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[ 06. Jul 2004 ]

Hungerstreik - Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates

Im folgenden finden sich die Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates (MRB) zum Thema Hungerstreik (in Schubhaft), die zusammengefasst und kommentiert wurden. Die einzelnen Dokumente finden sich auf den Internetseiten des MRB, die Links sind jeweils angegeben.

 

Der Menschenrechtsbeirat hat auf seinen Internetseiten verschiedene Berichte und Analysen veröffentlicht, die letztendlich alle auf eine "bessere Schulung" bzw. maßnahmen zum Vermeiden von "Problemfällen" abzielen.

Eine schematische übersicht zur Evaluierung des Menschenrechtsbeirates (Stand Juni 2002) findet sich als download unter:
http://www.menschenrechtsbeirat.at/download/evaluierung_uebersicht.rtf

Darin finden sich Informationen zu:
I. Bericht Problemabschiebungen
II. Minderjährige in Schubhaft
IV. "Diskriminierender Sprachgebrauch der Sicherheitsexekutive"
V. Beiziehung von Mitgliedern des MRB an polizeilichen großeinsätzen
VI. Kommissions-Dringlichkeitsbericht - Besuch PAZ Wr. Neustadt
VIII. Kommissions-Dringlichkeitsbericht - Schubhäftlinge im Hungerstreik
IX. Anhaltung von Frauen durch Organe der Sicherheitsexekutive


In den Berichten präsentieren die Komissionen des MRB im Innenministerium die Ergebnisse ihrer tätigkeit. Die Komissionen sind regional gegliedert sind und im Internet präsentiert, siehe: http://www.menschenrechtsbeirat.at

Die Komissionen werden in der Regel dann tätig, wenn fälle mediales Interesse hervorrufen oder vom Innenministerium ein Auftrag erteilt wird. Der MRB gibt dann Empfehlungen ab - wie eben unten zu Hungerstreik - und prüft in der Folge, inwieweit die Empfehlungen umgesetzt wurden. Strukturelle Probleme werden dadurch in der Weise gelöst, dass "Problemfälle" in Zukunft vermieden werden, die strukturellen Grundlagen jedoch unproblematisiert bleiben - Rassismen spielen keine Rolle.

In der Zusammenfassung der Ergebnisse der Evaluierung zum III. Quartal 2003 gibt der MRB folgende "Bemerkungen zum Stand der Umsetzung" ab:

"Etwas mehr als Hälfte der Empfehlungen zum Themenkreis "Spezifische medizinische Problemlagen" werden als "nicht umgesetzt" bzw. "überwiegend nicht umgesetzt" erachtet. Ein Teil dieser Empfehlungen wurde bereits im Rahmen der Evaluierung 2002 überprüft, wobei sich der Umsetzungsstand im Vergleich zum Vorjahr nur geringfügig verändert hat.

Bei der Implementierung der Empfehlungen zum Thema Hungerstreik fällt auf, dass eine Vielzahl der Empfehlungen aus dem Grund als (überwiegend) nicht umgesetzt erachtet wird, da kein einheitliches Grundkonzept für den Umgang mit Hungerstreikenden vorliegt. Einzelne PAZ haben diesbezüglich positive Ansätze entwickelt, die auch auf andere Anhaltezentren ausgedehnt werden sollen. Die Unterschiedlichkeit im Umgang mit Hungerstreik manifestiert sich auch in der Registrierung von Hungerstreikfällen. Werden in einzelnen PAZ genaue Statistiken geführt, fehlen andernorts gänzlich diesbezügliche Aufzeichnungen.

In Bezug auf empfohlene Betreuungsmaßnahmen werden vor allem bei der Heranziehung von externen Kapazitäten (z.B.PsychologInnen, DolmetscherInnen, ExpertInnen im Umgang mit Traumatisierten oder Suchtmittelabhängigen) wenig Initiativen zur Umsetzung gesetzt, was auch auf mangelnde Ressourcen zurückzuführen ist. Weiters werden Defizite in Bezug auf die Betreuung seitens der AmtsärztInnen geortet, deren Funktion sich in vielen fällen auf die reine Behandlung akuter gesundheitlicher Probleme beschränkt. Darüber hinaus wird insbesondere bei psychisch auffälligen Personen oder Hungerstreikenden kein Handlungsbedarf gesehen, was nicht dem Rollenverständnis entspricht, das in den Empfehlungen angeregt wird. Es wird wiederum der Eindruck gewonnen, dass eine zentrale Forcierung von Umsetzungsmaßnahmen fehlt, insbesondere wenn es sich um komplexe DurchFührungsbestimmungen handelt.

