Die heurigen Videoarbeiten zur Diagonale-"Kunst der Stunde ist Widerstand" spiegeln widerum eine Vielfalt von politischer Phantasie in Spektrum und Positionierung. Sie dokumentieren einerseits Geschehnisse, Protestformen des Widerstands im letzten Jahr, andererseits entwickeln sich experimentelle Formen weiter.
Trotz "Normalisierung" wurden wieder zahlreiche Arbeiten eingereicht, die den "Normalzustand" zu skandalisieren suchen und in ihrem rebellischen Ausdruck das flexibel handhabbare Videoformat wählen. Das Video ist schlicht und die BearbeitungsMöglichkeiten verbreitern sich. Hatten vor allem die ersten Arbeiten letztes Jahr noch einen vorrangig ironischen, beissenden Unterton, war der Eindruck dieses Jahr bei der gemeinsamen Sichtung der Videoarbeiten anfang März beklemmend. Sie zeigen kein Selbstmitleid, aber sie spiegeln dennoch einen zunehmend unerträglichen Zustand.
Die Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl bemerkt dazu in der Reflexion "Seit einem Jahr wird gegen die blau-schwarze Regierung demonstriert": "Neuerdings entwickelt der Protest jedoch ein gewisses Faible für aussichtslose Anliegen, sowie Talent, auch das Scheitern mit Stil zu bewältigen. Im letzten Jahr wurde zwar nicht die Regierung beseitigt, dafür aber das Selbstmitleid. Das ist schon ein Anfang." Im letzten Jahr hat sich die Normalität weiter nach Rechts verschoben. Bei der Demo "Ein Jahr Widerstand" war von einer Massenbewegung nicht mehr viel übrig. Liberale Gruppierungen, Intellektuelle und Künstler blieben den Demos
zunehmend fern. Nach der anfänglichen Vernetzung spalten sich die liberalen und die radikaleren, antirassistischen Fronten. Medien und Polizei hetzen fleiÃig mit. Die Politisierung derjenigen, die jetzt noch demonstrieren hat sich verändert: Es geht nicht nur um die Regierungsbeteiligung der FPÖ, sondern darum eine anti-nationale, antirassistische Position zu beziehen.
Das Video-Kollektiv "Die Kunst der Stunde ist Widerstand" fordert eine offensive anti-nationale und anti-rassistische Politik gegen die Made in Austria ein: für ein AusländerInnenwahlrecht, ein
Anti-Diskriminierungsgesetz, für offene Grenzen, ein offenes Kärnten, ein offenes Europa.
Programmablauf:
- Trailer - Die Kunst der Stunde ist Widerstand, Oliver Stotz &
Lisbeth Kovacic & Lukas Schaller 2.5"
- die kunst ist eine bÀrin und sie beiÃt wen sie will, Volxtheater
Favoriten, 5,5`
- Resist, Simona Schimanovich, 0,3`
- elektrovortrag zum nazionalfeiertag, bady minck, 5`
- Zufallsindoktrinator, Julia Starsky, Julius Sternenhimml, 5,5`
- Torte statt Worte - Drahdiwaberl, Klaus Hundsbichler, 5,5`
- 20/5/2000, anonym, 13`
- 2 spots, get to attack, Anja Salomonowitz,1`
- Heimatgeflöster, Pia schauenburg, 1`
- Die Herren, Ewa Einhorn, Misha Stroj, 7`
- Mad in Austria, Elke Mayr, 0,5`
- Pony, BÀr und Apfelbaum, acc, 12`
- Österreich rein! Amina Handke, 2,5`
- Krumpendorf ist ein Symbol, klara moser society, 11`
- Der graue Star, maschek., 8`
- GrÌà Gott Österreich!, Bernadette Huber, 4,25`
- Dankeschön, Thomas Horwath, 1` Anschließend Diskussion
Moderation:
Gini MÃŒller, Tristan Sindelgruber)
Projektbeschreibug und Reflexionspapier
"Die Kunst der Stunde ist Widerstand" - Diagonale - 20.3. 2001
Titelreflexion
