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[ 02. Jul 2004 ]

"Queer" durch den Geschlechtergarten

Ein Gespenst geht um im Feminismus: die "Queer Theory" pfeift auf fixe Geschlechts- und Begehrensidentitäten.

 

"We are here. We are queer. So get used to it!" Mit diesem "Schlachtruf" meldeten sich Ende der 80er/Anfang der 90er in den USA ein selbstbewusstes Grüppchen zu Wort, das genug hatte von Identitäten und Zuschreibungen "¡ la "Hetero" vs. "Homo" und "Mann" vs. "Frau". Am Queer-Sein sollte die Welt genesen, und da bekam nicht nur das althergebrachte Konzept von "Mutter-Vater-Kind" sein Fett ab.

Aber zurück zum Anfang. Ziemlich zeitgleich mit der so genannten "Aidskrise", oder besser: mit deren zunehmender medialer Präsenz und Aufmerksamkeit, dem Entdecken des Poststrukturalismus und der zunehmenden Eingliederung der Schwulen- und Lesbenbewegung in den Mainstream gelangte der Begriff Queer* zu neuen Ehren. Die eigentliche Bedeutung des Wortes - "gefälscht, sonderbar, fragwürdig" - wurde wie schon zuvor das Wort "gay", mit einer neuen Konnotation versehen. Unter dem Mantel queer konnten sich nun TheoretikerInnen und AktivistInnen zusammenfinden, die Eines gemeinsam hatten: die Negation eines fixen Identiätskonzepts.

Konterprogramm zum Feminismus?


Damit wurden auch grundsätzlich emanzipatorische Identitätskonstruktionen wie "schwul" oder "lesbisch" in Frage gestellt. Kritikpunkt der Queer-Theory: auch das lesbisch-feministische Modell würde ausgrenzen. Nämlich all jene, die sowohl der Heteronorm als auch lebisch-feministischen Identitäten nicht entsprechen würden, wie Bisexuelle, SM-Frauen oder Butches-Femme. Ebenso wurden Vorwürfe des Rassissmus und Antisemitismus laut. Die Homo-Community würden sich als weisse Subjekte denken und die Zugehörigkeit zum Judentum würde den Zugang zu feministischen Gruppen verunmöglichen.

Davon, dass diese gegenseitige Kritik nicht auf taube Ohren stieß, kann ausgegangen werden. Lesben und Schwule befürchteten eine Relativierung der Erfolge der lesbisch-schwulen Bewegung und warfen den Queer-TheoretikerInnen vor, jegliche Identifikation zu verunmöglichen. Als bezeichnend für diese Missver-/Zustände kann auch eine kleine Geschichte aus dem Partyleben San Franciscos herhalten: die Homo-Community reagierte nach einem "Gspusi" zwischen einer Lesbe und einem schwulen Mann auf einem Queer-Fest mit der Kritik, Queer würde mit seinem Relativismus nur die Heterosexualität fördern.

Mach dich selbst!


Doch gerade in diesem Vorwurf spiegelt sich der Hauptknackpunkt von Queer-Theory und -Aktivismus wieder: Fremdzuschreibungen sollen aufgelöst werden, indem die völlige Selbstdefinition postuliert wird. Mit dem Spiel und der Parodie von herkömmlichen Geschlechterrollen, dem "Genderbending" und "Genderblending" wird versucht, die Zweigeschlechtlichkeit nicht einfach auszudehnen, sondern aufzulösen. Performativität steht im Vordergrund, kreier" dir dein Geschlecht, dein Begehren, deine Nicht-/Identität. Drag-Queens und Drag-Kings sind da die sichtbarsten Versuche in eine queere Richtung.

*Der Begriff "Queer" geht auf die Theoretikerin Teresa de Lauretis zurück: Queer Theory. Lesbian and Gay Sexualities: An Introduction. In: differences 3/2, 1991.

Dieser Text wurde erstmals auf www.diestandard.at veröffentlicht.