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[ 05. Nov 2005 // letzte änderung: 22. Nov 2005 ]

Protestschreiben zur Operation Spring - Dokumentation Teil 1

Wir dokumentieren hier einige Protestschreiben an PolitikerInnen (und deren Antworten), die als Reaktion auf den Film "Operation Spring" und eine von einem Leser von no-racism.net inszinierten Protestkampagne entstanden.

 

Einige LeserInnen von no-racism.net haben uns ihre Proteste und Antwortschreiben zugesandt. Hier mal ein Danke dafür! Über weitere Zusendungen und auch die Reaktionen der PolitikerInnen freuen wir uns. Schickt sie uns bitte über das :: Kontaktformular.


Protestbrief von G.G. und die Antwort des Innenministeriums


Protestbrief von G.G. vom 20. Okt 2005


Von: G.G.
Gesendet: Donnerstag, 20. Oktober 2005 09:37
An: karin.gastinger (at) bmj.gv.at; *Infomaster; *Ministerbüro
Betreff: Protestbrief Operation Spring

Werte Damen und Herren,

1999 fand der erste offizielle Lauschangriff in Österreich statt. Alle die den gleichnamigen Film Operation Spring gesehen haben, wissen dass es in ein Desaster ausgeartet ist. 140 immigrantische AfrikanerInnen wurden der Geldwäscherei und vor allem des Drogendealens beschuldigt, und 99,9 Prozent wurden, aufgrund von unreflektierten, dubiosen und teils rassistisch motivierten Urteilssprüchen schuldig gesprochen.
(Anmerkung: Die angegebenen Zahlen wurden von einem Vertreter dem Justizministeriums im Rahmen einer :: Podiumsdiskussion zur Operation Spring am 12.10.2005 genannt). Darüberhinaus stand die Operation Spring zeitlich interessanterweise im Zusammenhang mit der Konstitution einer politischen "african community" in Wien, da kurz zuvor der Asylwerber Marcus Omofuma vom österreichischen Staate zu Tode gerbracht worden war. Institionelle Kriminalisierung oder doch nur reiner Zufall? Ich fordere sie hiermit auf, zu den dubiosen Ermittlungen, und noch dubioseren Verurteilungen rund um die "Operation Spring" Stellung zu nehmen, und gleichzeitig die Prozesse erneut aufzurollen.

mit freundlichen grüssen
g. g.

Antwort des Innenministeriums:


Sehr geehrter Herr Gangl!

Ich bestätige den Erhalt Ihrer Zuschrift vom 20. Oktober 2005 und darf feststellen, dass die von Ihnen kritisierte Aktion der Wiener Polizei keinesfalls mit der Konstitution einer politischen "african community" in Wien in Zusammenhang stand. Allerdings entsprach und entspricht es den Intentionen der österreichischen Bundesregierung, möglichst wirksam gegen Drogenhandel vorzugehen. Die damalige ausufernde Dealerszene mit den "Umschlagplätzen" Westbahnhof, Südbahnhof und Südtiroler Platz, sowie entlang der U6 machte - nicht zuletzt auf Drängen der Bevölkerung - eine weitere Schwerpunktaktion erforderlich.

Die Justizministerin hat am 20. September 2005 eine entsprechende Prüfung angekündigt und für den Fall, dass Menschenrechtsverletzungen passiert sein sollten, sich dafür verbürgt, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden.
Die Aufhebung von Urteilen und die Neudurchführung an sich rechtskräftig erledigter Verhandlungen liegt allerdings in der Kompetenz der unabhängigen Gerichte. Diese wären an Wiederaufnahmeanträge bzw. ein Tätigwerden der Staatsanwaltschaft gebunden.

Mit freundlichen Grüßen
Mag. Bernadette Krennstetter
Bürgerdienst- und Auskunftstelle
des Bundesministeriums für Inneres
Tel.: 01/53126/3100 DW



Protestschreiben von wrz und die vorläufige Anwort des BMI


Protestschreiben von wrz, 3. November 2005


Bundesministerium für Justiz
z.Hd. Justizministerin Karin Gastinger
Museumstraße 7
Palais Trautson
1070 Wien

Bundesministerium für Inneres
z.Hd. Innenministerin Liese Prokop
Herrengasse 7
A-1014 Wien


Betrifft: "Operation Spring"
Wien, 03.11.05


Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

ich schreibe Ihnen aus tiefster persönlicher und innerlicher Bewegtheit aufgrund einiger Informationen, die ich zur Aktion "Operation Spring" aus dem Jahre 1999 nun wahrgenommen habe. Diese Informationen stellen meinen Glauben in die Rechtsstaatlichkeit Österreichs fundamental in Frage und lassen mich sowohl im Bereich der exekutiven Staatsgewalt (Polizei) als auch der Justiz strukturell verankerte und etablierte Diskriminierung und Rassismus erkennen.

