Ende November 2014 wurden in Rechnitz/Burgenland Asylsuchende, die dort leben, von "Einheimischen" beschimpft und angegriffen. In diesem Artikel wird die mediale Berichterstattung über diesen "Vorfall" nachvollzogen, kam es doch zuerst zu einer Täter/Opfer-Umkehr.
In der BVZ Oberwart (Burgenländische Volkszeitung, Lokalausgabe Oberwart) wurde am 11.12.2014 von einem rassistisch motivierten Übergriff auf ein Haus in Rechnitz, in dem Asylwerber_innen leben, berichtet. Der Übergriff fand in der Nacht von Samstag, 22.11.2014, auf Sonntag, 23.11.2014, statt.
Der Bericht erinnert an die Vorfälle in Fieberbrunn/Tirol. Dort war es Ende Oktober 2014 ebenfalls zu einem rassistisch motivierten Angriff auf die "Bundesbetreuungseinrichtung" Bürglkopf gekommen.
In der Berichterstattung über den Vorfall in Rechnitz war in einem ersten Bericht von einer "Rauferei unter fünf Männern" (Artikel vom 24.11.2014 siehe :: hier) gesprochen worden.
Ein weiterer Artikel vom 26.11.2014 titelt "Wirbel um Asylwerber", suggeriert in der Überschrift, dass ein Problem von Asylwerber_innen ausging - eine klassische Opfer/Täter-Umkehr. In dem Artikel werden aber erste Zweifel an der Darstellung der Gruppe [die]"zugegeben etwas lautstark" auf dem Weg von einer Geburtstagsparty in eine Diskothek war, angemerkt. (Artikel vom 26.11.2014 siehe :: hier).
Aus einem Folgeartikel vom 11.12.2014 wird deutlich, dass der Angriff auf die Unterkunft der Asylwerber_innen eindeutig von der "etwas lautstarken Gruppe" ausging. (Artikel vom 11.12.2014 siehe :: hier).
no-racism.net dokumentiert im Folgenden die drei Artikel, die den "Vorfall" betreffen, auch um die Veränderung in der Berichterstattung nachvollziehbar zu machen.
----------
BVZ-Artikel vom 24.11.2014 mit dem Titel :: "Drei Männer bei Rauferei verletzt":
Drei Männer bei Rauferei verletzt
Eine Rauferei unter fünf Männern hat in der Nacht auf Sonntag drei Verletzte gefordert. Zwischen den Männern im Alter von 18 und 50 Jahren ist es aus zunächst unbekannter Ursache zum Streit gekommen.
Die Beteiligten fügten sich Prellungen und Platzwunden zu, so die Polizei heute, Montag. Drei Männer im Alter von 19, 36 und 41 Jahren wurden mit der Rettung ins Spital gebracht. Erst die eintreffenden Beamten konnten die Auseinandersetzung der Männer beenden, teilte die Landespolizeidirektion Burgenland mit. Zwei Beteiligte kamen ohne Blessuren davon.
----------
BVZ-Artikel vom 26.11.2014 mit dem Titel :: "Wirbel um Asylwerber":
Wirbel um Asylwerber
Drei verletzte Personen nach Raufhandel in der Nacht auf Sonntag in Rechnitz. Für den Beteiligten Werner A. ein "Skandal".
In der Nacht von Samstag auf Sonntag gegen 2.30 Uhr ereignete sich in Rechnitz ein Raufhandel, bei dem insgesamt fünf Personen im Alter von 18, 19, 36, 41 und 50 Jahren beteiligt waren. Drei davon wurden verletzt, die Personen konnten erst durch die eintreffende Polizei getrennt werden (BVZ.at hatte berichtet).
Vorfall könnte auch anders abgelaufen sein
Laut Werner A., einem der Beteiligten, sei seine Gruppe "zugegeben etwas lautstark" auf dem Weg von einer Geburtstagsparty in eine Diskothek gewesen: "Plötzlich ging ein Haustor auf und drei Asylwerber gingen auf uns los, einer davon sogar mit einem Elektroschocker. Sie warfen uns vor, ihre Familien beim Schlafen zu stören."
Dabei wurde Richard B. verletzt (siehe Foto links), A. rief dann die Polizei, weil die Situation weiter zu eskalieren drohte. Erst die eintreffenden Polizeibeamten konnten den Streit schlichten.
"Den Elektroschocker ließen die Flüchtlinge dann verschwinden - ein Skandal", sagt A.. Die Polizei wollte zum Vorfall nicht Stellung nehmen: "Die Zeugeneinvernahme und die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen."