Positiv hervorzuheben sind die Eigeninitiativen einzelner PAZ sowie die Einführung einheitlicher Standards für die medizinische Betreuung von Hungerstreikenden. Erneut wird auf die Problematik hingewiesen, dass Erlässe, die zur Umsetzung von Empfehlungen ergangen sind, von den BeamtInnen nicht hinreichend gekannt oder angewendet werden.

Wie bereits im letzten Quartal festgestellt wird tendenziell auf Grund der derzeit vorliegenden Recherche eine Stagnation der Umsetzung der Empfehlungen verzeichnet. Ein Defizit wird in diesem Zusammenhang in der fehlenden zentralen und systematischen Aufarbeitung der Arbeitsergebnisse des MRB geortet; der Einrichtung des Beirates und seiner Kommissionen steht kein ausreichend ausgestatteter Apparat innerhalb des Ministeriums gegenüber.

Schließlich sei zu beachten, dass die vorliegende Bewertung des Umsetzungsstandes eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt der Erhebung darstellt. Ein begleitender Follow-up Prozess der erstatteten Empfehlungen ist von essentieller Bedeutung um einen nachhaltigen Prozess struktureller menschenrechtlicher Verbesserungen zu erzielen. Der MRB regt daher an, die im Wege des Evaluierungsprozesses gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen von ArbeitsGesprächen zu diskutieren und für eine Weiterbehandlung des Themas aufzugreifen."


(Quelle: http://www.menschenrechtsbeirat.at/de/index_evaluierung.html )


Im folgenden die Empfehlungen Nr. 86 bis 92 zum "Kommissions-Dringlichkeitsbericht - Schubhäftlinge im Hungerstreik".



Empfehlung Nr. 86.

(1.) Der Beirat empfiehlt, die betreuenden Beamten und Beamtinnen in den Polizeigefangenenhäusern zu informieren, dass "Hungerstreik" von Schubhäftlingen ein psychologisches Problem darstelle, das nicht durch Disziplinarmaßnahmen gelöst werden könne.

Beurteilung des BMI: Gänzlich umgesetzt
Beurteilung des MRB: überwiegend nicht umgesetzt

Begründung/Anmerkungen zu weiteren erforderlichen maßnahmen aus der Sicht des MRB:

Begründung:
Die Evaluierung der Fragebögen zur "Zukunft der Schubhaft" hat teilweise gezeigt, dass (Disziplinierungs-)maßnahmen nicht immer nach Rücksprache mit dem/der AmtsärztIn vorgenommen werden und auch teilweise maßnahmen gesetzt werden, die der AnhO nicht entsprechen.

Anmerkung:
Die Empfehlung zielt darauf ab, die in PAZ tätigen BeamtInnen über Hungerstreik zu informieren und zu sensibilisieren. BeamtInnen sollten darüber informiert werden, dass Hungerstreik viele Gründe haben kann und beispielsweise nicht als Affront gegen die BeamtInnen zu sehen ist.


Empfehlung Nr. 87.

(2.) Der Beirat empfiehlt, dafür Sorge zu tragen, dass die Rechte der Schubhäftlinge im "Hungerstreik" nur in den in der AnhO genannten fällen beschränkt werden. Gänzlich umgesetzt Nicht umgesetzt Begründung:
Die Evaluierung hat ergeben, dass im großteil der PAZ bei Hungerstreik Sanktionen nur in den in der AnhO vorgesehenen fällen (nur wenn medizinisch indiziert) verhängt werden. Dennoch ergab die Evaluierung auch, dass die Einschränkung des Rechtes auf Bewegung im Freien, die Anhaltung in einer Korrekturzelle als Sanktion herangezogen wird bzw. wurde - ohne medizinische Indikation.


Empfehlung Nr. 88.

(3.) Der Beirat empfiehlt, die medizinische Betreuung der Schubhäftlinge im "Hungerstreik" zu überprüfen und zu vereinheitlichen.

Beurteilung des BMI: Gänzlich umgesetzt
Beurteilung des MRB: überwiegend umgesetzt

Begründung/Anmerkungen zu weiteren erforderlichen maßnahmen aus der Sicht des MRB:

Begründung:
Den gemeinsamen Berichten der NGOs mit BeamtInnen im Rahmen der "Zukunft der Schubhaft" ist kein einheitliches Vorgehen zu entnehmen, obgleich die wesentlichen Untersuchungen meist enthalten sind. Im Zuge des Berichtes "Medizinische Betreuung von angehaltenen Personen" entstand im BMI ein "Konsilium", das Standards bei der Untersuchungen von Hungerstreik ausgearbeitet hat. Das Ergebnis fand sich in Form eines Erlasses wieder, weshalb die Empfehlung für überwiegend umgesetzt betrachtet werden kann. Da der Erlass erst seit kurzem herausgegeben wurde, konnte die Praxis noch nicht evaluiert werden.

