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[ 07. Apr 2009 ]

Katastrophe im Mittelmeer - Wieviele Menschen sollen noch sterben?

GPS

Nur langsam lässt sich nach vollziehen, was Ende März 2009 vor der libyschen Küste passiert ist.

 

Ein Schiff war in Sid Belal Janzur gestartet, einem Vorort von Tripolis. 253 Menschen, die meisten aus Ägypten. 30 km vor der Küste dann das Ende. Das Boot sinkt, 21 Menschen werden gerettet, mehr als 100 können nur noch tot geborgen werden.

Ein weiteres Boot mit 365 startet ebenfalls von der libyschen Küste. Das Wetter an dem Wochenende vom 28. auf den 29. März 2009 ist schlecht, die See rau. Die Spur verliert sich, das Boot sinkt, niemand wird gerettet, so die Nachrichtenagenturen. Innerhalb von wenigen Stunden verschwinden knapp 600 Menschen, deren einziges Fehler es war, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Ein Europa, das seine Pforten geschlossen hat und gern die Toten in Kauf nimmt. Neben diesen beiden Schiffen sollen zwei weitere von der libyschen Küste los gefahren sein, doch die libysche Küstenwache, die auf der Suche ist, findet keine Spur von ihnen, vielleicht sind auch sie gesunken. Die IOM berichtet inzwischen, das Boot mit den - nach ihren Zahlen 357 Passagieren - sei gerettet worden und nach Tripolis zurückgekehrt. Doch noch immer herrscht Konfusion. Könnte es sich nicht auch um das von einem italienischen Schiff gerettete Boot handeln?

Die italienische Nachrichtenagentur ANSA beschreibt in einem Artikel vom 31.3.2009 diese Rettungsaktion: Sie sind Sonntag gestartet, 350 Menschen. Der Alarm, dass sich das Boot in Seenot befindet, erreicht die Küstenwache am Abend des 28. März. Er geht von einer Ölplattform aus. Der in Neapel gemeldete Schlepper der Plattform "Asso 22" fährt zu den Flüchtlingen. Dann treffen libysche und italienische Küstenwachschiffe ein und bergen gemeinsam die 350 MigrantInnen. Drei libysche Offiziere gehen an Bord des italienischen Küstenwachbootes und leiten dieses mit dem geretteten Boot im Schlepptau nach Tripolis, wo sie am Sonntagnachmittag ankommen. Was weiter mit den Flüchtlingen geschehen ist, ist unklar.

Am Montag, den 30.3.2009, soll ein italienischer Tanker weitere Menschen gerettet haben, vielleicht ist es dieser, von dem IOM spricht. Aber bisher gibt es keinerlei Meldungen an die italienischen Behörden. Die Libyer jedenfalls scheinen sich nun in der Seenotrettung zu engagieren, ein neues Bild. Der Freundschaftsvertrag mit Italien zeigt wohl doch Wirkung, zumindest was die Rettung angeht.

Fakt ist, dass die 21 Überlebenden, und zu befürchten ist, auch die ca. 350 Überlebenden, hat man sie denn nach Libyen gebracht, inhaftiert sind. Unter den 21 befnden sich mehrere Subsaharianer aus Gambia, Kamerun und anderen Ländern. Es gibt keine botschaftlichen Vertretungen dieser Länder in Libyen. Ohne Botschaft keine Papiere. Ohne Papiere die Gefahr der monatelangen, manchmal jahrelangen Internierung in libyschen Gefängnissen.

Startpunkt dieser Todesfahrten ist jedoch weiterhin Libyen. Am letzten Wochenende erreichten 400 Flüchtlinge die sizilianische Küste in zwei Booten. Das eine strandete in Scoglitti an der Südküste. An Bord 153 Menschen, unter ihnen 29 Frauen. Sie wurden in das Auffanglager nach Pozzallo gebracht, eine Fabrikhalle auf dem Hafengelände. Das zweite Boot mit 249 Menschen an Bord erreichte die Südspitze Siziliens. Es handelt sich hauptsächlich um Menschen aus Eritrea und Somalia, unter ihnen 31 Frauen, davon drei schwanger, und acht Minderjährige. Sie wurden von der Guardia di Finanza, dem Zoll, an Land begleitet. Ein 24jähriger Somali wurde als Schlepper verhaftet.

Am Montag, den 30.3.2009, erreichten 222 Flüchtlinge die Insel Lampedusa. Nun befinden sich erneut über 700 Menschen in dem geschlossenen Lager, die Spannung steigt. Es kam wieder zu einem Ausbruch der Migrant_innen, zwei wurden verhaftet und fünf angezeigt, nachdem die Carabinieri sie wieder eingefangen hatten.

Der Bürgermeister der Insel, de Rubéis, beschwerte sich über die umenschliche medizinische Behandlung an der Mole: die Frauen, denen es zum Teil sehr schlecht ging, mussten im Dreck auf der Erde liegen, da es auf Lampedusa nur einen Krankenwagen gibt, der mehrfach hin und her fahren musste. Seitdem Ärzte ohne Grenzen dort keine Erstbehandlung mehr machen dürfen, fehlt auch deren Ambulanz. Mario Morcone, Verantwortlicher im Innenministerium für die Abteilung Migration, bezichtigte indes den Bürgermeister als Lügner: es seien vier Ärzte an der Mole gewesen und einen Krankenwagen gebe es schließlich auch.

Wie es nun weitergeht wird sich zeigen. Innenminister Maroni hat versprochen, dass die Anlandungen aufhören, wenn die gemeinsamen Patrouillen Italiens und Libyens vor der libyschen Küste beginnen. Beginn soll nun der 15. Mai 2009 sein. Ziel der Patrouillen ist die Zurückweisung in die Ausgangshäfen. Um diese zu umgehen, werden die Routen noch gefährlicher sein und noch mehr Menschen werden sich, da sie keine andere Wahl haben, in Lebensgefahr begeben. Frage bleibt auch, was eigentlich FRONTEX im Mittelmeer treibt – ist es möglich, dass Einsätze gefahren werden und die Menschen faktisch "vor den Augen" der Bootsbesatzungen ertrinken?

Dieser Bericht von Judith Gleitze erschien zuerst am 03. April 2009 auf :: borderline-europe.de, hier bearbeitet von no-racism.net.