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[ 03. Jan 2007 ]

Zwischen Pietät und Heuchelei

Reaktionen auf den Prokop-Nachruf von Michael Genner.

 

Zum :: Prokop-Nachruf von Michael Genner kann man unterschiedliche Meinungen vertreten und auch in antirassistischen Kreisen wird sein "Nachruf" kontroversiell diskutiert (siehe u.a. :: Tragischer Tod Prokops - aber bitte keine Glorifizierungen!). Die Stellungnahmen einiger PolitikerInnen und JournalistInnen sind allerdings um einiges unerträglicher als der Nachruf Genners, den sie kritisieren.

"Der Standard" und die "Pietät"


Als "beschämend geschmacklos oder sogar menschenverachtend" bezeichnet Standard-Kommentator Michael Völker den Nachruf in der Printausgabe vom 3. Januar 2006. Völker urteilt, die Kritik sei eine "wie es Vereinen, die als Menschenrechtsorganisationen auftreten, nicht zusteht".

Das perfide dabei: Er nennt weder Genner noch "Asyl in Not" namentlich, sondern Spricht nur von "einer Asylorganisation". Und auch anderenorts weigert sich die Redaktion von "Der Standard" die kritisierte Stellungnahme im Volltext seinen LeserInnen zugänglich zu machen und dokumentiert stattdessen nur die besonders reißerischen Abschnitte in Genners Statement. Die Fallbeispiele, welche die Grundlage für den nicht gerade wohlwollenden Nachruf bilden lässt die Redaktion absichtlich außen vor.

Derzeit scheint Kritik an Prokop in der vermeintlich links-liberalen Zeitung unerwünscht zu sein. Die "Meinungsfreiheit", die im Standard-Forum sonst auch für offen rassistische PosterInnen und Menschen, die den Holocaust-Leugner David Irving verteidigen gültig ist, wird nach dem Tod der Innenministerin kurzerhand aufgehoben: "Aufgrund der vielen pietätlosen Kommentare" heißt es auf der Standard-Homepage, "sah sich die Redaktion gezwungen, das Forum zu schließen".

Lopatka, Darabos, Grosz


Interessant ist auch, welche Figuren aus Österreichs Polit-Szene nun meinen zum Statement Michael Genners Stellung beziehen zu müssen. So geben sich derzeit SPÖ, ÖVP und BZÖ ein mediales Stelldichein.

Ausgerechnet BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz meint in der Tageszeitung "Die Presse", Genner habe mit diesen Aussagen bewiesen, "dass er keinen Funken von Anstand und Charakter besitzt". Diese "pietät- und herzlosen Äußerungen" seien "nicht nur unangebracht, sondern angesichts des Gedenkens an einen verstorbenen Menschen auf das Schärfste zurückzuweisen".

Während ÖVP-Generalsekretär Lopatka von "pietätlosen Hasstiraden" spricht und meint, dass Genners "menschenverachtender Verstoß" nicht zu akzeptieren ist, geht Norbert Darabos, der innerhalb der SPÖ einer der vehementesten Befürworter von Prokops Asylgestz war, noch einen Schritt weiter. Genners Aussagen seien "unwürdig, pietätlos und würden auch inhaltlich einer ernsthaften Diskussion nicht stand halten". Er fordert Genner auf, seine Äußerungen zurückzunehmen, "im Sinne seiner eigenen Organisation und im Sinne der Möglichkeit, auch künftig einen ordentlichen Dialog aufrecht erhalten zu können". Was er verschweigt ist, dass dieser "ordentliche Dialog" bereits vor der Nationalratswahl 2006 von seinen Wiener GenossInnen aufgekündigt wurde. Damals strich die Gemeinde Wien "Asyl in Not" die ohnehin geringen Förderungen (siehe :: Gemeinde Wien streicht Förderung von Asyl in Not).

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