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[ 10. Nov 2005 ]

Strafprozess wegen Tötung von Seibane Wague, 9. November 2005, Urteilsverkündung

Protokoll vom 9. Verhandlungstag, 9. November 2005
Schlußplädoyers und Urteilsverkündung.
Spezieller Hinweis auf die Demonstration, die am Samstag, 12.11., aufgrund dieses Skandalurteils stattfinden wird: Treffpunkt 15 Uhr, Ballhausplatz / Wien

 

Handelnde Personen:
R: Richter
V1: Verteidigerin des angeklagten Notarztes
V2: Verteidiger von 2 angeklagten Polizisten
V3: Verteidiger von 2 weiteren angeklagten Polizisten
V4: Verteidiger der angeklagten Polizistin und eines Polizisten
V5: Verteidiger von 2 Sanitätern
V6: Verteidiger eines Sanitäters
P1, P2, P3, P4, P5, P6: angeklagte PolizistInnen
S1, S2, S3: angeklagte Sanitäter
Dr. K.: der beschuldigte Notarzt
A: Nadja Lorenz - Anwältin der privatbeteiligten Witwe von Seibane Wague
STA: Staatsanwältin
M: Ehemaliger Leiter des Afrikadorfes im Stadtpark



Landesgericht, Zimmer 203 (da Großer Schwurgerichtssaal wegen eines Drogenprozesses für zwei Wochen besetzt ist). Sehr viel Publikum (Polizei- und Rettungsangehörige), Presse, Photographen und ORF-Leute. Die ersten ZuhörerInnen trafen bereits um 6.45 Uhr ein. Nur ein Bruchteil der ZuhörerInnen darf den Saal betreten, vor allem Presseleute, Angehörige und VertreterInnen von NGOs. Der Richter (R) weist darauf hin, dass laut Sicherheitspolizeigesetz keine Stehplätze erlaubt sind.
Der Richter stellt fest, dass ihm die Kostennoten der Sachverständigen zugesendet wurden, gibt Summen bekannt. Fragt die Staatsanwältin (STA), ob sie damit einverstanden sei. STA hat keinen Einwand gegen die Kostennoten. R ersucht die STA und die VerteidigerInnen um ihre Schlussvorträge.

SCHLUSSVORTRÄGE

STA


Ich bedanke mich für die Ruhe und Ausführlichkeit der Verhandlung. Alle Anwesenden wissen nun, was die AEK ist. Man wollte uns überzeugen, dass der Fall Omofuma nur am Rand bekannt gewesen sei. Das ist nicht richtig. Ich wundere mich, wie sehr in diesem Fall "gemauert" wurde, von oben bis unten. Die Instruktoren wollten uns übereinstimmend glauben machen, dass sie die Ausbildungsunterlagen erst 1999 erhalten hätten.
Für diese Amtshandlung bestand keine besondere Notwendigkeit einer besonderen Schulung. Keine besondere Ausbildung war notwendig. Alle Sicherheitswachebeamten hatten Erfahrungen mit der sogenannten „Tobenden Psychose“.
Mir erscheint es nicht glaubhaft, dass Seibane Wague wirklich ruhig geatmet hat. Die Gutachter wiesen darauf hin, dass, wenn jemand nicht die Zeit zum "Ausschnaufen" hat, es zum Tod kommen muß.
Die Verantwortung kann nicht geteilt werden. Jeder einzelne ist mitverantwortlich.
Der Notarzt hat zweifach falsch gehandelt. Er hätte sich während der Amtshandlung einmischen sollen. Bei der Reanimation hat er sich zu viel Zeit gelassen.
Wague wurde misshandelt. Er wollte niemandem wehtun, er wollte nur weg.
Die Lehre aus diesem Prozeß ist: Egal, woher jemand kommt und um wen es sich handelt (Straftäter, Tobender, Patient, ...): es muß mit ihm menschenwürdig umgegangen werden.
Für mich war Mar. der einzig glaubwürdige Zeuge.
Ich habe zwar Hochachtung vor der Arbeit der Polizei (weil ich täglich die vielen Anzeigen lese), aber die Polizisten werden für diese Arbeit bezahlt.

