Am 5. Sep 2006 wurde Serif Akbulut mit einem gecharterten Kleinflugzeug aus Deutschland in die Türkei abgeschoben. Er konnte zuvor dreimal erfolgreich eine Abschiebung mit Linienflugzeugen verhindern, wobei es zu Misshandlungen durch die abzuschiebenden Beamten kam, die versuchten seinen Widerstand zu brechen. Nun wird die Rückkehr von Serif gefordert!
Serif Akbulut aus dem Main-Kinzig-Kreis (Hessen) ist heute mit einem eigens dafür gecharterten Kleinflugzeug in die Türkei abgeschoben worden. Zielfughafen soll der weit außerhalb von Istanbul gelegenen Flughafen "Sabiha Gökcen" gewesen sein. Die Chartermaschine die vom Frankfurter Flughafen startete, gehört zum FSH Luftfahrtunternehmen GmbH in Schkeuditz, Standort des Flughafens Leipzig/Halle (siehe :: Abschiebeflieger enttarnt).
Außer ihm selbst flogen lediglich das Flugpersonal und einige Beamte der Bundespolizei mit. In den letzten Wochen waren drei Abschiebungsversuche gescheitert, da sich die Piloten geweigert hatten, ihn mitzunehmen. Gleichzeitig setzten sich sehr viele Leute aus den unterschiedlichsten Kreisen für ihn ein - trotzdem (vorerst) vergeblich.
Die kurdische Familie Akbulut war 1998 vor politischer Verfolgung aus der Türkei geflohen. Der 20-Jährige Serif lebte seit seinem 12. Lebensjahr in Deutschland und musste sich, seit er 15 ist, um sämtliche Belange der Familie kümmern - er hat das nahezu Unmögliche geschafft: trotz aller widrigen Bedingungen hat er sich integriert, spricht perfekt die deutsche Sprache, hat einen guten Schulabschluss und ist bei den lokalen Fußballvereinen als Spieler begehrt. Das alles interessierte das Regierungspräsidium Darmstadt und das hessische Innenministerium nicht, sie setzten alles daran, ihn abzuschieben, was ihnen auch im vierten Anlauf gelang.
Der hessische Innenminister Volker Bouffier muss sich angesichts des immensen Aufwands, der betrieben wurde, um einen hier seit acht Jahren lebenden, gut integrierten jungen Mann abzuschieben, fragen lassen, was seine Absichtsbekundungen für eine Bleiberechtsregelung noch wert sind. Der Innenminister hatte sich in der Vergangenheit mehrfach dafür ausgesprochen, geduldeten Flüchtlingen, die seit sechs Jahren in Deutschland leben, integriert sind und keine Straftaten begangen haben, ein Bleiberecht einzuräumen - Kriterien, die Serif Akbulut allesamt erfüllte.
"Im Fall Akbulut offenbart sich ein erschreckender unbedingter Abschiebungswille der Behörden. Es drängt sich Eindruck auf, dass kurz vor einer Einigung über eine Bleiberechtsregelung noch einmal versucht wird, mit allen Mitteln potentiell Bleibeberechtigte loszuwerden" kommentierte Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates, die Abschiebung.
Flüchtlingsorganisationen und lokale Bleiberechtsbündnisse fordern schon seit langem vom Innenminister, bis zur InnenministerInnenkonferenz im November 2006 (Anm: gemeint ist die Konferenz der InnenministerInnen der Länder der BRD) einen hessenweiten Abschiebungsstopp für langjährig geduldete Flüchtlinge zu erlassen, wie es einige andere Bundesländer bereits getan haben. Auch verschiedene Stadt- und Kreisparlamente, darunter der Kreistag des Main-Kinzig-Kreises, in dem Serif Akbulut bis zu seiner Inhaftierung wohnte, haben in den vergangenen Wochen Resolutionen für einen solchen Abschiebungsstopp verabschiedet.
"Eine Bleiberechtsregelung, die diesen Namen auch verdient, muss erstens von den Menschen überhaupt in Anspruch genommen werden können und zweitens auch Kriterien beinhalten, die auch von ihnen erfüllt werden können" umriss Scherenberg die Anforderungen an eine Bleiberechtsregelung. Das bedeutet, dass sie bis zu der InnenministerInnenkonferenz vor Abschiebungen sicher sein müssen und außerdem eine mögliche Regelung keine wirklichkeitsfremden Ausschlusskriterien beinhalten darf. Hier ist vor allem der Sozialleistungsbezug zu nennen, da die übergroße Mehrheit der Geduldeten nicht arbeiten kann oder darf.
Zusätzlich zu einer wirksamen Bleiberechtsregelung muss denjenigen, die - wie Serif Akbulut - schon abgeschoben wurden, ein Rückkehrrecht eingeräumt werden. Für die UnterstützerInnen ist der Fall mit der jetzt erfolgten Abschiebung daher auch noch nicht zu Ende: Wir fordern, dass Serif wieder nach Deutschland kommen darf, um dort zu leben, wo er hingehört - bei seiner Familie im Main-Kinzig-Kreis!
Unterstützt die Forderung nach Rückkehr
Weitere Informationen und Hinweise, wie mitgeholfen werden kann, die Rückkehr von Serif in die BRD zu erreichen, finden sich auf der Homepage der UnterstüzterInnen unter :: freiheit-fuer-serif.tk. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass Serif keinen Einzelfall darstellt. Es gibt zahlreiche Menschen, denen ähnliches widerfahren ist, doch meist geschieht dies im Verborgenen und ohne Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Deshalb ist auf der genannten Homepage auch zu lesen:
Nach wie vor halten wir es für wichtig, dass durch eine breite Öffentlichkeit Druck auf die zuständigen Behörden ausgeübt wird - für Serif Akbulut und seine Eltern wie auch für einen Abschiebestopp für alle Betroffenen. Die Behörden und entscheidenden Personen müssen durch Protestfaxe, -emails und -anrufe spüren, dass die Bevölkerung es nicht duldet, wenn Schreibtischtäter Menschen aus unserem Leben herausreißen.
Dieser Text erschien am 05. Sep 2006 :: auf de.indymedia.org und wurde hier leicht bearbeitet übernommen.