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[ 07. Mar 2004 ]

Internationaler Frauenkampftag 8. März

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Über Ursprünge und Vorläufer des Internationalen Frauentages existieren unterschiedliche Vermutungen. Klar ist jedoch, dass die Wurzeln des 8. März in der Tradition proletarischer Frauenkämpfe liegen und die direkte Anregung von nordamerikanischen Sozialistinnen kam, die 1909 zu einem Frauenkampftag auf nationaler Ebene aufriefen.

 

Ein Jahr später beschlossen 100 sozialistische Frauen aus 17 Ländern während der II. Internationalen Frauenkonferenz in Kopenhagen, jedes Jahr einen internationalen Frauentag durchzuführen. Erste Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen mit zahlreicher Beteiligung sowohl in der proletarischen Frauenbewegung organisierter als auch unorganisierter Frauen fanden am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt.
Dieses Datum sollte den revolutionären Charakter des Tages unterstreichen, da der 18. März sowohl der Gedenktag für die Gefallenen während der 1848er Revolution war als auch 1871 der Beginn von Revolten der Pariser Commune. Danach fand der internationale Frauen(kampf)tag jährlich an wechselnden Terminen zwischen Ende Februar und Ende April statt, Frauen aus Frankreich, Holland, Schweden, Russland und der Tschechoslowakei schlossen sich an. Nachdem der Streik von Textilarbeiterinnen in Petersburg anlässlich des Internationalen Frauen(kampf)tags am 8. März 1917 zu weiteren ArbeiterInnenprotesten führte, die schließlich den Beginn der "Februarrevolution" auslösten, wurde der 8. März von der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz 1921 mit Bezug auf dieses Ereignis als fixes Datum festgelegt.

Die zentralen Forderungen waren zunächst:


* Wahl- und Stimmrecht für Frauen
* Mutter- und Kinderschutz
* Achtstundentag
* Gleicher Lohn für gleiche Leistung
* Arbeitsschutzgesetze
* Kampf gegen den imperialistischen Krieg

In den folgenden Jahren wurde der Internationale Frauen(kampf)tag mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten und damit verbundenen Forderungen durchgeführt. Bis zur Einführung des Frauenwahlrechts im November 1918, das zusammen mit bürgerlichen Frauen erstritten wurde, stand dieses Thema im Mittelpunkt der Aktionen. Danach waren die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, der Schwangeren- und Mutterschutz sowie Existenzprobleme von zentraler Bedeutung. Jährlich musste über eine Million Frauen abtreiben, viele von ihnen starben an den Folgen dieser illegalisierten Eingriffe. Neben der Forderung nach legalen Abtreibungsmöglichkeiten wurden Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnkürzungen, Senkung der Lebensmittelpreise und Schulspeisungen eingefordert.

Diese harten wirtschaftlichen Umstände prägten den Internationalen Frauen(kampf)tag bis der Kampf gegen den Faschismus Anfang der 30er Jahre Priorität bekam.

Während des Nationalsozialismus wurde der Internationale Frauentag in Deutschland 1932 nach dem Brand des Reichstagsgebäudes verboten und gemäß der nationalsozialistischen Ideologie durch den heute noch verbreiteten Muttertag ersetzt. In Ravensbrück wurden bis zur Befreiung dieses Frauen-Konzentrationslagers heimliche Frauentagsfeiern im kleinen Kreis einiger Internierter begangen.

Die kommunistischen Länder Osteuropas führten den 8. März bereits 1945 als Feiertag wieder ein. Gemäß der herrschenden Auffassung, dass durch den Sozialismus auch automatisch die Gleichberechtigung von Frauen erreicht werde, fanden dort staatlich organisierte Feierlichkeiten zur Befreiung der Frau statt.
In der DDR z.B. schlossen Frauen sich in den 80er Jahren zusammen, um den 8. März wieder mit feministischen Inhalten zu fällen. Trotz Abtreibungslegalisierung, umfassender Kinderbetreuung aus Interesse des Systems und vielfältigeren Berufsmöglichkeiten, dominierten dort Männer die Entscheidungsstrukturen und galten Reproduktionsarbeiten im privaten Rahmen der Familie ebenso als "Frauensache".

