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[ 09. Nov 2004 ]

Privatisierung von Abschiebebetreuung in Büren, Deutschland

Seit dem 1.1.2003 wird die psychosoziale Betreuung der Abschiebehäftlinge in Büren, dem größten Abschiebeknast in Deutschland (nur für Männer, Anm.), durch die private Firma European Homecare EHC (vormals Kote & Mrosek) durchgeführt. Zuvor war dies jahrelang Aufgabe des Deutschen Roten Kreuz (DRK).

 

Die psychosoziale Betreuung war eingerichtet worden, nachdem Häftlinge mehrmals in Büren revoltiert hatten, sind also eindeutig als Befriedungsmaßnahme zu beurteilen. Die Arbeit der hauptamtlichen BetreuerInnen besteht demnach im Wesentlichen aus psychosozialer Beratung, also klassischer Sozialarbeit, zusätzlich werden Freizeitmaßnahmen wie Koch- oder Deutschkurse angeboten. Zur Zeit werden vier Menschen mit je einer halben Stelle beschäftigt, die alle schon für das DRK gearbeitet haben. Inhaltlich lässt sich bislang kaum ein Unterschied feststellen. Nach wie vor ist es den MitarbeiterInnen nicht erlaubt, rechtliche Hinweise oder Beratung zu geben sowie Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Die eigentlichen Sorgen vieler Häftlinge, die Frage: "Wie komme ich schnell wieder hier raus?", die Suche nach Möglichkeiten einer Verhinderung der Abschiebung, bleiben so aussen vor. Es geht "nur" um das subjektive psychische Wohlbefinden der Eingesperrten. Ein Unterschied zwischen DRK und EHC besteht in der VergÃŒtung. EHC hatte den Zuschlag für die Betreuung in Büren deshalb bekommen, weil sie mit 12,90 Euro pro Tag und Insasse deutlich unter dem Angebot des DRK (17,- Euro) blieb. Vermutlich ging die Umstellung dadurch mit einer Lohnkürzung der Beschäftigten einher.

EHC unter größten DienstleisterInnen am Flüchtlingsmarkt


Wenn Du alte Immobilien hast, kein Problem, sie wandeln sie in Asylunterkünften um. Brauchst Du eine Rückkehreinrichtung? Du bekommst sie bei EHC. Lagerst Du abgelaufene Lebensmittel? EHC verpackt auch Fresspakete für Flüchtlinge. Immer wieder kam es in der Vergangenheit in Zusammenhang mit EHC zu Beschwerden und Unregelmäßigkeiten. Flüchtlingsbetreuung ist ein lukrativer Markt, und die "Kunden" können sich kaum gegen die Bedingungen zur Wehr setzen. Die Infos auf der Firmen-Homepage www.eu-homecare.com sind also mit Vorsicht zu genießen... Das Unternehmen hat übrigens auch die Seite www.asyl.de installiert.

EHC ist nach KÃŒtter Security (www.koetter.de) bereits die zweite private Firma im Knast in Büren. Kötter stellt ca. 50% des Wachpersonals. Da sie auch Migranten einstellt, kommt es zu der Situation, dass in Büren Migranten Migranten für 8,00 Euro die Stunde bewachen, während die Gefangenen für 2,00 Euro Stundenlohn arbeiten. (Von den 2,00 Euro wird allerdings noch fast die Hälfte einbehalten, um die "entstandenen Kosten" der Inhaftierung und Abschiebung zu finanzieren.) Auf einer "Security Messe" empfahl sich Kötter Security damit, dass sie bereits die Infrastruktur besäßen, um Knäste komplett in privater Regie zu übernehmen.

Die Firma, die auch im Abschiebekomplex Ingelheim einen Teil des Personals stellt, möchte sich auf diesem Gebiet profilieren und hat dazu einen sog. Sicherheitsbeirat gegründet, der die öffentlich-private Kooperation managen soll. Darin sind so illustre persönlichkeiten wie General a.D. Ulrich K. Wegener, Gründer der Anti-Terroreinheit GSG 9, Hubertus Grützner, ehem. Bundesvorsitzender des Bundesgrenzschutzverbandes und Dr. Peter Frisch, ehem. präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz vertreten. Die setzen sich dann bei der Politik dafür ein, weitere Teile des Knastbusiness zu privatisieren.

