Stellungnahme von Michael Genner, Obmann von Asyl in Not, zur Kritik an seiner Aussendung vom 01.01.2007 zum Tod von Innenministerin Liese Prokop.
Stellungnahme von Michael Genner, Asyl in Not
In den letzten Tage habe ich viele Zuschriften und Anrufe erhalten: Viele Menschen haben mir Glück, viele andere den Tod gewünscht. Eines möchte ich klarstellen: Meine Kritik, meine Angriffe sollen sich nur gegen Schuldige richten.
Diesen Grundsatz habe ich vernachlässigt, denn Frau Prokops Familie, ihr Mann, ihre Kinder, deren Gefühle ich verletzt habe, können nichts dafür, dass die Innenministerin eine zutiefst menschenverachtende Politik betrieben hat.
Daher bitte ich Frau Prokops Familie nun in aller Form um Entschuldigung. Damit folge ich nicht zuletzt dem Rat meines alten Freundes Volker Kier, dessen mutigen Einsatz für unsere Sache ich heute mehr denn je zu schätzen weiß.
Diese Bitte um Entschuldigung ist an keine Bedingungen geknüpft. Nur eines füge ich, davon unabhängig, hinzu:
Vom künftigen Innenminister verlange ich, dass er im Namen der Republik die Opfer der bisherigen Politik um Entschuldigung bittet. Ich nenne hier einige Namen; sie stehen stellvertretend für viele andere.
Er muß Herrn Romzan Ch. und seine Angehörigen um Entschuldigung bitten, einen Flüchtling aus Tschetschenien, der im russischen Filtrationslager schwer gefoltert worden war und der in Österreich wieder im Gefängnis sitzen musste, aus dem einzigen Grund, daß er Schutz gesucht hat in unserem gastfreundlichen Land. Dank meinen Rechtsmitteln ist Herr Romzan wieder auf freiem Fuß; auf eine Entschuldigung oder gar Entschädigung wartet er bis heute vergebens. Folteropfer einzusperren, löst stets Retraumatisierung aus und ist nach Ansicht aller Experten Folter im Sinne der Menschenrechtskonvention.
Der künftige Innenminister muß Frau Brichta um Entschuldigung bitten, die von ihrem Mann getrennt und nach China abgeschoben wurde, und er muß ihr die sofortige Rückkehr nach Österreich erlauben.
Und er muß Herrn und Frau Bakary um Entschuldigung bitten. Herr Bakary wurde von Polizisten gefoltert; die Täter laufen frei herum und versehen wieder ihren Dienst; seine Frau lebt in ständiger Angst, ihn zu verlieren; Frau Prokop hat jedes Wort der Entschuldigung abgelehnt.
Die hier Genannten werden die Bitte des künftigen Innenministers um Entschuldigung stellvertretend für alle Menschen annehmen, die in der Ära Prokop unschuldig im Gefängnis sitzen mussten, die gefoltert, von ihren Familien getrennt oder abgeschoben wurden.
Meine Entschuldigung bei den Angehörigen der Frau Prokop gilt, wie gesagt, auf jeden Fall. Der künftige Minister ist gut beraten, sich für eine Entschuldigung ebenfalls nicht zu schade zu sein. Denn davon hängt es ab, ob er eine Gesprächsbasis mit den Opfern der Anti-Ausländer-Politik der letzten Jahre finden kann, und mit deren - oft genug inländischen - Angehörigen.
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
Währingerstraße 59
1090 Wien