Tragischer Anlass dürfe nicht dazu genutzt werden, "Fremdenpolitik der letzten Jahre zu vermarkten"
SOS-Mitmensch hat sich am Dienstag kritisch über die politische Arbeit der verstorbenen Innenministerin Liese Prokop geäußert. Angesichts der nahezu ausschließlich positiven Würdigungen der verstorbenen Innenministerin sehe man sich gezwungen, ebenfalls Stellung zu nehmen, so die Menschenrechtsorganisation in einer Aussendung. Und die Bilanz Falle aus menschenrechtlicher Sicht negativ aus.
Man habe "vollstes Verständnis für die Betroffenheit über das plötzliche Ableben der Innenministerin", der tragische Anlass dürfe aber nicht dazu genutzt werden, "die Fremdenpolitik der letzten Jahre zu vermarkten", sagte Sprecher Philipp Sonderegger. Die verstorbene Innenministerin habe zwar das Gespräch mit einigen Organisationen gesucht, letztlich habe sie sich "außer beim Kindergeld-Erlass immer gegen die Menschenrechte entschieden", verwies Sonderegger auf "die Androhung von Zwangsernährung, die exzessive Ausweitung der Schubhaft oder die existenzielle Bedrohung binationaler Paare".
Auch der "Ton gegenüber Menschen an den Peripherien der Gesellschaft" habe sich "unter Mitwirkung der verstorbenen Innenministerin verschärft", erinnerte SOS-Mitmensch an die Aussage "45 Prozent der Moslems seien integrationsunwillig" oder an die "Weigerung Prokops sich beim Folter-Opfer Bakary J. namens der Republik zu entschuldigen".
Homosexuellen Initiative verweist auf "Schattenseiten"
Die Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien, Bettina Nemeth, bezeichnete die bisherigen Reaktionen in einer Aussendung als "übertrieben und sachlich keineswegs gerechtfertigt". "Bei allem Verständnis für die Betroffenheit angesichts ihres Todes darf nicht in Vergessenheit geraten, dass der Name Prokop für eine menschenverachtende Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts steht", so Nemeth.
Das unter Prokops Federführung entstandene und im Juli 2005 verabschiedete Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz habe "noch nie dagewesene Verschlechterungen für Österreicher mit Ehepartnern aus Nicht-EWR-Ländern" gebracht. Zahlreiche Lesben und Schwule seien durch Prokops Gesetz "in die Emigration gezwungen", weil es für sie unmöglich geworden sei, mit dem gleichgeschlechtlichen Partner aus einem Nicht-EWR-Land in Österreich zusammenzuleben, erklärte HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler.
"Bei aller Trauer über den Tod Prokops sind wir es den Leidtragenden ihrer Politik schuldig, dass über die vielen Schattenseiten ihres Wirkens jetzt nicht einfach gnädig der Mantel des Schweigens gebreitet wird".