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[ 16. Jan 2003 ]

Wut und Verzweiflung: MigrantInnen in Australien fackelten 5 Lager ab

Aus Protest gegen den unmenschlichen Lageralltag und die Politik der Regierung zündeten MigrantInnen in Australien Anfang Jänner 2003 fünf Internierungslager an. Die Polizei und Politik reagierten mit Repression und Folter.

 

Die Proteste und Riots brachen am 29. Dezember 2002 im MigrantInnenlager Baxter in süd-Australien aus. Danach verbreiteten sie sich nach Woomera, Villawood, Port Hedland und Christmas Island. MigrantInnen, die in den Lagern eingesperrt sind, setzten mehrere Gebäude in den fünf Lagern in Brand, um gegen die unmenschlichen Bedingungen, unter denen sie festgehalten wurden und gegen die Einwanderungspolitik Australiens zu protestieren. AnwÀlte der MigrantInnen bezeichneten den Protest als "Wut und Verzweiflung". Derartige Vorfälle seien angesichts der Lebensbedingungen und der zum Teil jahrelangen Verweildauer in den Lagern unvermeidlich, erklärten Sprecher von Gefangenenhilfsorganisationen. Unabhängige Medien melden, dass die Feuer ein direktes Resultat der unmenschlichen Politik der Australischen Regierung waren.

Es wird in den Lagern gefoltert und der Zugang zu Informationen oder
Unterstützung verweigert. MenschenrechtsaktivistInnen werden in Australien von Mitgliedern der australischen Regierung öffentlich bedroht und die Presse wird davon abgehalten, die Lager zu betreten, um über die Zustände darin zu berichten und Interviews mit den Gefangenen zu führen.


Repression und Folter als Reaktion auf die Proteste



Den Schaden durch die BrÀnde beziffert die australische Regierung auf mehr als 4 Millionen US-Dollar. Fünfzehn MigrantInnen des Lagers Villawood wurden in ein Hochsicherheitsgefängnis gesteckt, weil sie beschuldigt wurden, an der Revolte im Lager beteiligt gewesen zu sein. Sieben MigrantInnen des Lagers in Woomera wurden vor Gericht geladen und beschuldigt an dem dortigen Riot beteiligt gewesen zu sein, während dem 43 Gebäude im Lager brannten. Unabhängige Medien in Australien melden, dass am Sylvesterabend alle Gefangenen des Abschiebegefängnisses Woomera mit Tränengas misshandelt wurden.


Informationen über das Internierungslager Baxter



Baxter - das ist jenes Internierungslager in Australien, in das viele Leute aus dem bekannten Internierungslager Woomera, aber auch aus anderen Lagern überstellt wurden. Es wurde noch weiter abseits errichtet und die Berichte von dort lassen auf eine zunehmende Verschärfung gegenüber den bisher aus den Lagern bekannten verhältnissen schließen.

Nach den Protesten gegen das Internierungslager in Woomera zu Ostern 2002 gibt es nun einen Aufruf für ein Zusammentreffen und Protesten beim Lager Baxter. Refugee Rights AktivistInnen aus Australien laden dazu vom 18.-21. April 2003 ein.

Seit Beginn gibt es innerhalb des Lagers Widerstand gegen die Abschiebepraxis - wie auch in anderen Lagern (siehe oben) - die Leute, die zum Teil mehrere Jahre in den geschlossenen Lagern zwangsinterniert sind, kämpfen für ihre Freiheit und Rechte wie auf Aufenthalt in Australien.

Baxter2003 ist eine Fortsetzung der Proteste in Woomera im September 2001, zwei Touren des Freedom-Bus durch Australien im Jahr 2002 und der massiven Aktionen in Woomera zu Ostern 2002. Durch Aktionen wie diese, aber vor allem auch den anhaltenden Widerständen innerhalb der Lager wurde die Öffentlichkeit auf die Situation aufmerksam.

So veröffentlichte Human Rights Watch (HRW) vor kurzem einen sehr aufschlussreichen Bericht über die Australische Flüchtlingspolitik mit dem Titel "By Invitation Only" (http://hrw.org/reports/2002/australia).

Eine Reaktion der Regierung in Australien auf die anhaltende Kritik und die Proteste ist die Schließung Woomeras Anfang 2003.

Mit den Proteste zu Ostern 2003 in Baxter wollen die AktivistInnen ihre solidarität mit den Internierten zeigen und gegen die rassistischen australischen Einwanderungsgesetze protestieren.

