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[ 16. Apr 2005 // letzte änderung: 19. Apr 2005 ]

Lungenriss nach Amtshandlung: 10 Monate bedingte Haft für Polizisten

stop polizeigewalt

Nach einer Verkehrs- kontrolle wurde ein Mann aus Wien im Mai 2003 von Polizisten am Boden fixiert - ähnlich wie bei der Amtshandlung, die zum Tod von Seibane Wague führte. Die beiden Polizisten wurden nun zu jeweils 10 Monaten bedingter Haft verurteilt.

 

Die beiden Polizisten wurden am Mittwoch, 13. April 2005, im Landesgericht Wien wegen schwerer körperverletzung zu jeweils zehn Monaten bedingter Haft verurteilt. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Ob die Sache auch dienstrechtliche Konsequenzen hat, wird die Disziplinarbehörde entscheiden. Ein automatischer Amtsverlust tritt allerdings erst bei über einjährigen, in Rechtskraft erwachsenen Freiheitsstrafen in Kraft. Die Beamten erbaten Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine erklärung ab.

Der Fall weist deutliche Parallelen zur Tötung von Seibane Wague im Wiener Stadtpark auf.

Ein 34-jähriger Mann geriet am 18. Mai 2003 in der Wiener Innenstadt in eine Amtshandlung, nachdem seine Lebensgefährtin mit ihrem Auto gegen die Einbahn gefahren war. Weil er sich aufregte und sich nicht ausweisen wollte, wurde er von den Polizisten zu Boden gerungen, gefesselt und rund 30 Minuten in Bauchlage fixiert, obwohl er und seine Freundin darauf aufmerksam machten, dass er Asthmatiker sei und keine Luft bekomme.

Nach einem Pfefferspray-Einsatz geriet der auf dem Bauch liegende Mann in Panik. Er rang nach Luft und wollte sich befreien, wobei der rechte Lungenflügel riss. 1,4 Liter blutige FlÃŒssigkeit drangen ihm in die rechte BrusthÃŒhle.

Richter Wolfgang Fahrner: "spätestens jetzt hätte man den mit Handschellen gefesselten Mann umdrehen, aufsetzen und auslassen müssen," meinte er: "Wenn jemand an Asthma leidet und er kriegt einen Pfefferspray, ist allein das schon eine kleine Katastrophe."

Die Beamten bekamen davon nichts mit: "Ich hatte nicht den Eindruck, dass er unter Atemnot leidet", sagte einer der Beschuldigten. Der Mann habe ja "aus Leibeskräften geschrien und uns beschimpft". Die Fixierung sei "lediglich eine Bewegungseinschränkung, kein zu Boden drücken" gewesen.

Laut Strafantrag kniete der 34-jährige Beamte auf dem Rücken des Asthmatikers und versetzte diesem einen Fußtritt, während sein 28-jähriger Kollege ihn mit beiden Händen zu Boden drückte. Auch eine Kellnerin aus einem Lokal eilte herbei, um den ihr bekannten Mann mit einem Asthmaspray zu helfen.

Zu der Amtshandlung, die insgesamt fast 45 Minuten dauerte, wurde auch ein Notarzt gerufen. Dieser unternahm gar nichts, soll sich dem verletzt am Boden Liegenden nicht ein Mal genähert haben. "So schlecht kann es ihm nicht gehen, wenn er schreit", soll der Mediziner nach Angaben eines Polizisten gesagt haben. für den Notarzt hat sein Verhalten keine gerichtlichen Folgen, gegen ihn wurde kein Verfahren eingeleitet.

Der 34-Jährige wurde mit eingerissener Lunge ins nächste Wachzimmer gebracht. Dort war zufÀllig ein Amtsarzt anwesend, der ihn begutachtete und den Mann sofort ins Krankenhaus transportieren ließ.

Die Gerichtsmedizinerin Elisabeth Friedrich stellte in ihrem Gutachten klar, dass die Verletzung Ergebnis einer massiven, anhaltenden Bewegungseinschränkung und des Sich-AufbÀumens gegen die Fixierung war.

Rechtsanwalt Klemens Mayer, der die Interessen des Opfers vertritt, verwies auf einen Erlass des Bundesministeriums für Inneres, in dem festgehalten ist, dass eine Fixierung in waagrechter Position "nur kurzzeitig, in jedem Fall unter vier Minuten" anhalten soll, da ansonsten die Gefahr einer potenziellen Atemnot besteht.

Einer der Beschuldigten erklärte, er habe den aus dem Jahr 2000 stammenden Erlass "nicht" gekannt. Der Richter dazu: "für so etwas brauche ich eigentlich keinen Erlass. Da genügt der gesunde Menschenverstand."

Der schwer verletzte Mann musste am Montag, 18. April 2005, vor Gericht: Die Anklagebehörde warf ihm Widerstand gegen die Staatsgewalt vor. Er wurde von diesem Vorwurf freigesprochen.

Quelle: derstandard.at