Mein aktueller Kenntnisstand dazu stützt sich auf die Verfilmung "Operation Spring" sowie eine von SOS Mitmensch organisierte Podiumsdiskussion vom 12. Oktober 2005 im Juridicum in der Schottenbastei 10-16. Diskussionsteilnehmer/innen waren Phillip Bischof, Rechtsanwalt; Manfred Herrnhofer, Richtervereinigung; Heinz Patzelt, amnesty international Österreich; Angelika Schuster, Regisseurin; Viktor Eggert, Vertreter des Justizministeriums; Moderation: Simon Kravagna, Kurier.

Vielleicht eines noch vorweg: ich bin weder Jurist, Journalist noch Begriffstheoretiker und treffe vielleicht auch mit so manchen Formulierungen nicht alles gleich genau auf den Punkt oder verwende den einen oder anderen Begriff nicht ganz sauber. Dennoch denke ich, dass Sie meine zentralen Anliegen verstehen werden und worum es mir prinzipiell geht. Ich hoffe und erwarte mir, darin als Staatsbürger Österreichs mit entsprechendem Respekt und Wertschätzung wahrgenommen zu werden.

Ich möchte Ihnen deshalb im Folgenden schreiben A) worum es mir geht, B) welche Fakten mich dazu veranlassen den Glauben in ein rechtsstaatliches System in Österreich zu verlieren, C) in welche "Schablone" ich von Ihnen nicht "gepresst" werden möchte und schließlich D) was ich mir folglich von Ihnen als verantwortungsbewußte und verantwortliche Ministerin erwarte.

A) Worum es mir geht / was ich in einem rechtsstaatlichen System für selbstverständlich halte:

  • ein für alle Menschen gerechtes und somit faires Gerichtsverfahren, dass alle Menschen gleich behandelt (und keinen Unterschied aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht, Hautfarbe, Alter, Versertheit oder sonstigen Unterschiedlichkeiten macht) = keine Diskriminierung
  • Respekt vor dem Individuum

  • Schutzmechanismen für "Schwache" (Minderheiten, Arme ohne Top-Anwalt,…)
  • Professionalität von Polizei und Justiz (Strukturiertheit, Ordnung, Nachvollziehbarkeit der Handlungen,…)
  • interne Mechanismen zur Vermeidung, Erkennung und Bekämpfung von strukturellem Rassismus und Diskriminierung

Ganz einfach gesprochen soll doch abseits von formalisierten Regelungen, Vorschriften und Gesetzen Menschlichkeit, Nächstenliebe und Respekt vor dem Individuum eine zentrale Bedeutung in unserer Gesellschaft haben! – was denken Sie?

B) All das sehe ich gefährdet und nicht gegeben, wenn ich mich an die Informationen aus dem Film und der Diskussion erinnere:
  • Unbeeidigte Übersetzer
  • Falsch Übersetzungen (die nicht zur Überprüfung aller Übersetzungen geführt hat)
  • Verwendung des Übersetzers als Stimmzuordnungsexperte (dessen Zuordnungen durch ein Experteninstitut auf diesem Gebiet widerlegt wurden)
  • Ignorierung von praktischen Unmöglichkeiten (ein vermummter Zeuge weiß plötzlich über alle oder zumindest sehr viele anderen Angeklagten genauestens Bescheid (?) bzw. stellt sich heraus, dass die Angaben nicht korrekt sein konnten (gleichzeitige Anwesenheit zum selben Zeitpunkt an zwei verschiedenen Orten (?) – auch das führte nicht zur Hinterfragung der generellen Glaubwürdigkeit der Aussagen)
  • Mangelnde oder fehlende Möglichkeiten zur Einsicht in hauptbelastendes Beweismaterial
  • bis heute kann weder die Justiz noch die Polizei sagen, wie viele Personen verhaftet oder verurteilt wurden bzw. wie viele Drogen tatsächlich sichergestellt wurden (ich meine, welches Leck ist da potenziell geöffnet, wenn das nicht genauestens erfasst werden muss und nachvollziehbar ist???)
  • Allmacht des Richters (ich weiß, ist wahrscheinlich ein generelles Problem, hat nichts direkt mit dem Fall zu tun, ist aber meiner Meinung nach trotzdem einer Überlegung wert)
  • Verurteilung in bisher ALLEN (!!) Fällen
    Unter Druck setzen von Schöffenzeugen/innen durch Richter

Das sind auch nur einige der Punkte, die ich als sehr erschütternd und für das gelebte System als belastend empfinde.