Anmerkung:
Der Erlass lässt hinkünftig die tatsächliche Vereinheitlichung der medizinischen Betreuung von Schubhäftlingen in Hungerstreik in der Praxis erhoffen.


Empfehlung Nr. 89.

(4.) Der Beirat empfiehlt, dass im Rahmen der Untersuchung von Schubhäftlingen im "Hungerstreik" Gespräche über die vorhandenen Symptome geführt werden und dabei diese Symptome abgeklärt werden.

Beurteilung des BMI: Gänzlich umgesetzt
Beurteilung des MRB: überwiegend nicht umgesetzt

Begründung/Anmerkungen zu weiteren erforderlichen maßnahmen aus der Sicht des MRB:

Begründung:
Der MRB begrüßt die Erstellung des Informations-blattes über die Folgen des Hungerstreikes. Der MRB ist jedoch der Ansicht, dass ein Informationsblatt nicht gänzlich das persönliche Gespräch ersetzen kann und darf.
Hinsichtlich der sprachlichen Problematik wird auf die Evaluierung zu Empfehlung 91 verwiesen.

Anmerkung:
Die Empfehlung stellt auf die Führung von Gesprächen mit dem Amtsarzt zur Abklärung von auftretenden Symptomen ab. Diese Gespräche sollten - entgegen der überwiegenden Praxis - im Beisein von DolmetscherInnen erfolgen.


Empfehlung Nr. 90.

(5.) Der Beirat empfiehlt, die Schubhäftlinge über die gesundheitlichen Folgen eines längeren Hungerstreiks aufzuklären.

Beurteilung des BMI: Gänzlich umgesetzt
Beurteilung des MRB: überwiegend umgesetzt

Begründung/Anmerkungen zu weiteren erforderlichen maßnahmen aus der Sicht des MRB:

Begründung:
Grundsätzlich wird die Erstellung des Informationsblattes begrüßt; laut Kommissionsberichten erfolgt jedoch die Distribution dieser Blätter nicht einheitlich. Der MRB ist der Ansicht, dass ein Informationsblatt nicht gänzlich das persönliche Gespräch ersetzen kann und darf. Dies schon aus dem Grund, da es unterschiedliche Gründe für einen Hungerstreik geben kann, die unter Umständen besser in einem persönlichen Gespräch abgeklärt werden können.

Anmerkung:
Es sollten, wie dies auch bereits in manchen PAZ der Fall ist, persönliche Gespräche unter Heranziehung von SaniTäterInnen, SchubhaftbetreuerInnen, DolmetscherInnen, etc. forciert werden. Hinsichtlich der sprachlichen Problematik wird auf die Evaluierung zu Empfehlung 91 verwiesen.


Empfehlung Nr. 91.

(6.) Der Beirat empfiehlt, dem Amtsarzt für Gespräche mit Schubhäftlingen im "Hungerstreik", insbesondere mit jenen, die sich bereits längere Zeit im Hungerstreik befinden, DolmetscherInnen der jeweiligen Landessprache des Schubhäftlings zur Verfügung zu stellen.

Beurteilung des BMI: Gänzlich umgesetzt
Beurteilung des MRB: überwiegend nicht umgesetzt

Begründung/Anmerkungen zu weiteren erforderlichen maßnahmen aus der Sicht des MRB:

Begründung:
Sämtliche Kommissionen und auch NGOs bemängeln immer wieder die fehlende Beiziehung von DolmetscherInnen zu Untersuchungen von hungerstreikenden Angehaltenen.

Anmerkung:
Die Tatsache alleine, dass AmtsärztInnen die Möglichkeit haben DolmetscherInnen beizuziehen, sagt, wie von den Kommissionen berichtet, nur selten aus, dass diese auch in der Praxis beigezogen werden.


Empfehlung Nr. 92.

(7.) Der Beirat empfiehlt, die Gespräche des Amtsarztes mit den Schubhäftlingen im "Hungerstreik" in geeigneter Weise zu dokumentieren; als Grundlage dafür könnte insbesondere das Formular "Hungerstreik-MELDUNG" des PAZ Linz herangezogen werden.

Beurteilung des BMI: Gänzlich umgesetzt
Beurteilung des MRB: Umgesetzt

Begründung/Anmerkungen zu weiteren erforderlichen maßnahmen aus der Sicht des MRB:

Begründung:
Der MRB begrüßt die Einführung eines einheitlichen Hungerstreikdokumentationsbogens, weshalb die Empfehlung als umgesetzt betrachtet werden kann.

Anmerkung:
Den Aussagen der Kommissionen zufolge werden diese Dokumentationen vereinzelt nicht gründlich durchgeführt. Der MRB erachtet die Dokumentation des Gesundheitszustandes aus Gründen der Nachvollziehbarkeit bei hungerstreikenden Angehaltenen für essentiell.