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Quellenangabe:
»Flüchtlingsgipfel«: Leere Versprechungen & Irreführung der Öffentlichkeit (vom 30.08.2017),
URL: http://no-racism.net/article/5232/, besucht am 26.04.2024

[30. Aug 2017]

»Flüchtlingsgipfel«: Leere Versprechungen & Irreführung der Öffentlichkeit

Wie ein Kontinent dabei ist, seine eigenen Grundwerte aufzugeben.

Am Montag, dem 28. August 2017, trafen sich die Regierungschef_innen von :: Deutschland, :: Frankreich, :: Spanien und :: Italien sowie die EU-Außenbeauftragte in Paris mit Vertreter_innen der afrikanischen Staaten Niger, Tschad und :: Libyen.

Der :: europäische Plan sieht vor, Flüchtlinge möglichst weit weg von europäischen Grenzen abzuwehren und ihr Elend so möglichst unsichtbar zu machen. Und damit das nicht so inhuman klingt, wie es tatsächlich ist, werden ein paar Scheinlösungen präsentiert, ohne konkret zu sagen, wie die überhaupt umgesetzt werden sollen.

Der Verrat an den eigenen Grundwerten wurde dabei in gut klingende Worthülsen verpackt. Begriffe wie »Migrationspartner[_innen]schaften«, »Vorfeldkontrolle« und »Flüchtlingszentren« sollen die Ergebnisse des :: Gipfels verschleiern und die europäische Öffentlichkeit irreführen. Die Stoßrichtung wird aber in einer Aussage des französischen Präsidenten Macron deutlich: »Über Asylfragen wird künftig in Afrika entschieden.«


Ein klarer Abschied also vom individuellen Recht auf Asyl in Europa, eine Abkehr von Menschenrechten und aktionistische Abschottung statt dem Versuch einer wirklichen Bekämpfung der Ursachen von Flucht. Denn die werden vielmehr befeuert, wenn Europa auf dem halben Kontinent Waffen und Geld für die Flüchtlingsabwehr verteilt und dabei auch vor Diktaturen wie dem Tschad - oder anderen »Migrationspartner[_inne]n«, z.B. Sudan, Südsudan und Eritrea - oder Staatsruinen wie Libyen nicht Halt macht.


»Schutzzonen« in Libyen? Absurd.


Mit der Aufrüstung von afrikanischen Staaten und der :: Vorverlagerung von Grenzkontrollen soll der Großteil der Flüchtlinge schon weit vor dem :: Mittelmeer gestoppt werden. Und wer es doch bis nach Libyen oder sogar auf das Meer schafft, wird zurückgebracht und dort festgesetzt.

Betrachtet man die Realität in Libyen, ist ein solcher Plan mehr als absurd. :: 1.700 verschiedene Milizen treiben dort ihr Unwesen, die »Einheitsregierung« kontrolliert nur Teile des Landes und Schutzsuchende sind :: in libyschen Lagern schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt - wie auch :: hochrangige europäische Politiker_innen mehrfach zugaben.

Wie will die Europäische Union unter solchen Bedingungen irgendetwas garantieren? Und unter menschenunwürdigen Bedingungen kann es keine fairen Asylverfahren geben, in denen Menschen ihre individuellen Fluchtgründe offenbaren können.


»Vorauswahl« und Freiwillige Aufnahme?


Auch für die diffuse Asyl-»Vorauswahl« gibt es weder Kriterien, noch feste Zusagen. Die so Handverlesenen sollen angeblich im Rahmen sogenannter Resettlement-Programme - freiwillig - aus dem Ausland aufgenommen werden. Eine Bereitschaft hierfür in einer relevanten Größenordnung ist jedoch nicht in Sicht. Nicht einmal die großen Gipfelteilnehmer_innen haben eine konkrete Zahl genannt und selbst innerhalb Europas ist die Umverteilung von Flüchtlingen bereits :: krachend gescheitert.


Menschenrechte sind kein veraltetes Konzept!


Generell gilt: Das individuelle Asylrecht im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention ist nicht ersetzbar. Nur dieses garantiert Asylsuchenden individuelle Rechte, notfalls auch gegen Staaten, die sich der Verantwortung des internationale Flüchtlingsrechts und der EMRK entziehen wollen. Gerade in Zeiten wie diesen dürfen Menschenrechte nicht als veraltetes Konzept angesehen werden, wer sich selbst als aufgeklärten und fortschrittlichen Teil der Welt begreift und seine Werte an andere weitervermitteln will, muss sie zwingend auch selbst vorleben.

Das Gipfelergebnis zeigt jedoch, dass Deutschland gemeinsam mit der EU gegen die Verpflichtungen von Flüchtlings- und Menschenrechten agiert. Ein Kontinent ist dabei, sich der Verantwortung für den Flüchtlingsschutz zu entziehen - und dabei seine eigenen Grundwerte aufzugeben.

Dieser Artikel von Pro Asyl wurde zuerst am 29. Aug 2017 auf :: proasyl.de veröffentlicht, hier bearbeitet von no-racism.net.