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[ 10. Apr 2008 // letzte änderung: 01. Jul 2008 ]

Camp heimatsloser WeltbewohnerInnen an der Grenze

YURTSUZ DÜNYALILARA SINIRDA UMUT KAMPI - Aufruf für ein noborder-Camp in DIKILI bei Izmir, Türkei vom 3. bis 7. September 2008.

 

Das Urlaubs- und Skipperparadies Ägäis, zwischen griechischen Inseln und türkischer Küste, machte sich als Fluchtweg bereits in den 1980er Jahren einen Namen. Zahlreiche Menschen konnten so den Repressionen des türkischen Militärregimes der 1980er Jahre entkommen. Als EU-Außengrenze zur Abschottung der Festung Europa vor ungewollter Migration, wird das Gebiet für Menschen auf dem Weg nach Europa zum Alptraum. Zwei Hauptrouten bieten sich für Menschen aus dem Irak, Iran, Afghanistan und aus Afrika, vornehmlich Somalia und Sudan, mit dem Ziel Europa an: der Weg über die Festlandgrenze zwischen der Türkei/Griechenland oder Türkei/Bulgarien und die Ägäische Küste.

Das Küstengebiet in der Nähe von Izmir und die griechischen Inseln sind nur einige Seemeilen voneinander entfernt. Besonders in den Wintermonaten wird der Seeweg zwischen der Türkei und Griechenland, eine Distanz von nur ein bis zwei Stunden, von Flüchtlingen benutzt. Die Fischer- und Urlaubsorte Kusadasi, Seferihisar, Cesme, Karaburun und Dikili sind Abfahrtspunkte der unsicheren Überfahrt.

Die griechische Küstenwache erfüllt ihren Auftrag, die Interessen der EU-Staaten nach kontrollierter Zuwanderung zu schützen. Erwünscht sind junge, ausgebildete, disziplinierte, aber billige Arbeitskräfte. Mit allen Mitteln und Methoden wird versucht jede Landung auf griechischem Territorium zu verhindern: Vom Entern von Booten mit 'falscher Beladung' und Zurückschleppen auf die türkische Seite der Seegrenze über das Aussetzen von Menschen auf unbewohnten - und unbewohnbaren, wasserlosen - Inseln, vom seeuntauglich Machen von Booten auf offener See, um jede Rückkehr zu verhindern, bis zu körperlichen Übergriffen ... Sogar Schusswaffen werden eingesetzt.

Ungewollte Asylsuchende werden so von griechischen und türkischen Behörden hin- und hergeschoben. Keine Seite möchte zuständig sein. In Izmir und den anderen großen Städten entstanden in den letzten Jahren Communities von MigrantInnen, die auf geeignete Überfahrts- bzw. Weiterreisegelegenheiten warten und wiederholt probieren nach Europa einzureisen. :: In Griechenland drohen Auffanglager und Abschiebung, in der Türkei mangels einer klaren gesetzlichen Regelung unbestimmt langer Aufenthalt in 'Gästehäusern für AusländerInnen' und ebenfalls Abschiebung.

Schlechte Witterung erleichtert zwar von den Behörden unbemerkte, also erfolgreiche Landung in Griechenland. Für überfüllte Schiffe bedeutet Schlechtwetter jedoch Lebensgefahr, insbesondere in den Wintermonaten häufen sich die Nachrichten über gekenterte Schiffe. Die Menschen in Seenot - oft können sie gar nicht schwimmen - werden von Fischern oder der türkischen Küstenwache gerettet. Oder es kommt jede Hilfe zu spät, AnrainerInnen finden Leichen auf den Stränden. Offizielle Zahlen sprechen von 82 Toten und 102 Vermissten - also Ertrunkenen - im Jahr 2007, 2006 von 20 Toten und 53 vermisst Ertrunkenen nur in diesem unmittelbaren Gebiet. :: fortresseurope.blogspot.com geht in der Zeit zwischen 1994 bis zum Dezember 2007 von 410 Toten und 402 Vermissten aus. Diese Zahlen stellen jedoch lediglich die Spitze des Eisberges dar.

Das Fehlen legaler Einreisemöglichkeiten in die Festung Europa für Asylsuchende schafft erst den Bedarf an 'illegalen Transportmöglichkeiten', ein florierendes Geschäft an den Außengrenzen. Die geschlossenen Grenzen bereiten den Boden für einen 'illegalen' Transport-Markt und kriminalisieren ihn und die dazugehörigen Personen zugleich. Mit drakonischen Strafen für Fluchthilfe - der Jargon des Grenzregimes nennt es Menschenhandel - treiben die Gesetze der EU-Staaten die Transportpreise in die Höhe. Das Einreiseverbot macht den Markt also attraktiv und verunmöglicht zugleich die Gewähr einer sicheren Landung am gewünschten Ziel.

Migration aus verarmten, geplünderten, durch Kriege oder von Textil- und Elektronikproduktion und -entsorgung unbewohnbar gemachten Gebieten ist eine Form sich der aufgezwungenen Weltordnung zu widersetzen. Mit unserem Protest wollen wir die Interessen derer unterstützen, die sich zu diesem schwierigen und gefährlichen Weg entscheiden.

3. bis 7. September 2008 Grenzcamp in Dikili, Izmir

  • Erfahrungs- und Wissensaustausch für Betroffene, Interessierte und AktivistInnen,
  • im Zentrum steht die Frage, wie wir die Toten an der Grenze verhindern können
  • der Protest soll die türkische und europäische Öffentlichkeit auf die Situation aufmerksam machen

Über Mitarbeit, Teilnahme und Workshops freuen wir uns.
Rückmeldungen und mehr Informationen: dikili2008-sinirkampi (at) hotmail.com
Unsere Website ist im Entstehen.

KEIN MENSCH IST ILLEGAL
FREIE WAHL DES WOHNORTES FÜR ALLE
JEDE/R TOTE IST ZUVIEL
WIR ALLE SIND MIGRANTINNEN