli 2001 wurde er von der Polizei in Wien Margareten aufgegriffen. Er wurde zum Polizeigefangenenhaus Roßauer lände gebracht und von dort der Jugendrichterin vorgeführt. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft, wollte er sein Mobiltelefon, sein Bargeld und ein Adreßbuch, das ihm im Zuge der Verhaftung von der Polizei abgenommen worden war, wieder zurück haben. Das Geld, von dem die Polizei wohl ausging es stamme aus DrogenGeschäften, hatte er sich in der Haftanstalt in St. PÃŒlten verdienen können.
Aus lauter Angst davor, noch einmal zu der Polizeistation im 5. Bezirk zurückzukehren, bat er AHDA um eine Begleitperson, um sein Eigentum wiederzuerlangen. Er erklärte, man hätte ihn auf dem Polizeirevier (Victor-Christ -Gasse 19) sehr schlecht behandelt. Bei AHDA beteuerte Johnson Okpara, daß er nichts mit Drogen zu tun hätte. Er möchte einfach in Ruhe gelassen werden, er möchte nie mehr ins Gefängnis, er möchte nichts mehr mit der Polizei zu tun haben.
Bei der Polizei schlug uns dann viel Kälte entgegen, man erinnerte sich an Johnson Okpara, dem die schiere Angst in den Augen stand. Wir wollten zu dem Beamten gehen, von dem uns die Untersuchungsrichterin erzählt hat, er sei für das Verfahren gegen Johnson Okpara zuständig. Dieser war nicht anwesend und so sprachen wir einen anderen Beamten an, der aber äußerst unwillig war, uns zu helfen. Er erklärte, er hätte den Akt nicht da, und der zuständige Beamte sei außer Haus. Nur auf nochmaliges Nachfragen und dem Hinweis darauf, daß es sich bei den abzuholenden Gegenständen um dringend benötigte Gegenstände, (Eigentum) handelt - Telefon, Geld, Adreßbuch - und dem Verweis darauf, daß wir von der Ermittlungsrichterin "grünes Licht" für die Abholung erhalten haben, wurde der Beamte aktiv. In dem von ihm getätigten Telefonat mit der Ausgabestelle war die Rede davon, daß das Verfahren eingestellt worden sei. Grund genug, sollte man meinen, die einbehaltenen Gegenstände anstandslos herauszugeben. zurückerhalten hat er schließlich nur das Handy und das Geld, nicht aber das Adreßbuch. Es ist anzunehmen, daß ihm, wäre er alleine zur Polizei gegangen, nicht einmal diese Gegenstände ausgehÀndigt worden Wären.
Auf seine Frage erklärte man ihm bei der Ausgabestelle, es sei kein Adreßbuch dabeigewesen. Es bleibt zu vermuten, daß es einbehalten wurde, um mit seiner Hilfe Auskünfte - wahrscheinlich über das "Suchtgiftmilieu" - zu erhalten.
Kaum aus der Untersuchungshaft entlassen, wurde er erneut festgenommen, wieder im Zusammenhang mit Suchtmitteln. Hier muß AHDA leider auf Presseberichte zurückgreifen:
Am Freitag Nachmittag (03. 08. 2001), im Laufe der Vernehmung beim Jugendgerichtshof hat sich Johnson Okpara, wohl in völliger Verzweiflung aus dem Fenster des Vernehmungszimmers gesTürzt. Nach alldem bisher Geschilderten scheint es für ihn der einzige Ausweg gewesen zu sein.
Bis jetzt wurde uns noch nicht einmal offiziell vom Jugendgericht Wien bestätigt, daß es sich bei dem im Kurier mit Johnson O. abgekürzten, 19-jährigen Nigerianer um unseren Klienten handelt. Datenschutz und Schutz des persönlichkeitsrechts werden - plötzlich - bei der Österreichischen Justiz und Verwaltung groß geschrieben!
An diesem Freitag, dem 03. 08. 2001 hat sich allerdings bei AHDA eine Dame telefonisch gemeldet, die im Auftrag eines ermittelnden Richters in der Sache "Johnson" anrief. Sie erkundigte sich im Zusammenhang mit diesem Verfahren nach einer Vertrauensperson für die stattfindende Vernehmung. Bei AHDA bekam sie daraufhin die Telefonnummer der Person bei AHDA, die mit der Akte und mit Johnson Okpara selbst sehr vertraut war. Die Sekräterin erklärte sich bereit, falls sie diese Person telefonisch nicht erreichen sollte, wieder im Büro von AHDA anzurufen, damit jemand anderes von AHDA bei der Vernehmung vor dem Richter anwesend sein konnte. Dies geschah dann allerdings nicht, so daß niemand von AHDA als Vertrauensperson bei der Vernehmung von Johnson Okpara dabei sein konnte.
Die Geschichte von Johnson Okpara steht für viele, für unzählige Schicksale anderer Flüchtlinge in Österreich, die sich alle ganz ähnlich anhören oder lesen. Aufmerksam auf die bestehenden, oft menschenverachtende Behandlung von AsylwerberInnen in Österreich wird man leider erst bei UnglÃŒcksfällen wie diesem. Daher kann nicht oft genug darauf hingewiesn werden, daß auch die anderen Flüchtlinge, die ständig polizeiliche Kontrollen fürchten müssen und den Behörden gegenüber machtlos sind, dem gleichen Leiden ausgesetzt sind!
AHDA Team
Association for Human Rights and Democracy in Africa
Vereinigung für Menschenrechte und Demokratie in Afrika