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[ 17. Oct 2008 ]

Europäischen Pakt gegen Einwanderung und Asyl beschlossen

Am 16. Oktober 2008 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der EU den "Europäischen Pakt zu Einwanderung und Asyl". Dieser bedeutet eine weitere Verschärfung des Krieges gegen Flüchtlinge und MigrantInnen. Dokumenation einer Presseaussendung von Pro Asyl.

 

Europäischer Rat tagt in Brüssel
PRO ASYL: EU-Staaten schließen "Pakt gegen Flüchtlingsschutz"



Während ihres Treffens am 15./16. Oktober werden die Staats- und Regierungschefs der EU den sogenannten Europäischen Pakt für Migration und Asyl beschließen. Die PRO ASYL vorliegende Entwurfsfassung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Abwehr von Flüchtlingen und Migranten wird gemeinsam gestaltet, den Rest machen die Nationalstaaten überwiegend nach eigenem Gusto. Im Zentrum der von der französischen Regierung ausgehenden Initiative steht die Kombination einer verstärkten Aufrüstung an den Außengrenzen, die Einbindung von Transitstaaten in die Flüchtlingsabwehr und die Neuauflage des "Gastarbeitermodells".

Vor exakt neun Jahren beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU im finnischen Tampere: Ziel einer gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik sei eine "offene und sichere Europäische Union, die uneingeschränkt zu ihren Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention und aus anderen einschlägigen Menschenrechts-Übereinkünften steht." "Bundeskanzlerin Merkel und ihre Kollegen schließen jetzt einen 'Pakt gegen den Flüchtlingsschutz', der vor allem ein Ziel verfolgt: um die Festung Europa noch eine zweite Wallanlage zu errichten", so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL.

Aufrüstung an den Außengrenzen: Mit martialischen Worten fordert der Europäische Rat die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, "alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel einzusetzen, um eine wirksamere Kontrolle an den Land-, See- und Luftaußengrenzen zu gewährleisten". Der Preis der Abschottung Europas - die Tausenden von Toten an den EU-Grenzen - findet keine Erwähnung. Die Grenzschutzagentur FRONTEX soll mit höheren Mitteln ausgestattet werden. Dies ist ein Blankoscheck für eine Organisation, deren Budget ständig wächst, die aber weder vom europäischen noch von den nationalen Parlamenten wirksam kontrolliert wird.

Kooperation um jeden Preis: Wo FRONTEX operiert, gibt es qua definitionem nur "irreguläre Migration", die gemeinsam mit "Partnerstaaten" wie Libyen, Marokko, Tunesien, Mauretanien zu bekämpfen ist, welche menschenrechtlichen Standards diese Staaten auch immer haben mögen. Um zu gewährleisten, dass Flüchtlinge möglichst nicht die europäische Außengrenze erreichen, sollen sie bereits in den Transitstaaten abgefangen oder dorthin zurückverfrachtet werden. Mit diesen Staaten möchte die EU "eine ambitionierte Politik der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit" betreiben und die Rückkehr von Flüchtlingen und Migranten auch in Transitländer sichern.

"Europa des Asyls": Die Regierungschefs verkünden zwar auch ein "Europa des Asyls". Jedoch die Antwort auf die Frage, wie denn Schutzsuchende in dieses "Europa des Asyls" gelangen, liegt in den beiden vorhergenannten Schlüsselelementen - Grenzschutz und Kooperation mit Drittstaaten - des Paktes: Der Zugang für Flüchtlinge nach Europa bleibt in der Regel versperrt und geschieht ansonsten nur unter Lebensgefahr.

Revival der gescheiterten "Gastarbeiterpolitik": Möglichkeiten der legalen Einwanderung anzubieten, bleibt im Ermessen der einzelnen Mitgliedsstaaten. Der Pakt verpflichtet demgemäss zu nichts Konkretem. Wenn die Staaten legale Einwanderung zulassen wollen, sind sie aufgefordert, den Formen der temporären oder zirkulären Migration den Vorzug zu geben. PRO ASYL hält dies für den Versuch einer Neuauflage der gescheiterten Gastarbeiterpolitik.

Der Widerstand wächst: Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat in einem Beschluss vom 2. September 2008 unmissverständlich klargestellt, dass dieses Konzept der zirkulären Migration die Menschenrechte verletzt, insbesondere das Recht auf Schutz der Familie und das Recht auf Schutz vor Diskriminierung.

Über 250 Organisationen aus Europa und Afrika werden am 17./18. Oktober in Paris ihre Ablehnung gegen diesen Pakt, "den wesentlich von sicherheitspolitischen Prinzipien bestimmten Umgang mit Migration, der den Tod Tausender von Menschen in Kauf nimmt" zum Ausdruck bringen.

gez. Karl Kopp, Europareferent



Quelle :: Presseaussendung von Pro Asyl, 15. Oktober 2008