Gerald Raunig verweist in dem Buch "Wien, Feber, 00", in einem speziellen Kapitel über das Projekt mit dem Namen "Die Kunst der Stunde ist Widerstand", zunächst auf die verschiedenen Bedeutungsebenen des Slogans und die eine wesentliche Tatsache, "daß in diesen Tagen in ähnlichem Ausmaß Widerstand augenfÀllig Kunst wird, wie künstlerische Aktionen auch widerständig in Eriegnisse eingreifen, damit auch ein Raum erzeugt wird, in
dem die Trennung für eine gewisse Zeit lang aufgehoben iost, die
künstlerische in die politische Aktion in die künstlerische übergehen kann. Der Slogan verweist aber auch auf die zeitliche Bestimmtheit, vielleicht auch Begrenztheit dieses Grenzraums.(...)"Die Kunst der Stunde" heißt auch tendenziell unkontrollierbar, flexibel Umstände nutzen, die in einem ganz bestimmten Interventionsmoment in eine günstige Situation verwandelt werden können, also nicht von einer strategischen Position, einem Ort abhängig und ausgehend. (...) Die Differenz zwischen ursprünglichen Ziel und zwischenzeitlich eingetretenen Effekten muß durch schnell handelndes
Anpassen immer wieder ausgeglichen werden. Damit heißt Widerstand immer auch Widerstand gegen das theoretische Konzept der einen, universellen Wirklichkeit, und praktisch Widerstand gegen alle vereinheitlichenden Konstruktionen der Wirklichkeit durch Medien und Geschichtsschreibung; das alles am besten durch die permanente pluralisierende Installierung von
eigenen gegenhegemonialen Konstruktionen."
1 Jahr Kunst der Stunde
Ein Jahr ist vergangen und die Normalität hat sich in Österreich weiter nach rechts verschoben. Die Zeit von Reflexion und Diskussion, Blickwechel in Sachen Protest und Widerstand ist notwendigerweise gekommen.
Das Kollektiv "Die Kunst der Stunde ist Widerstand" konstituierte sich nach der politischen Wende im Februar 2000. Konkreter Anlaß war u.a. die Diagonale. Die Videogruppe stellte sich anfangs ein loser Zusammenschluss von Leuten, die Videos und Filme unter Themen wie "Protest und Widerstand gegen die neue Regierung" produzierten, dar.
Die über 50 Arbeiten des vielfältigen Videopools - Propagandaspots,
Strassendokus, Interviews, Essays, FoundFootage, Experimentelles - entstanden zumeist als spontane Protestäußerung gegen die neue Regierung. Eine ganze Woche lang wurden im Rahmen der Diagonale 2000 jeden Abend unterschiedlichste Videoprojekte vorgestellt und besprochen. Sowohl die Petition der Filmschaffenden gegen die Regierung im Katalog als auch die
Reihe selbst erregten die Öffentlichkeit. Anlaß und Grundkonsens waren und sind die Ablehnung der Regierung. Doch das
Projekt ist andererseits auch ein Experiment auf struktureller Ebene: Durch die kurzfristige politische Ausnahmesituation und die Aufbruchsstimmung in Sachen Widerstand kam es im Moment zu einer Vernetzung verschiedenster Leute und Initiativen; es eröffneten sich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit,
Austausch zwischen vorrangig politisch Aktiven und "Filmleuten". Mittels der Mailinggroup-Liste 25fps (at) klingt.org und regelmäßiger Treffen wurden Distribution und Präsentation in Angriff genommen. Auch über neue mögliche Formen von autonomer und gleichberechtigter Organisation und Produktion von Öffentlichkeit Ansätze wurden diskutiert und ausprobiert. Nach der Auszeichnung letztes Jahr, bei der Diagonale 2000 wurde die Filmreihe in ganz Österreich und auf zahlreichen internationalen Festivals gezeigt. