Komentar von Roland Hermann
Die Nachricht vom Tode eines Menschen kann grundsätzlich nie eine Gute sein; speziell nicht, wenn er unter derart tragischen Umständen eingetreten ist.
Allein der Tod eines Menschen bietet aber per se auch noch keinen Anlaß zu Glorifizierungen, wie sie ob der Verstorbenen derzeit quer durch alle politischen und nichtpolitischen Lager zu vernehmen sind.
Sie habe dem Amt ein menschliches Antlitz verliehen (Kardinal Schönborn).
Sie sei eine Person des Ausgleichs gewesen (Bundespräsident Fischer). Sie habe menschliche Politik gemacht (VP-Klubobmann Molterer), sich stets um die Aufrechterhaltung von Gesprächsbereitschaft bemüht (Grün-Obmann Van der Bellen). Sie sei ein anständiger Mensch gewesen (Grün-Abgeordneter Pilz).
So wenig zwar davon zu halten ist, Menschen noch nachzutreten, die ohnehin schon vor einem anderen Richter stehen, umso mehr sei es aber bei aller Pietät dennoch erlaubt, den in mehr oder weniger plötzlicher Sympathie für die Amtstätigkeit der Verstorbenen geeinten Nachrufern doch noch das eine oder andere entgegen zu halten :
1. Auf die Frage von Armin Wolf in einer ZIB 2, ob gegenüber dem Folteropfer Bakary J. nicht eine Entschuldigung angebracht wäre, fiel Frau Ministerin Prokop bloß ein: "Man darf nicht vergessen, daß es sich um einen verurteilten Drogendealer handelt."
(Welcher Stein ihr mit einer Entschuldigung aus der Krone gefallen wäre, ist unerfindlich. Auch verurteilte Drogendealer haben Anspruch darauf, nicht gefoltert zu werden, und eine Entschuldigung wäre da wohl noch das Wenigste gewesen, das zur Wiedergutmachung hätte getan werden können.)
2. "Ehe ohne Grenzen" - Frau Ministerin Prokop war bis zuletzt NICHT zu einem Gespräch mit den betroffenen inländischen Ehepartnern bereit. Den vollmundigen Versicherungen ihrer stattdessen zur Kopfwäsche durch die empörten Angehörigen vorgeschickten Ministerialbeamten zum Trotz sind dem Vernehmen nach bis dato gerade einmal zwei (!!!) von rund 100 bereits vor Monaten eingereichten Fällen gnadenhalber positiv erledigt worden. Daß in sogenannten "Altfällen" im Erlaßwege die Hürden bezüglich einer Inlandsantragstellung beseitigt worden wären, ist ein inzwischen bereits durch mehrere negative Höchstgerichtserkenntnisse widerlegtes Gerücht geblieben.
3. Das zwar in Grundzügen noch aus der "Ära" Strasser stammende, aber unter der Federführung der Ministerinnen Prokop und Gastinger endredigierte und dem Nationalrat zur Beschlußfassung vorgelegte Fremdenrechtspaket 2005 hat unzählige Verschärfungen und Fallen für Asylsuchende mit sich gebracht, womit der Slogan "Schneller Schutz für jene, die ihn brauchen, aber Stop dem Mißbrauch" verläßlich verfehlt wurde. Asylverfahren dauern nun allein schon deshalb noch länger, weil sie um einiges komplizierter geworden sind, und die neu eingebauten Formalhürden sind eine Fundgrube, wenn es weniger um ein rasches sachgerechtes Ergebnis geht als vielmehr um bloßen Zeitgewinn,
wohingegen gerade Traumatisierte, Folterüberlebende und andere "klassische" politische Flüchtlinge ohne das bis hin zur Selbstaufgabe reichende Eintreten der Ute Bocks und Michael Genners regelmäßig durch durch den Rost fallen würden.
(Alleine schon die Idee, Schubhäftlinge nötigenfalls zwangszuernähren,
stellt einen menschenrechtlichen Tabubruch dar, der auf derselben Stufe steht wie etwa der -bislang noch ausgebliebene- Vorschlag, für Falschparker das Standrecht einzuführen.)
Die Unterwerfung unter politische "Sach"zwänge ist keine Rechtfertigung, sondern in Wahrheit nichts als eine Ausrede.
4. Frau Ministerin Prokop hat Saddam Hussein nur um einen Tag überlebt.
Nicht daß hier Vergleiche angebracht wären. Aber zwischen politischer
Verfolgung und der Schutzverweigerung gegenüber politisch Verfolgten besteht ein lediglich gradueller, in der Begehungsform (unmittelbare Täterschaft / Beitragstäterschaft) gelegener Unterschied.
(Fallbeispiele enthält unter anderem der von www.asyl-in-not.org
veröffentlichte Nachruf.)
5. Nicht zuletzt dürfen dank der von Frau Ministerin Prokop getätigten
Aussagen zur von ihr vorgelegten "Moslem-Integrationsstudie" unsere rund 400.000 muslimischen Mitbürgerinnen inzwischen auszählen, wer von ihnen nun zu den angeblich 45 % "Integrationsunwilligen" zu rechnen sein könnte und wer nicht. Die Studie hat zu dieser Frage nämlich keineswegs so klare Worte gefunden wie die Ministerin. Aber ein bisserl Addieren ersetzt wohl jedes Differenzieren ...
Frau Ministerin Prokop mag eine verdiente Spitzensportlerin, eine bewährte Sozial-Landesrätin und anzunehmend auch privat ein "anständiger Mensch" gewesen sein.
In Zusammenhang mit ihrer Amtstätigkeit als Innenministerin wirken aber die ihr aktuell verliehenen Prädikate "menschlich", "um Ausgleich bemüht", "gesprächsbereit" bzw. "anständig" vielmehr wie ein Schlag ins Gesicht sowohl der zahlreichen Opfer ihrer Politik als auch derjenigen, die dagegen unermüdlich angekämpft und dafür aus ihrem eigenen bzw. ihrer Pressesprecher Munde bestenfalls scheinheilige Verständnislosigkeit geerntet haben.
Also bitte - der jähe Tod der Innenministerin ist bedauerlich und tragisch und unser Mitgefühl gilt natürlich den Angehörigen.
Aber zumindest bei Würdigung ihrer Amtstätigkeit als Ministerin sollte doch die Kirche im Dorf gelassen werden; speziell wo es daneben ohnehin auch noch genügend andere, unbestrittene Lorbeerkränze gibt.