Bericht von der Demo gegen Rassismus und Faschismus am 17.11.2007 in Wien, :: mit Bildern
In Wien protestierte am 17.11.2007 eine lautstarke Demonstration durch die Strassen des Alltags, gegen alltägliche Rassismen, die ihre alltäglichen Höhepunkte in der Schubhaft und Deportation der/des 'Anderen' hat. Kalt war das Wetter, heiß die Gemüter. Es folgt ein bisschen mehr als 'nur' ein Demo-Bericht...
Wir gehen zum Treffpunkt der Demo beim Schottentor. Es ist kalt, sehr kalt. Die Musik aus dem Lautsprecherwagen bringt die Leute zum tanzen; das Essen vom Traktoranhänger der Gruppe 'Food not Bombs' bringt den Leuten warmes Essen. Es ist nicht mehr so kalt.
Hunderte TeilnehmerInnen, vorwiegend Autonome, beginnen mit lautstarken Parolen wie 'Kein Mensch ist Illegal, Bleiberecht überall' den Ring entlang zu protestieren. Ganz vorn der Frauen/Lesben-Block, die u.a. zur Demo aufgerufen hatten, und nach einem lauten Trommelauftakt den Demozug in Bewegung brachten.
Während die offizielle Version 'Gegen Rassismus und Faschismus' hieß, lautete ihr Motto 'Gegen den Rechts(d)ruck'. Ob es einen Rechtsruck in Österreich gibt, kann ich so nicht beurteilen; Tatsache ist, dass Österreich rechts war, rechts geblieben ist und auch nicht den Anschein macht, dies in nächster Zeit ändern zu wollen. Das mag wohl im Wesen jeder Nation liegen, was für ihre Ausgeschlossen - je nach dem, wie sehr das Herrschende jenes nationale Gefühl zu begeistern weiß um so schrecklichere Folgen hat.
Das Schrecken war dann bei der ersten Zwischenkundgebung - Schubhaft Rossauer Lände - in all seiner Hässlichkeit vor Augen gestellt. Hinter Stahlbeton inhaftiert die Flüchtlingsbewegung, deren politisches Motiv und deren politische Verfolgung in Österreich, in Europa, nicht aufhört, sondern sich fortsetzt oder gar erst beginnt... Wut. Aus den - bis dato - fliegenden Schneebällen werden teilweise fliegende Steine. Scheiben gehen zu Bruch, angeblich wird ein Polizist verletzt. Der Versuch der 'gut bezahlten Hooligans' aus der Demo heraus eine Person festzunehmen, wird erfolgreich verhindert... Haben die InsassInnen von all dem was mitbekommen? 'Antirassismus muss Praxis werden, Feuer und Flamme den Abschiebehörden'?
Die Polizei hat sich zurückgezogen, die Situation beruhigt; der Protest geht lautstark weiter, durch ein ArbeiterInnenviertel mit hohem Anteil an MigrantInnen, dem 20.Bezirk Wiens. Hier marschierten noch vor wenigen Wochen eine Horde von 'besorgten Bürgern' der rechtsextremen FPÖ, begleitet von mehreren Dutzend Stiefelnazis, gegen einen Moscheeausbau. Hier hörten noch vor wenigen Wochen die selben AnwohnerInnen, die wohl eher Grund zur Besorgnis bekamen, Sprüche wie 'Ausländer raus' 'Verbrennen! Verbrennen!'. Es gab damals, obwohl der Aufmarsch der FPÖ/Neonazis durch die bürgerlichen Medien im Vorfeld breit angekündigt war, keine nennenswerte antifaschistische Resistenz. Wieso es damals keine größeren antifaschistischen Aufrufe zu Aktionen gab, bleibt noch zu klären. Entweder gibt es 'zur Freude der nationalen Einheit' keine AntifaschistInnen in Wien oder noch viel schlimmer: es gibt sie zwar als Lippenbekenntnis, doch tolerierten sie den Neonazi-Aufmarsch, weil das Ziel des nationalen Hasses, die derzeitige Feindin Nummer 1 der österreichischen Top-ten, lautet: Islam. Man kann - auch wenn es sich jetzt zynisch anhören mag - nochmal von Glück im Unglück für den Antifaschismus in Wien sprechen, dass mit der Auforderung 'Verbrennen! Verbrennen!' 'nur' eine Moschee aus Pappe gemeint war...
Heute war es jedenfalls anders: Als die Demo vor der nämlichen Moschee eine Zwischenkundgebung hielt und die ATIGF auf türkisch eine Rede zu Rassismus hielt und den Rechtsruck verurteilte, war die Erleichterung der Menschen vor und in der Moschee zu erkennen, dass es sich diesmal - 'Allaha sükür' - nicht um 'Ausländer Raus' handelte. Eine Frau schenkt ausdrucksvoll der Demonstration eine Schachtel gefüllt mit Süßgebäck, begleitet mit den Worten: 'Danke. Hier bitte, lasst es euch Schmecken. Gut das ihr hier seid.'. Kein alltägliches Bild für die unter Rechtsdruck stehende islamische Gemeinde. Kein alltägliches Bild für die antirassistische Bewegung, die sonst so isoliert ist vom Alltag der Migration... Doch die Rede der ATIGF (steht übrigens für: ArbeiterInnen aus der Türkei in Österreich) stört die Harmonie ein wenig, indem sie das Phänomen Rassismus, Sexismus und Entsolidarisierung der ArbeiterInnen nicht als ein rein 'österreichische Problem' verkürzt, sondern auch an den Toren der Moschee klopft...
Am Wallensteinplatz endete die Kundgebung mit Glühwein und Musik. Auffallend, dass mehrere junge MigrantInnen - seit der Zwischenkundgebung vor der Moschee - sich der Demo angeschlossen hatten und dabei sichtlich Freude hatten. Vielleicht sollte man in Zukunft - statt mit der Polizei im 1.Bezirk zu spielen - den Protest mehr in jene Gegenden der ArbeiterInnen/MigrantInnen tragen, wo der Protest offensichtlich nicht nur erwünscht, sondern von Nöten ist, erwartet wird...
Anonym und mit der Bitte um Veröffentlichung zugesandter Bericht, redaktionell gekürzt