A. - Vertreterin der Nebenklägerin, Mag.a Nadja Lorenz


Für mich geht es um die anhaltende Fixierung. Dies war die Todesursache. An ihr waren alle beteiligt. Dr. K. hat kaum etwas richtig gemacht.
Bereits in der Wiener Klinischen Wochenschrift (1997) wurde die Positionelle Asphyxie erwähnt. Dr. K. behauptete, erst nach dem Vorfall, davon erfahren zu haben.
Zur Fixierung: Dr. K. sagte nur leise, sie sollten ihn nur an den Armen halten.
Die Vitalfunktionen wurden von Dr. K. viel zu spät überprüft. Dr. K. sagt, die Amtshandlung "gehörte" der Polizei. Dies bedingt nicht, dass der Arzt mit den Händen in den Hosentaschen dabeistehen darf.
Zu den Ausbildnern der Polizei: Jeder normale Mensch musste sehen, dass Seibane Wague in der Atmung beeinträchtigt war.
Der Informationsbrief war tatsächlich an die Wachzimmer ausgeliefert worden. Die Polizisten aber beklagten die mangelhafte Ausbildung. Sie hätten aber die Verpflichtung, sich mit den Unterlagen zu beschäftigen (es gibt einen Dienstbefehl).
· Ausbildungsskandal
· trotzdem individuelle Verantwortung jedes Sicherheitswachebeamten
· Fixierung erfolgte nicht schulungskonform
· jeder SWB hätte die gesamte Situation im Auge behalten müssen
· tödliche Fixierung wurde auch nach Anlegen der Fußfesseln nicht schulungskonform fortgesetzt, dabei ging ca. 1 kostbare Minute für die Reanimation verloren
· Misshandlungen durch P1 und P4 hätten auch für die anderen SWB sichtbar sein müssen

Sanitäter: Die eigene Sicherheit geht vor. Aber sie näherten sich dem Patienten und sind daher verantwortlich. Die Atmung und Hämodynamik wären zu beachten gewesen. Der Sanitäter S3 wusste um die Wirkungszeit des Medikaments Haldol; trotzdem reagierte er nicht, als Seibane Wague so schnell ruhig wurde.
Die Witwe verlangte, dass die Würde des Toten wieder hergestellt werden müsse. Ein Mensch starb bei einer Amtshandlung, seine Würde wurde buchstäblich mit Füßen getreten. Auch ein Kranker (Tobender) besitzt Menschenwürde. Der Bruder Seibane Wagues, Tidjane Wague, fühlt nach wie vor den Schmerz, wenn er bedenkt, wie sein Bruder starb. Bisher gab es kein Wort der Entschuldigung an die Familie von den verantwortlichen Stellen.


Verteidigerin des Notarztes, V1


Es gab ein ausführliches Beweisverfahren. Dr. K. bekennt sich nicht schuldig. Die Verantwortung über die Fixierung und die Festnahme bleibt bei den SWB. Eine Verpflichtung zur Selbstgefährdung des Arztes besteht nicht. Der Notarzt ist Mediziner. Die Kenntnis in Einsatz- und Fixierungstechniken fehlt ihm. Der Arzt muß warten, bis der Patient von der Polizei "geschlossen" ist.
Ich schließe mich der Meinung der STA und A nicht an. Dr. K. wies SWB darauf hin, dass die Fixierung nur an den Oberarmen erfolgen solle (siehe Aussagen des Sanitäters H. bei BIA und UVS).
Der Gutachter Hudabiunigg wies darauf hin, dass die Reanimation zu spät eingesetzt habe. Dr. H. stellte fest, daß es vom Herz-Kreislaufstilstand bis zur Reanimation 3 Minuten gedauert habe. In der Praxis dauere es sonst länger. Die Reanimation hätte bereits früher (nämlich bereits auf der Trage) stattfinden sollen. Eine Reanimation in Rückenlage wäre möglich gewesen, aber möglicherweise nicht suffizient.
Die Sichtverhältnisse in dieser Nacht waren schlecht, das Rettungsfahrzeug war nahe, daher lag es nahe, den Patienten in den geschlossenen Rettungswagen zu bringen.
Hätte Dr. K. gesundheitliche Probleme voraussagen können? Dr. K. bekam einen Zuruf von einem Polizisten, dass er keinen Puls mehr spüre. Bis zu diesem Zeitpunkt sah Dr. K. keine lebensbedrohliche Situation. Die Entscheidung der Disziplinar-Oberkommission der Wiener Rettung hob die Suspendierung des Dr. K. auf. Auch die Reanimation hatte nicht zu spät begonnen. Ich beantrage daher den Freispruch für meinen Mandanten.