"Baxter2003 will be part protest, part liberation camp, and a powerful convergence of those who seek to put an end to Australia"s racist border control policies."


Ausschnitte eines Interviews mit einem Flüchtling, gefangen in einem der Lager in Australien



(sinngemäße übersetzung)

Interviewer (I): Kannst du mir bitte erzählen, was letzte Nacht, Sylvesternacht, passiert ist?

Gefangener (G): Ok. Letzte Nacht kamen ungefähr 12-16 Polizisten hier her. Sie waren sehr betrunken und lachten über uns. Sie lachten und kamen in jeden Raum und sie hatten stücke dabei.

I: Sie hatten stücke?

G: Sie schlugen gegen jede Tür, wie Betrunkene und alle wachten auf und sagten ihnen: Bitte, wir sind hier seit 4 Jahren, 5 Jahren, und unser Haar wird grau und wir werden verRückt. Warum sTürt ihr uns so? Was wollt ihr? Und sie lachten und sagten: Wir können tun, was wir wollen.

I: Das war, was sie gesagt haben? "Wir können tun was wir wollen?"

G: Ja, das kann ich auch vor ihnen bestätigen.

(...)

I: Woher weisst du, dass sie betrunken waren?

G: Wegen des Geruchs. Ich kann riechen. Und sie lachten und als ich zu ihnen ging und fragte: Warum sTürt ihr uns? Als der Polizist sprach, habe ich gerochen, dass er sehr betrunken war.

(...)

G: Das Verhalten der Polizei ist nicht nett. Letzte Nacht, als wir schliefen, kickten sie gegen die Tür und weckten alle auf.

I: Erinnerst du dich an die Zeit?

G: Halb vier

I: Halb vier in der Nacht?

G: Ja. Und weisst du, jede Stunde ab Mitternacht kamen sie, sTürmten in das Gebäude und liefen mit ihren Schlagstöcken herum und schlugen damit auf Türen und Wände.

(...)

G: Er machte total blöde Dinge mit seinem Stock. Er klopfte an die Tür und schrie, sehr laut und mein Herz ging bum-bum-bum-bum-bum, weisst du. Ich wachte schnell auf. Mein Blutdruck wurde hoch und ich begann mich zu fürchten und ich - ich will hier raus, alle haben Streit mit den Wächtern

(...)

G: Aber weisst du, letzte Nacht, als die Polizei hier war, sagten alle zu ihnen: Wir zünden dieses Feuer, weil wir möde sind. Seit vier Jahren sind wir hier. Alle sagten zu ihnen: Wenn ihr uns einsperren wollt, dann tut das, aber ärgert uns nicht so.

I: Was sagten die Polizisten?

G: Sie sagten: Das ist unser Job.

(...)

I: Mit den Feuern - als das mit den Feuern geschah, war die australische Regierung sehr glÃŒcklich, dass das passierte - weisst du warum? Weil die australische Bevölkerung denken wird, dass Flüchtlinge Kriminelle sind, deshalb ist es für die Regierung gut, dieses Feuer.

G: Niemand hier ist kriminell. Niemand hier, das Einzige ist, dass sie Flüchtlinge sind und alle sind in ihren räumen, zu viel Polizei hier.

I: Die Polizei ist immer noch da?

G: Ja.


ANMERKUNG DES AUTORS: keine Missverständnisse
Das Interview hat nichts mit dem Tränengasangriff zu tun, sondern beschreibt "mehr oder weniger" normale Behandlung durch die Polizei in den Lagern, die sich naTürlich aufgrund der Feuer noch zugespitzt hat. Der Tränengasangriff (ebenso gibt es Berichte nach denen Flüchtlinge auf einem Basketballplatz in brennender Sonne zusammengepfercht wurden, sich komplett entkleiden mussten und mehr...) war direkte Reaktion auf die Feuer.


für Proteste gegen die rassistische australische Einwanderungspolitik:



Vertretung der Australischen Regierung in Österreich:

Botschaftskanzlei
Mattiellistrasse 2/III
A-1040 Wien
Tel: (+43-1)506 74 0
Telefax: (+43-1)504 11 78
E-Mail: austemb (at) aon.at
www.australian-embassy.at

Dieser Texte wurde am 5. Jänner 2003 auf http://at.indymedia.org veröffentlicht und für no-racism.net etwas überarbeitet.