Damit Sie meine Aussagen richtig einschätzen können, möchte ich Ihnen jedenfalls auch noch mitteilen worum es mir in diesem Brief nicht geht:
  • Es geht mir nicht um den Schutz von Drogendealern (obwohl ich denke, dass diese Thematik so was von überhaupt nicht isoliert von gesellschaftspolitischen Fragestellungen und einer Diskussion über die Strukturen betrachtet werden kann, geht es mir nicht darum Drogendealer zu schützen)
  • Es geht mir nicht darum alles schlecht zu reden (ich bin keiner Systemgegner aus Prinzip oder Radikalrevolutionär, sondern gebe lediglich meine Beobachtungen und die darauf aufbauenden Ängste, Befürchtungen und Fragen weiter)


D) Was ich mir nun erwarte:
  • dass Sie die oben genannten Punkte ernst nehmen und sich damit in Ihrer Verantwortung auseinandersetzen und sich dabei selbst nochmals bewusst machen, dass es um die Leben von Menschen geht über die sie entscheiden – und diese Entscheidungen sollten aus moralischer Sicht nicht mit verbleibenden Zweifel getroffen werden (im Zweifel FÜR den/die Angeklate/n!).
  • dass Sie nicht davor zurückschrecken Fehler einzugestehen und die erforderlichen Schlüsse daraus zu ziehen (Übersetzungen in allen Fällen überprüfen zu lassen, ein Einzelfallübergreifendes Controlling einführen um Widersprüchlichkeiten in den Aussagen erkennen zu können etc. bis hin zum notwendigen Aufrollen der davon dann betroffenen Verfahren)
  • dass Sie zu diesen Punkten eine Untersuchungskommission zur Prüfung und Restrukturierung von Polizei und Justiz einsetzen
  • dass (zumindest) ein Diskussionsprozess über die richterliche Allmacht in Gang gesetzt wird und diese letzen Endes ihrer Übermacht enthoben wird


Wie gesagt, vieles von dem, was ich aufgeschrieben habe, lässt sich sicherlich punktgenauer, korrekter, zielgerichteter also besser formulieren – ich habe jedenfalls mein Bestes versucht. Und wenn Sie mich fragen, warum ich das tue… weil ich bisher von einem Bild von meiner Heimat Österreich ausgegangen bin, dass so gar nicht in die Tatsachen der Durchführung und Aufarbeitung rund um die "Operation Spring" passt. Und um meiner Irritation, Verängstigung, Verwunderung und Erbostheit "Luft zu machen" schreibe ich Ihnen diesen Brief – im Vertrauen darauf, dass Sie sich gebührlich mit meinen Anliegen auseinander setzen werden.

Soweit ich vermute, stehen Ihnen auch Ansprechpartner von Amnesty-Österreich oder SOS-Mitmensch zur Erörterung oder Detaillierung der Anliegen und /oder für alle weiteren Fragen dazu zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
wrz


Vorläufige Antwort des Innenministeriums, 16. Nov 2005


MMag. Dr. Esther Scheider
Herrengasse 7
A-1014 Wien
Postfach 108
Tel. +43-1-53126-2038
Fax. +43-1-53126-2554
esther.scheider (at) bmi.gv.at

Wien, am 16. November 2005


Sehr geehrter Herr '!

Ich darf den Erhalt ihres Schreibens vom 3. November 2005 betreffend der Aktion "Operation Spring" im Namen von Frau Bundesminister Liese Prokol bestätigen.

Dazu möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich Ihr Schreiben zur Prüfung an den zuständigen Leiter der Fachabteilung weitergeleitet und diesen gleich beauftragt habe, Sie auf direktem Wege zu informieren.

Mit freundlichen Grüßen
Esther Scheider

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