V2


Ich möchte mein Bedauern für alle Beteiligten aussprechen. Die SWB wurden zu einem Einsatzort zusammengerufen. Bisher hatten sie nur lose zusammengearbeitet. Die SWB trafen auf eine „Tobende Psychose“. Es wird deeskaliert. Seibane Wague wird in den Krankenwagen gebracht. Er springt wieder heraus. Ab dann beginnt die Fixierung. Die Position des einzelnen SWB ist von Zufallsprinzip abhängig. Es wurde nach dem Wissensstand der SWB eingegriffen. Die SWB und die Sanitäter sind nicht für das Wirken der Spritze verantwortlich.
P1 fixierte, nahm die Kontrolle der Vitalfunktionen wahr und "schonte" den Kopf des Seibane Wague durch Unterlegen der Jacke.
P2 fixierte, variierte die Fixierungsstärke durch Veränderung der Beinposition.
Das Gutachten der Ärzte zeigt keine Erkennbarkeit des Notfalls, in dem sich Seibane Wague befand. Eine gesunde Person hätte eine solche Amtshandlung überlebt.
Der Ausbildungsstand der SWB muß überprüft werden. Zum Informationsbrief fand keine Schulung durch die Wachzimmerkommandanten statt. Es gab keine durchgängige Schulung. Die Wachzimmer sind personell unterbesetzt, besonders in Wien.
Wer ist für den Wissensstand der SWB verantwortlich? Die Ausbildung ist skandalös, einzelne Personen hatten einen höheren Wissensstand. Trotzdem gab es keine durchgängige Schulung.
Die allgemeine Lebenserfahrung wurde von der STA angesprochen.
Die SWB üben grundsätzlich nur an einem Partner. Die Situation war also nicht geschult.
Frage der Verhältnismäßigkeit: Der Beamte, der Gewalt anwendet, muß entsprechend geschult sein.
Der Norm-SWB: Den Beamten war die Gefährlichkeit nicht bewusst, sie führten eine "normale" Amtshandlung durch.
· Sämtliche Praktiker (inklusive Gutachter Pföhs gingen davon aus, je mehr Personen, desto besser für eine rasche Beendigung der Amtshandlung
· Zwei WEGA-Beamte: Fixierung erfolgt mit Hilfe des Knies unterhalb des Schulterblattes
· Fixationsmaßnahmen sind grundsätzlich manchmal notwendig, um jemanden ruhig zu stellen
(daher maßhaltendes Körpergewicht einsetzen); dieses Körpergewicht ist bei Widerstand unangenehm

Die Polizisten wendeten genau diese Techniken an.
Der Fall fand ein unwahrscheinliches Echo in den Medien. Die Polizei wurde in eine Extremsituation gerufen, die nach bestem Wissen und Gewissen gelöst werden musste. In Österreich gibt es derzeit noch eine funktionierende Sicherheitswache. Die Polizei weiß, dass sie bei jeder Amtshandlung mit einem Fuß im Kriminal ist. Die SWB bekommen ein Gehalt und agieren im Auftrag der Öffentlichkeit.
Ich beantrage den Freispruch für meine Mandanten.

V3


Ein Mann und eine Frau rufen in Todesangst die Polizei und Rettung. Diese treffen rasch ein. Anfangs handelt die Polizei, laut Aussage von M., bedächtig. P3 kommt der Fürsorgepflicht nach und legt Handfesseln an. Die Situation eskaliert danach. Einschreitende SWB bringen Seibane Wague gemäß ihrer Ausbildung zu Boden. Mängel bei der Ausbildung wurden zugegeben. Die Fixierung erfolgte in dem Bewusstsein, dass ein Arzt dabei ist, ein ausgebildeter Mediziner. Ich verweise auf die Verschriftlichung des Videos und die darauf sichtbaren Veränderungen, die die SWB im Verlauf der Fixierung vornahmen. Professor Risser führte aus, dass P1, P2, P3 kausal für den Tod von Seibane Wague waren. Risser sprach von gleichbleibender Dauerfixierung. Reanimationsmaßnahmen hätten den Tod verhindert. Verhaltensnormen für diesen Einsatz gibt es nicht.
Der Normpolizist kann nicht wissen, wie lange es dauert, bis eine Spritze wirkt. Seibane Wague hatte ein Herzleiden und massive psychische Problem wegen der geplanten Scheidung.
Ich verweise auf Omofuma. Mir war es nicht bewusst, dass Omofuma durch eine Fixierung starb, ich dachte wegen des Mundverklebens. Der Fall Omofuma hat gezeigt, dass es keine Amtshandlung um jeden Preis gibt. Seibane Wague hätte mit gefesselten Händen auf den Heumarkt laufen und von einem Auto überfahren werden können.
Ich beantrage einen Freispruch.