In Westeuropa fanden fast 40 Jahre lang keine größeren Veranstaltungen oder Aktionen am 8. März statt. Die Auffassung von der bürgerlichen Kleinfamilie als Kern der Gesellschaft mitsamt der Idealisierung der Frau als perfekter Hausfrau und Mutter, die Propagierung von "Sozialstaat" und "Sozialpartnerschaft" und der ökonomische Aufschwung, der v.a. in der BRD und Österreich mit dem zweiten Weltkrieg und der Vernichtung der Europäischen JüdInnen während des Nationalsozialismus sowie der Verdrängungsleistung der Bevölkerung zusammenhing, ließen den Internationalen Frauen(kampf)tag zu einem kaum beachteten Festtag werden.

Feministische Positionen erhielten erst Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre durch die autonome Frauenbewegung wieder größere Bedeutung. Die Forderungen der sozialistischen Frauen zu Beginn des Jahrhunderts waren immer noch nicht eingelöst worden, weitere relevante Themen und die Ungleichbehandlung anderer Gesellschaftsgruppen waren hinzugekommen. Neben der Politisierung des Privaten und damit verbundenen Auseinandersetzungen mit dem eigenen körper und Sexualität, fanden Diskriminierungen von Migrantinnen und nicht heterosexuellen Lebensweisen Berücksichtigung.

Warum heute noch?


Durch Veränderungen der vergangenen Jahre sind die ohnehin vielschichtigen Probleme und Kritikpunkte komplexer geworden. Unterschiedliche Lebensrealitäten und gesellschaftliche Hierarchien haben auch innerhalb feministischer Strukturen bewirkt, dass "die Frau" als Subjekt des Feminismus unbrauchbar geworden ist, weil damit fast ausschließlich die Situation weisser, meist heterosexueller Frauen der Mittelschicht, die in den westlichen Industrieländern wohnen, berücksichtigt wurde. Seit Anfang der 90er Jahre wird daher Identitätsbildung auch als Ausschlussmechanismus wahrgenommen, lassen sich Hierarchien nicht mehr nur linear von oben nach unten betrachten. Dies erfordert eine umfassendere Analyse und erschwert Kritik.

Eine grobe Bestandsaufnahme der Verhältnisse bleibt trotzdem simpel. Die Forderungen nach Abtreibung und damit die Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper, die Kritik an Geschlechterrollenstereotypen und der heterosexuellen Kleinfamilie haben bisher wenig bewirkt. Rassismus und frauenspezifische Fluchtursachen beeinträchtigen die Lebenssituation von Migrantinnen massiv, Gewalt in Beziehungen und Vergewaltigungen gehören zur beschissenen Lebensrealität vieler Frauen auf der ganzen Welt, Sexismus, Heterosexismus und Patriarchat existieren weiterhin.

Obwohl der Internationale Frauen(kampf)tag inzwischen zum institutionalisierten Ritual mit Demonstrationen und Festen geworden ist, macht es Sinn, an diesem Tag Kritik an bestehenden Herrschaftsverhältnissen zu thematisieren, um wenigstens einmal im Jahr öffentlich in vielen Ländern der Welt darauf aufmerksam zu machen, sich mit anderen Frauen zu vernetzen und gemeinsam Spaß zu haben.

Die Motivationen vieler Frauen in westlichen Industrieländern, am 8. März auf die Strasse zu gehen, unterscheiden sich häufig voneinander. Kontroversen über unterschiedliche Auffassungen von gesellschaftlichen Ausbeutungsverhältnissen und deren Überwindung ziehen sich von Anfang an durch die Geschichte der Frauenbewegung.
Grundsätzlich geht es dabei immer noch um einerseits die Forderung nach Gleichstellung der Geschlechter und andererseits um den Kampf für eine ausbeutungsfreie Gesellschaft.