Seit einigen Tagen verschärft sich die ohnehin angespannte Situation in Oaxaca. Während die Regierung Ulises Ruiz alles unternimmt, um den TouristInnen ein heiles Stadtbild zu presentieren, verstärken sich die Angriffe und Einschüchterungen gegen AktivistInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen.
Am Freitag, 13. April 2007, als David Venegas Reyes zusammen mit einer anderen Person vor einem Gerichtsgebäude stand, näherte sich ihnen ein Kleintransporter (Pick UP) auf dem acht Männer standen. Sie trugen blaue Polizeiuniformen, schwarze Helme, schusssichere Westen und schwere Waffen. Sofort stürzten sich die Männer auf David Venegas Reyes und schlugen ihn. David Venegas Reyes wurde auf den Kleintransporter verladen und mit unbekanntem Ziel weggefahren.
Sein Aufenthaltsort ist bis zu heutigen Zeitpunkt unbekannt. Am Samstag, 14. April 2007, wurde ein Anwalt des "Antirepressionskomitees 25. November" von Männern in Zivil angehalten. Die Männer gaben an, sie seien Polizisten, und forderten den Anwalt auf seine Anwaltspapiere zu zeigen. Der Anwalt weigerte sich, zeigte aber gleichzeitig seinen Ausweis und forderte die Männer auf sich ebenfalls auszuweisen. Da es mitten am Nachmittag war liefen viele Menschen zusammen. Darauf liessen die unbekannten Maenner von ihrem Vorhaben, ihn zu entführen, ab.
Seit Montag, 16. April 2007, stehen Hummer (Militaergeländewagen) vor dem Lokal der indigenen Organisation Flor y Canto. Auf dem Fahrzeug befinden sich Soldaten, die bewaffnet sind. Ausserdem wird seit Montag 16. April 2007 das Lokal von Flor y Canto von unbekannten Personen in Zivil überwacht und Mitglieder der verschiedenen Polizeieinheiten patroullieren in der Strasse.
Diese Angriffe und Einchüchterungen sind gegen Carmen Santiago Alonso gerichtet. Sie ist Koordinatorin der Organisation Flor y Canto. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist nicht klar, ob es sich bei den Drohgebärden um Einschüchterungen handelt, oder ob eine Verhaftung von Carmen Santiago Alonso bevor steht. Angesichts der bedrohlichen Entwicklung wird dringend dazu aufgerufen mit wachsamen Augen die gefährliche Situation in Oaxaca zu beobachten und sowohl bei den mexikanischen Behörden, so wie auch bei den Menschenrechtsorganisationen die Einhaltung der Menschenrechte zu fordern.
Aktivstinnen und Aktivisten in Oaxaca/Mexiko
Samstag 21.April 2007
An folgende Adressen sollen Protestbriefe geschickt werden:
Felipe Calderon Hinojosa
Presidente Constitucional de Mexico
FAX: 0052 55 52 77 23 76
Felipe.calderon (at) presidencia.gob.mx
Ulises Ruiz Ortiz
Gobernador del Estado de Oaxaca
Fax: 0052 951 50 20530 gobernador (at) oaxaca.gob.mx
Mision Permanente de México ante las Naciones Unidas,
16, Avenue du Bude, 1202 Case Postale 433 1202 Geneve Fax : 0041 22 748 07
Mission.mexico (at) ties.itu.int
Veranstaltungshinweis:
Die :: Mexiko-Plattform veranstaltet am Montag, 7. Mai 2007, im Rahmen der :: Aktionswoche Lateinamerika, Karibik & Europa im Republikanischen Club, Rokhgasse 1, 1010 Wien, 19 Uhr eine Podiumsdiskussion mit dem Titel
"Oaxaca: Brennpunkt im Kampf um Menschenrechte und Demokratie in Mexiko"
Podiumsgespräch mit VertreterInnen der indigenen Basisorganisation für Menschenrechte OIDHO (Indigene Menschenrechtsoganisation in Oaxaca) und des Menschenrechtsnetzwerks RODH aus Oaxaca sowie mit österreichischen PolitikerInnen.
TeilnehmerInnen: Zwei Mitglieder von OIDHO, Sara Mendez (RODH), Abg. z. NR Petra Bayr (ARGE Entwicklungspolitik SPÖ), Abg. z. NR Mag. Ulrike Lunacek (außenpolitische Sprecherin der Grünen);
Moderation: Leo Gabriel. Übersetzung: Werner Hörtner
Seit Beginn der 1990er Jahre setzen sich Volks- und Indigenaorganisationen in den südlichen Bundesstaaten Mexikos verstärkt für eine Verbesserung der Lebensbedingungen und Demokratisierung der Gesellschaft ein. Sie wenden sich gegen Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen.
Im stark indigen geprägten Oaxaca verlangt seit Juni vergangenen Jahres ein breites Bündnis, das sich in der Volksversammlung von Oaxaca (APPO) zusammengeschlossen hat, den Rücktritt des diktatorisch agierenden Gouverneurs Ulises Ruiz. Die breite Protestbewegung, deren Keim in einem LehrerInnenstreik um bessere Arbeitsbedingungen und Ausspeisung der SchülerInnen begann, entwickelte sich nach einem ersten erfolglosen Räumungsversuch durch die Polizei zur Massenbewegung. Regierungsgebäude wurden symbolisch geschlossen, Blockaden errichtet, Radios besetzt und ein eigenes Programm gesendet. Die Kommune von Oaxaca kontrollierte die Stadt und erzwang Verhandlungen auf Bundesebene. Dabei sollte es neben der Absetzung von Ulises Ruiz um einen politischen Neuanfang unter Einschließung der indigenen Völker und eine, seit Jahrzehnten überfällige, Reform der Demokratie gehen.