Public-Private-Partnership


Dass diese Privatisierungen lukrativ sind, zeigen die USA und die Erfahrungen, die deutsche Firmen dort sammeln. Die C.C.A. (Correction Corporation of America), ist der größte privater Betreiber von Gefängnissen in der USA und steigerte den Wert ihrer Aktien innerhalb von 10 Jahren von 50 Millionen auf 3,5 Milliarden US-Dollar. Nicht nur ausbruch-sicher, sondern auch profit-sicher werden die privaten Knäste betrieben, denn pro Häftling wird von staatlicher Seite ein garantierter Betrag pro Tag bezahlt und so empfehlen Börsen-Fachleute die Aktien der C.C.A., mit dem Spruch, die Firma gleiche "einem Hotel, das immer zu 100 Prozent belegt (...) und bis zum Ende des Jahrhunderts ausgebucht ist".

Im März diesen Jahres wurde in Hünfeld, Deutschland der Grundstein für das bundesweit erste teilweise privat geplante, gebaute und betriebene Gefängnis gelegt. Das gängige und parteiübergreifende Argument für den beschriebenen Prozess des public-private-partnership lautet: Entlastung der öffentlichen Kassen. 40 bis 50 Prozent der Personalausgaben, so rechnen wissenschaftliche VertreterInnen der Sicherheitsbranche vor, ließen sich mit einem Outsourcing einsparen. Der private :: Sicherheitsdienst Arndt ist im :: Abschiebelager fürth, Bayern in die Kritik geraten. Die Arndt-MitarbeiterInnen sind verantwortlich für einen Großteil der alltäglichen Schikanen im Lager, die die betroffenen Flüchtlinge zur widerstandslosen, sog. freiwilligen Ausreise zwingen sollen. Sie besetzen nicht nur die Pforte des Abschiebelagers. Sie öffnen per Druckknopf das Drehkreuz am Eingang des Lagers, weisen BesucherInnen ab, protokollieren minutiös, welcher Flüchtling wann das Lager verlässt oder betritt, geben täglich die Lebensmittelpakete aus, um die Anwesenheit der InsassInnen sicherzustellen, machen überwachungsrundgänge durch das Lager und rufen regelmäßig die Polizei, wenn sich die Flüchtlinge nicht so verhalten wie gewünscht. Die Arndt-MitarbeiterInnen unterstützen dadurch ein repressives System, das die Menschenwürde und die Menschenrechte der InsassInnen des fürther "Ausreisezentrums" verletzt.

Die gesamte Flüchtlingsversorgung soll stück für stück privatisiert werden. Sie soll - so heißt es von offizieller Seite - "professionell und effizient" vonstatten gehen. Nicht nur die Bewachung und Organisation von Lagern, Knästen und Unterkünften, sondern auch die Versorgung, Betreuung und der Transport werden outgesourced. Die vom Gesetz geforderte "Abschreckung" hat allerdings mit ökonomischer Effizienz nichts zu tun. Die Auszahlung von Bargeld käme die Kommunen wesentlich billiger als die Ausgabe von Gutscheinen oder Essenspaketen. Die praktizierte "Effizienz" sichert die Gewinne der Firmen im "FlüchtlingsGeschäft" und wendet sich gegen die Flüchtlinge. In einer aktuellen Studie über die Privatisierung von Gefängnissen und "Immigration Detention Centers (IDC)" in großbritannien zieht die staatliche "Competition Commission Organisation" ein vernichtendes Resümee über den "Erfolg" der bisherigen Privatisierungen. Ein Beispiel: Nur drei Monate nach der Fertigstellung :: brach in einem IDC Feuer aus, die Folgen waren verheerend - weil bei den Sprinkleranlagen gespart wurde (genau wie in Büren!) und die Feuerwehr erst aufs Gelände durfte, nachdem die Polizei es umstellt hatte, damit keiner der 385 Flüchtlinge davonkommen konnte. Viele wurden verletzt und/oder verloren ihre gesamte Habe. Angeklagt wurde nicht der Betreiber des IDC, sondern 13 Flüchtlinge, obwohl Feuerwehrleute die mangelnde Sicherheit des Gebäudes für den Brand verantwortlich machten.

Die Inhaftierung und Gängelung von Flüchtlingen in Europa, die Unterbringung in Lagern und die weitgehende Einschränkung von Lebensraum und grundlegenden Rechten ist an sich schon ein Skandal. Dass mit dem Leid der MigrantInnen auch noch Geld verdient wird, dass private Firmen an der rassistischen Gesetzgebung verdienen, macht die Sache noch schlimmer.

Genau dieser Zusammenhang wurde am 03. Oktober 2004 auf der Demonstration zum 10jährigen Bestehen des Abschiebeknastes in Büren thematisiert. Unter dem Motto: :: "Abschiebeknast und Billiglohnfabrik. Gegen Abschiebemaschinerie und kapitalistische Verwertungslogik!" demonstrierten 500-600 Menschen in Büren gegen dieses System der Unterdrückung und Ausbeutung zum Zwecke des Profits.

Text verfasst von Andreas Beisbart, Büren-Gruppe Paderborn, www.aha-bueren.de