Festus Okey starb vor vier Jahren auf einer Polizeiwache in Istanbul. Wichtige Beweise sind verschwunden. Der Fall droht zu verjähren. Immer mehr Menschen stehen jetzt in Istanbul auf und fordern Gerechtigkeit. Eine neue Welle der Solidarität formiert sich.
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Das "Migrants Solidarity Network Istanbul" wurde zur nächsten Verhandlung als Zeuge geladen, berichten Beobachter aus Istanbul. Es sind kleine Schritte wie dieser, die Festus Okey und seiner Familie vielleicht doch noch zu später Gerechtigkeit verhelfen könnten. Erstmals in der Geschichte der Türkei treten nicht nur Menschenrechtsorganisationen und NGOs, sondern auch immer mehr Menschen aus der breiten Bevölkerung gegen Rassismus gegenüber schwarzen Asylwerbern auf und das lenkt auch das Interesse internationaler Beobachter nach Istanbul.
Am 20. August 2007 wurde Festus Okey in Beyoglu, einem Viertel in der Istanbuler Innenstadt, zusammen mit seinem Freund M.O. wegen Verdachts auf Drogenbesitz festgenommen. Auf dem Polizeirevier wurden die beiden voneinander getrennt. Kurz darauf hörte M.O. seinen Freund Festus schreien, dann fiel ein Schuss. In einer offiziellen Stellungnahme zum Tod des 25-jährigen Nigerianers heißt es, Festus Okey habe dem vernehmenden Beamten die Dienstpistole entrissen, daraufhin sei es zwischen den beiden zu einem Handgemenge gekommen in dessen Folge sich ein Schuss löste. Festus wurde erschossen. Videoaufzeichnungen von den Ereignissen gibt es nicht. Laut Angaben der Polizei hatten die Überwachungskameras zu diesem Zeitpunkt eine technische Störung. Das wichtigste Beweismaterial, das T-Shirt, das Festus Okey getragen hatte, ist verschwunden. Die Polizeistation Beyoglu in Istanbul ist weithin als "Folterwache" bekannt. Neun Gerichtsverhandlungen zu dem Fall "Festus" wurden inzwischen durchgeführt, ohne nennenswerte Fortschritte, wie der Menschenrechtsverein Human Rights Assoziation (IHD) berichtet. Die Behörden setzen auf Zeit. Internationale Beobachter haben den Eindruck, man versuche alles um den Prozess im Sand verlaufen zu lassen. So brauchte es mehrere Monate um die Identität des Verstorbenen von der Regierung Nigerias bestätigen zu lassen. Inzwischen stehen aber immer mehr Menschen in der Türkei gegen diesen Fall auf. Darunter auch einige Anwälte, die bei den Verhandlungen dabei sein wollen, vom Staatsanwalt teilweise aber ausgeschlossen wurden, mit der Begründung, sie würden den Ablauf der Verhandlung stören.
Asylwerber werden in der Türkei in einer der dreißig sogenannten Satellitenstädte untergebracht, die sie nur mit polizeilicher Erlaubnis verlassen dürfen, die größten befinden sich in Istanbul-Kumkapi, Izmir und Kirklareli. NGOs bekommen nur schwer Zugang zu diesen Zentren. Ein weiteres Problem in der Türkei: Die meisten Anwälte haben bislang kaum Erfahrung im Bereich Migration. Sprachliche Barrieren erschweren zudem den Austausch. In der Türkei leben hunderttausende Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis, ohne das Recht eine Arbeit ausüben zu dürfen, ohne Zugang zu sozialen Leistungen oder dem Bildungswesen. Viele davon im Untergrund. Der gewaltsame Tod von Festus hat vielen erst die Augen geöffnet für die Situation der Flüchtlinge.
Anwalt Hüsnü Öndul fordert nun ein rasches Ende im Fall "Festus", er dokumentiert die Untersuchung im Auftrag der Human Rights Joint Platform (IHOP). Doch an einer fairen Verhandlung zweifelt auch er. Der Fall könnte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte landen. Sollte der Polizeibeamte verurteilt werden, drohen ihm zwischen drei und sechs Jahren Haft.
Quelle: der Artikel von Jane Kathrein erschien zuerst in www.20er.at