Neben der Repression der Bewegung in Oaxaca, zeichnete sich immer mehr eine bedrohliche Entwicklung in ganz Mexiko ab. Trotz massiver Vorwürfe von Wahlbetrug, setzten Präsident Fox und das Wahlgericht den Hardliner Felipe Calderón von der PAN gegen den gemäßigten Andrés Manuel López Obrador von der PRD durch - mit Rückendeckung auch aus der EU. Die antidemokratischen Kräfte Fox/Calderon auf Bundesebene und Ulises Ruiz in Oaxaca stützten sich gegenseitig. Die traurige Bilanz der Repression, die Ende November 2006 ihren Höhepunkt erreicht hatte ist folgende: bisher 340 Verletzte, 26 Ermordete und weiterhin zahlreiche Inhaftierte.
Doch die Repression konnte den Aufstand in Oaxaca nicht stoppen. Die Volksbewegung APPO ist weiterhin präsent und neben den Zapatistas in Chiapas und dem, im Aufbau begriffenen Bündnis von "unten links", der "Anderen Kampagne", das sichtbarste Zeichen des Widerstands.
Die Vertreter der indigenen Basisorganisation OIDHO
Alejandro Cruz López, Jahrgang 1958, ist zapotekischer Anwalt und Mitbegründer der indigenen Basisorganisation zur Verteidigung der Menschenrechte OIDHO. Aktuell ist er dort Mitglied der Kommission für politische Fragen. Alejandro Cruz war mehrfach politischer Gefangener, zuletzt von Januar bis April 2005. Auf ihn und seine Familie wurde im Sommer 2006 ein Brandanschlag verübt. Er ist Mitglied des Rates der Volksversammlung der Völker von Oaxaca - APPO. Alejandro Cruz war 1999 im Rahmen eines Reports vor einer Kommission der UN in Genf über seine erste, illegale Verhaftung und Misshandlung schon einmal in Europa bzw. in Deutschland.
Pedro Pacheco García, Jahrgang 1960, ist zapotekischer Bauer aus dem Dorf San Andrés Lovene, einer äußerst marginalisierten Gemeinde, die in den Bergen der Küstenregion (Sierra Sur) Oaxacas liegt. Sein Dorf ist nur nach mehrstündigem Fußmarsch zu erreichen. Pedro Pacheco hat innerhalb der Organisation viele Jahre in verschiedenen Funktionen ehrenamtlich und unentgeltlich gedient, sowohl in seinem lokalen Organisationskomitee wie auch als Präsident von OIDHO auf der Ebene des Bundesstaates.
Die "Indianischen Organisationen für die Menschenrechte in Oaxaca" - OIDHO
Die "Indianischen Organisationen für die Menschenrechte in Oaxaca", kurz OIDHO, sind ein parteipolitisch und finanziell unabhängiger Zusammenschluss von indigenen BäuerInnen aus verschiedenen marginalisierten Regionen Oaxacas. Außerdem gehören der Organisation auch BewohnerInnen armer Viertel aus Oaxaca-Stadt an. OIDHO betrachtet sich selbst als politische und soziale Organisation zur Selbstverteidigung der Menschenrechte. Die überwiegend dörflichen Basisgruppen, die sich in OIDHO zusammengeschlossen haben, sind davon überzeugt, dass die Verteidigung ihrer Rechte und der Kampf gegen Ungerechtigkeit, Repression und Armut nur gemeinsam von unten und solidarisch gelingen kann. OIDHO hat daher im Verlauf ihres friedlichen Kampfes seit Beginn der 1990er Jahre mehrere politische Allianzen sozialer und indigener Organisationen mit begründet.
OIDHO ist seit 2005 Mitglied der "Anderen Kampagne" um die neozapatistische EZLN (Ejercito Zapatista de Liberación Nacional) und seit 2006 Teil der "Volksversammlung der Völker in Oaxaca", kurz APPO (Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca). Politisch ist OIDHO dem Magonismus zuzurechnen, einer anarchistischen Strömung, die vom mexikanischen Sozialrevolutionär Ricardo Flores Magón beeinflusst ist (1). OIDHO vertritt ein Modell von (indigener) Autonomie und Selbstorganisation, arbeitet an einem "anderen" Konzept der Macht "von unten" und lehnt damit die parteipolitische Organisation zur Durchsetzung von Interessen für sich selbst ab.
Im Verlauf ihres 15 jährigen Kampfes für Menschenrechte wurden etliche Mitglieder von OIDHO ermordet, andere schwer verletzt. Mehrere Mitglieder von OIDHO waren bzw. sind politische Gefangene. Aktuell befinden sich drei Repräsentanten der Organisation in Haft; sie werden seit Anfang 2005 unschuldig festgehalten. OIDHO gehört zu den Organisationen, die die breiten sozialen Proteste gegen den Gouverneur von Oaxaca im Mai 2006, die auch international Aufmerksamkeit erregt haben, mit ermöglicht und initiiert haben.
Eine ca. 4-minütige Selbstdarstellung von OIDHO in Bildern (im "you tube"-Format) mit eingesprochenem spanischem Text findet sich auf http://www.oidho.co.nr/ .