Recherchen in Rechnitz ergaben, dass sich der Vorfall durchaus auch anders abgespielt haben könnte: Aus dem Umfeld der Flüchtlinge war nämlich zu erfahren, dass die Flüchtlinge die Nachtschwärmer nur deshalb zur Rede stellen wollten, weil diese wiederholt an das Haustor geklopft hatten.
----------
BVZ-Artikel vom 11.12.2014 mit dem Titel :: "Rechnitzer Asylwirbel":
Rechnitzer Asylwirbel
Nach Schlägerei zwischen Einheimischen und Asylwerbern ermittelt
jetzt die Polizei. Recherchen ergaben, dass sich Vorfall ganz anders
zugetragen haben dürfte.
Da wurde wohl nicht nur ordentlich zugelangt, sondern auch ordentlich gelogen. Wie die BVZ berichtete, wurden bei einem Raufhandel zwischen Asylwerber und Einheimischen vor zehn Tagen drei Personen verletzt.
Laut eigenen Angaben seien die Herren nachts am Weg in die Disco gewesen, als plötzlich in Rechnitz lebende Asylwerber auf sie losgegangen seien. Auch einen Elektroschocker hätten die jungen Männer aus Syrien gegen sie eingesetzt - so die Aussage eines Beteiligten.
Krawall und ausländerfeindliche Parolen
Ausführliche Recherchen ergaben nun, dass die betrunkenen Männer im Hof des Asylheimes mit ausländerfeindlichen Parolen Krawall geschlagen haben sollen. "Die haben das Quartier der Asylwerber überfallen und nicht umgekehrt", bringt es Pascal Steiner vom Diakonie Flüchtlingsdienst auf den Punkt.
In der ehemaligen Pension in Rechnitz wohnen derzeit syrische Familien und zwei junge Männer, ebenfalls Asylwerber.
Der Vorfall ereignete sich mitten in der Nacht, einer der jungen Männer aus der Pension ist dann in den Hof gegangen, um nachzusehen, was los sei. Dabei hatte er ein Feuerzeug in der Hand um sich Licht zu verschaffen.
"Das Feuerzeug war der vermeintliche Elektroschocker, mit dem die Einheimischen angeblich verletzt wurden, was vollkommener Blödsinn ist", berichtet Steiner und sagt weiter, "das war nicht der erste Vorfall gegen Ausländer in Rechnitz. Auch unsere Jungs aus dem Haus der Jugend werden immer wieder, im Schulbus oder auf der Straße, beschimpft. Es schockiert mich, dass Menschen, die in Österreich Schutz suchen, hier wieder angegriffen werden."
Bürgermeister will mehr Aufklärungsarbeit
Auch die Betreiberin der Asylwerberunterkunft, in welcher sich der Vorfall zugetragen hat, meldete sich zu Wort. Theresia Wusits: "Ich wurde mitten in der Nacht wach von dem Lärm. Die besagten Einheimischen sind in den Hof meines Grundstückes eingedrungen, haben lautstark an die Rollos geklopft und die Asylwerber beleidigt. Ich kann zu tausend Prozent bestätigen, dass die Asylwerber, die bei mir wohnen, vollkommen unschuldig sind. Das ganze Haus war ruhig, jeder hat geschlafen, bis die Trunkenbolde eingefallen sind. Ich bin dann sofort raus und habe geschrien, dass sie verschwinden sollen. Daraufhin wurde auch ich beschimpft. Es ist eine Schande, weil die Leute, die bei mir im Haus wohnen, allesamt gute und anständige Menschen sind, es gab noch nie Probleme. So etwas haben sie nicht verdient."
Rechnitz' Bürgermeister Engelbert Kenyeri: "Der Vorfall ist mehr als bedenklich und ein Fall für die Justiz, aber Gott sei Dank nicht der Regelfall in der Gemeinde. Trotzdem planen wir in Zukunft noch mehr Infoveranstaltungen, um noch intensivere Aufklärungsarbeit zu leisten", verspricht der Bürgermeister.
Asylwerber in Rechnitz - die Fakten
Aktuell leben 110 Asylwerber in Rechnitz davon:
- 31 Kinder
- 36 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahre
- 21 Frauen und 12 Männer zwischen 18 und 20 Jahre
Der Großteil stammt aus Syrien gefolgt von Flüchtlingen aus Afghanistan, Somalia, Libyen und der Mongolei. In Österreich gab es Anfang 2013 rund 22.400 offene Asylverfahren. Setzt man diese Zahl in Relation zur Einwohnerzahl Österreichs, machen Asylsuchende etwa 0,27 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. In den vergangenen fünf Jahren haben jährlich zwischen 11.000 und 17.500 Menschen um Asyl angesucht.
Die Artikel wurden von no-racism.net leicht redigiert.