Vier Monate nach dem Fall Bakary J. wurde neuerlich jemand bei bzw. nach seiner abgebrochenen Abschiebung von Polizisten der WEGA misshandelt.
Paul O. wurde am 31. Juli von Linz bis zum Rhein-Main-Airport in Frankfurt, konkret zur Eingangsluke des Jets, der ihn nach Nigeria abschieben sollte. Was danach passierte, darüber gehen die Aussagen deutlich auseinander: Gewaltsamer Widerstand behaupten die WEGA Beamten, Paul O. gibt an, im Anschluss daran misshandelt worden zu sein, wie auch eine Besucherin in der Schubhaft noch Tage danach bestätigt, sind zahlreiche Spuren davon zu sehen. Paul O. hatte sich geweigert, den Flieger zu betreten, er wurde von Beamten hinein geschoben und hat dabei an einem Finger eine blutende Wunde erlitten, von mehr wollen die Beamten nichts wissen.
Ganz anders liest sich die Beschreibung einer Bekannten von ihm, die ihn am Sonntag in der Wiener Schubhaft besucht hat: "Er hat an der rechten Wange einige neue Narben, die in der Zwischenzeit zwar noch sichtbar, aber recht gut verheilt sind. Er sagt, in den ersten 4 Tagen war die rechte Gesichtshälfte stark angeschwollen. Am Knie mußte er genäht werden, er trägt einen Verband und die Nähte sollten gestern oder heute entfernt werden. Er hinkt stark und sagt, dass er am ganzen Körper noch Schmerzen von den Mißhandlungen hat. Ein paar Abschürfungen konnte ich auch noch sehen, allerdings war er am Sonntag natürlich normal gekleidet und ich konnte daher ansonsten nichts mehr erkennen. Er hat jedenfalls eine Socke bei sich, die er mir gezeigt hat und die blutdurchtränkt war, auch an seinem Schuh konnte ich noch Blut sehen. Seine Kleidung wurde ihm inzwischen natürlich abgenommen und vermutlich so schnell wie noch nie zuvor zur Reinigung gegeben."
Nach Darstellung der Beamten soll er sich heftigst gewehrt und einen deutschen Polizisten verletzt haben, ehe er in einem Polizeibus zur österreichischen Grenze transportiert wurde. Nach Darstellung von Paul O. wurde er sowohl auf dieser Fahrt als auch in Haft in Oberösterreich misshandelt, ehe er zurück nach Wien gebracht worden ist. Sein Rechtsanwalt Nikolaus Rast hat das Büro für interne Angelegenheiten (BIA) informiert. Für die Wiener Polizei, deren Spezialeinheit Wega für "Problemabschiebungen" zuständig ist, bestätigte der stellvertretende Landespolizeikommandant Karl Mahrer nur, dass die Abschiebung abgebrochen worden ist. Zu den Vorwürfen verweist er auf das BIA im Innenministerium. Dort wiederum ist man noch am Ermitteln, wie Vize-Chef Patrik Kutschi erklärt. Einige beteiligte Beamte seien noch auf Urlaub, andere berufen sich auf das schriftliche Protokoll des Vorganges. Eile ist nötig, denn nach Informationen von Rechtsanwalt Rast könnte O. noch Ende der Woche per Sonderflug abgeschoben werden.
Philipp Sonderegger von der Menschenrechtsorganisation SOS-Mitmensch sieht Gefahr im Verzug, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten. "Das würde bedeuten, dass sich eine Behörde in der Behörde völlig selbstständig gemacht hat", kritisiert er. Erhärtet sich "ein zweiter Fall Bakary J.", müsse die Abteilung aufgelöst werden, fordert Sonderegger.
Quelle: Der Standard - Printausgabe, 9. August 2006, redaktionell bearbeitet und ergänzt um den Bericht der Besucherin in Schubhaft