V4


Ich war bei der UNO und auch bei der Flüchtlingshilfe tätig (Golanhöhen und Zypern). Ich erlebte viele Flüchtlings- und Emigrantenschicksale. Ich kenne diese Polizisten sehr lange. Sie sind Streetworker. Ich hätte Seibane Wague lieber im Afrikadorf kennengelernt. Er tut mir leid. Seine Situation war schwierig. Er stand unter Drogeneinfluß, eventuell unter Alkoholeinfluß. Seine Verzweiflung, den Job zu verlieren, seine unsichere Situation in Österreich nach einer möglichen Scheidung. Er machte einen tätlichen Angriff auf M., hätte lieber mit M. sprechen sollen.

Das Strafverfahren dauerte 9 Tage, im UVS 4 Tage.
Der UVS behandelte nur die 2. Phase, als Seibane wieder aus dem Krankenwagen heraussprang.
Wäre er im Krankenwagen geblieben, könnte er noch leben.
Die Strafverhandlung wurde mit Akribie und Genauigkeit geführt. Das vermisste ich bei Dr. Wolfgang Helm beim UVS. Es kam dort zu einem „Bäckerschupfen“, das besonders für die Polizisten sehr unangenehm war. Hier im Strafverfahren war das völlig anders.
Man muß mit dem Wort Schuld sehr vorsichtig umgehen. Der Jouranlist Thomas Kramar schrieb zum Seilbahnunglück von Sölden in der Presse (damals gab es 9 Tote). Es gibt ein Unglück mit einer Ursache, aber ohne Schuld.
Ich beantrage den Freispruch für meine Mandanten.

V5


Ich spreche für die Sanitäter. Die Sanitätskräfte wurden von der Polizei beigezogen. Der Erlaß 38201/Fassung von 1999 spricht von der Positionellen Asphyxie. Unter den Zeugen gab es einen Systemstreit. Der Erlaß war den Beamten und Instruktoren nicht bekannt.
Delikt: Fahrlässige Tötung: basiert auf dem Vertrauensgrundsatz. Die Polizei kennt die Gesetze, wendet sie auch an. Darauf bauen auch die Sanitäter, dass ihr Beiziehen rechtlich begründet ist.
Aussagen: Dr. Kaff, Maltzer, Seitschek, Feichtelberger.
Die Sanitäter und die Polizisten haben verschiedene Positionen.
Der Gutachter Hudabiunigg meinte, dass das Vorhersagen von gesundheitlichen Problemen bei einem Raptus äußerst schwierig sei. Gemäß der Dienstvorschrift der Wiener Rettung war ein Notarzt anwesend.
Fahrlässigkeit:
· Kausalität (Video): Beiträge der Sanitäter waren nicht für den Tod Wagues verantwortlich (siehe die 4 Todesursachen, die Dr. Risser in seinem Gutachten anführte); er gab an, dass er nicht wisse, ob die Sanitäter eine Handlung gesetzt hätten, die zum Tode führte
· Risikozusammenhang: der Erlaß 38201/99 gilt nicht für die Sanitäter
· Adäquanzzusammenhang: der 'Erfolg' (= Tod) ist nicht vorhersehbar.

Ich beantrage Freispruch.

V6


Ich spreche für den Sanitäter S1. R berücksichtigte die Interessen der Allgemeinheit sehr gut. Es war ein faires Verhalten.
Der Zweifelsgrundsatz ist anzuwenden: Im Zweifel für den Angeklagten (in dubio pro reo). Die Staatsanwältin sagte, dass jeder, der mitwirkte, verantwortlich sei. Jeder, der gegen eine objektiv feststellbare Sorgfaltspflicht verstößt, nicht aber bloße Mitwirkung. Die Fixierung erfolgte am linken Fußknöchel. Man sieht im Video, dass S3 die Position wechselte.
Vertrauensgrundsatz (bei Arbeitsteilung): Man kann davon ausgehen, dass die Schulung rechtmäßig ist. Hätte S3 nicht eingegriffen, säße er nicht auf der Anklagebank. Das Problem: Wie immer ich mich verhalte, ich bin strafbar.
In der konkreten Situation galt der Durchschnittssanitäter als Maßfigur. Bei der Tobenden Psychose waren viele Beamte zur Fixierung nötig, weil sehr große Kräfte entwickelt wurden.
Frage der Vorhersehbarkeit: Der Sachverständige meinte, dass in der konkreten Situation für den Mandanten von V6 die Situation nicht vorhersehbar war.
Keine Kausalität (conditio sine qua non), keine objektive Zurechnung möglich. Ich beantrage einen Freispruch.

