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[ 01. Feb 2000 ]

Vorreiter Österreich überblick über rassistische Handlungen der Regierung

Droht eine weitere Verschärfung des Rassismus durch den FPÖ-Innenminister?

 

* Am 28. Jänner 1999 stellt der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, Michael Sika, ein Ansuchen für einen Probelauf des Lauschangriffs gegen "eine mutmaßliche Tätergruppe" und begründet den Antrag mit dem Konstrukt einer kriminellen Organisation, der Nigerianischen Drogenmafia, die in Österreich operieren sollte.

Das Konstrukt war nicht neu, sondern war schon Rechtfertigung und Begründung für ethnische Vertreibungen von NigerianerInnen aus südafrika, Togo, Kamerun und vielen anderen afrikanischen Staaten.

Der Lauschangriff richtete sich gegen eine Minderheit, deren Ausgrenzung und Vorverurteilung die Akzeptanz und den Beifall weiter Teile der Österreichischen Medien und der Bevölkerung erwarten ließen - zu einem Zeitpunkt, als restriktive Asylgesetze, Wahlkampfkampagnen etc. als Ausdruck eines verschärften rassistischen Klimas an der Tagesordnung sind. Somit war ein erstes Einsatzgebiet für die Einführung von neuen Ermittlungsmethoden gefunden, die unter anderen Umständen wahrscheinlich schärfere Proteste und Diskussionen gegen die Beschneidung bürgerlicher Freiheit nach sich gezogen hätten.

* Im Jänner 1999 starb der Senegalese Ahmed F. im Zuge eines Polizeieinsatzes auf offener strasse. Augenzeugen berichteten in Zeitungen von Misshandlungen, die seinem Tod vorausgingen.

Dies war nur einer von vielen fällen, wo rassistisch motivierte Misshandlungen und Übergriffe durch die Polizei und deren Sondereinheiten bekannt wurden. Am 19. März 1999 fand eine große antirassistische Demonstration statt, ein Zeichen des sich formierenden Widerstandes. Erstmals beteiligten sich daran auch große Teile der Black Communities.

* Am 1. Mai 1999 erstickte Marcus Omofuma während seiner Abschiebung. Seine Atemwege wurden von mehreren Schichten Klebebändern verschlossen - eine seit Jahren gängige Praxis zur Knebelung von Schubhäftlingen. In den folgenden Untersuchungen leugneten die zuständigen Behörden von diesen Methoden gewußt zu haben.

Obduktionsergebnisse der bulgarischen Gerichtsmediziner wurden heruntergespielt und Marcus Omofuma gleichzeitig in einer Medienkampagne vom illegalen Einwanderer zum Verbrecher hochstilisiert. Die verantwortlichen Politiker sahen sich nicht veranlasst, personelle Konsequenzen zu ziehen.

* Bei mehreren Demonstrationen, Mahnwachen vor dem Innenministerium und Aktionen vor dem Parlament wurde der Rücktritt des Innenministers gefordert. Auf diesen Veranstaltungen sammelte die Polizei überwachungsmaterial und Fotos der TeilnehmerInnen.

Dieses Material und Daten des Lauschangriffes dienten als Grundlage zur Verhaftung von 104 Personen - großteils AfrikanerInnen - am 27. Mai 1999, der "Operation Spring". Begleitet wurde die Operation Spring von einer groß aufgeblasenen Medienkampagne, die die Erfolge des Lauschangriffs feierte und die die Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen in den Hintergrund treten ließ.

Gut ein Drittel der am ersten Tag Verhafteten, darunter auch der als Drogenboss aufgebaute Charles O., stellte sich sehr schnell als völlig unschuldig heraus. übrig blieb ein Kreis von Beschuldigten, deren Namen in groben Zügen schon im Ansuchen für den Lauschangriff feststanden.

Der offizielle Lauschangriff fand im Mai vor den Verhaftungen statt. Bei den Prozessen werden überwachungsprotokolle hauptsächlich aus den Monaten Februar und März als belastendes Material verwendet.

* In den darauffolgenden Monaten gab es laufend neue Inhaftierungen. Ein weiterer Höhepunkt war die Verhaftung sämtlicher schwarzer jugendlicher Bewohner eines Gesellenheimes im Wien (Zohmanngasse) am 29. September 1999 vier Tage vor den Nationalratswahlen.

* Mittels des international umstrittenen Handwurzelknochentests werden Jugendliche zu Erwachsenen erklärt

* das Heim, das in Wien der letzte Zufluchtsort für viele jugendliche Asylwerber war, die sonst auf der strasse gelandet Wären, kann seine Arbeit nicht mehr fortsetzen

* Wieder einmal wurden nur Afrikaner verhaftet und allen im Heim wohnenden Jugendlichen vorgeworfen, Mitglieder einer kriminellen Organisation zu sein

* Viele der im Laufe des Jahres Verhafteten sitzen seit nunmehr bis zu neun Monaten ohne Anklageschrift in Untersuchungshaft. In einem exemplarischen Prozess im Oktober wurden Haftstrafen von 7 und 10 Jahren verhängt; ein quasi Präzedenzfall, der zusammen mit vielen kleinen Prozessen das Konstrukt und die Thesen, die schon im Brief von Sika stehen, bestätigen sollen.

Bisherigen Beobachtungen zufolge ist die BeweisFührung in den Prozessen nicht genauer oder ausfÃŒhrlicher als die Vorverurteilungen, die schon im Jänner bestanden und Ausgangspunkt der Verhaftungen waren.

Die Aussagen von Personen, gegen die selbst in der gleichen Causa Verfahren anhängig sind, werden gegen die Angeklagten verwendet, wobei diese Art der BeweisFührung europaweit umstritten ist. Diese Kronzeugen werden flankiert von Sicherheitswachebeamten mit Sturzhelmen, angeklebten BÀrten, PeRücken u.À. zu den Prozessen und Vernehmungen geführt.

* Die Bezichtigung von Kleinkriminellen und Unschuldigen, Mitglieder einer internationalen Mafia zu sein hatte im Nachhinein betrachtet keine sicherheitspolitische Relevanz. Vielmehr ist sie ein politisches Konstrukt, das den Fundamentalisten genereller Sicherheit sehr gelegen kommt. Es ist zu erwarten, dass gerade in den Prozessen der nächsten Monate diese Tatsache offensichtlich wird.

Das große Medienecho bei den Verhaftungen steht im Gegensatz zur Absenz der Medien bei den Prozessen.

Und es geht weiter:

Am 17 Jänner 2000 wurde in einem der größten Flüchtlingslager außerhalb von Wien eine Razzia - Codename Streetrunner - durchgeführt, bei der 80 AsylwerberInnen (nur 15 davon wurden vorläufig inhaftiert) aus afrikanischen ländern von der Polizei mit Plastikbändern gefesselt, perlustriert und analen Leibesvisitationen ohne Handschuhwechsel unterzogen wurden.

Besuchsverbote werden willkürlich verhängt und die Gefangenen vor Gruppen und Prominenten abgeschirmt, die gegen den zutage tretenden systematischen Rassismus ihre Stimme erheben.

Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung durch Berichterstattung und stehen gerne für weitere Information zur Verfügung.

Presseaussendung der GEMMI an EuropäischeTageszeitungen anlässlich der EU-Sanktionen