Dr. K.: Es ist ein Missgeschick passiert, das nicht vorhersehbar war. Ich möchte der Witwe mein Bedauern ausdrücken.


Die SWB schließen sich den Worten ihrer Verteidiger an, auch die Sanitäter.

Pause: 15 Minuten.

R - Urteile


Dr. K. und P2 sind schuldig und werden zu je 7 Monaten bedingt auf 3 Jahre verurteilt und zur Zahlung der Verafahrenskosten.
P2 ist schuldig, weil er Wague über 3 ½ Minuten auf dem Oberkörper fixiert hat und dabei dessen Tod verursacht hat.
Dr. K. war bereits über das Herz-/Kreislaufproblem informiert. Er hat Seibane Wague nicht lege artis behandelt, weil er ihm keine medizinische Behandlung zukommen ließ. Der Zeitraum bis zur Reanimation war zu lang.

Die Privatbeteiligte Witwe von Seibane Wague verweise ich auf das Zivilrecht.
Sämtliche anderen Beschuldigten werden freigesprochen.

Urteilsbegründung:

Der Vorfall ließ niemanden unberührt. Es wurde ein aufwendiges Strafverfahren geführt. Das Strafverfahren soll einen Beitrag leisten, dass so etwas nicht mehr passiert. Ich verweise auf den Kaprun-Prozeß: ein Unglücksfall muß keine strafrechtliche Verurteilung nach sich ziehen.
Ist jedem Beschuldigten ein strafrechtlicher Vorwurf zu machen? In Österreich gibt es ein modernes Strafrecht: Im Zweifel für den Angeklagten.
Um die kausalen Ursachen zu klären, wurden Gutachter bestellt. Die Reanimation muß rechtzeitig erfolgen.
Bei der Fixierung ist die Kausalität zu prüfen. Ist das Verhalten jedes einzelnen Beschuldigten kausal für den Tod Seibane Wagues?
Die Schläge waren nicht kausal für den Tod. Sie sind verwerflich, aber es ist nicht festzustellen, wer tatsächlich geschlagen hat.
Ausbildungsstand: Der Gutachter Pföhs verwies auf die Ausbildungsmängel in der BPD Wien. Man kann den Beamten daher keinen Vorwurf machen.
P2: war mit 85 kg auf dem Brustkorb eines in Bauchlage Fixierten. In keiner Ausbildungsvorschrift steht, dass das ganze Körpergewicht eingesetzt werden soll (ist sogar kontraproduktiv, weil das zu Instabilität führt).
Das Phänomen des lagebedingten Erstickungstodes: Seibane Wague starb an einem nicht beherrschbaren Herz-/Kreislaufversagen, nicht am lagebedingten Erstickungstod.
Zur Fixierung:
Warum wurde sie nicht früher aufgegeben?
Warum wurde nicht früher reanimiert?

Das Zusammenspiel zwischen Notarzt, Polizei und Sanitätern muß beleuchtet werden.
Die ersten Verhandlungstage im Juli waren geprägt von gegenseitigen Schuldzuweisungen.
P4 wies den Arzt darauf hin, dass die Fixierung gelockert werden solle. Dr. K. meinte, dass man ihn noch liegen lassen solle. Es wurden keine Vorkehrungen für die Reanimation getroffen, obwohl Dr. K. bereits über die Atemprobleme informiert worden war. Die Schuld des Dr. K. ist evident. Eine Schuld der Polizisten ist hier nicht gegeben, weil der Arzte ja anwesend war. Alle waren beschäftigt, aber die Koordination war in der Polizei nicht geschult worden.
Es ist der § 80 anzunehmen (Höchststrafe: 1 Jahr), nicht der § 81. Die Strafen werden bedingt nachgesehen.
Die Privatbeteiligten werden auf den Zivilrechtsweg verwiesen (Amtshaftungsverfahren).
Die Verhandlung ist geschlossen.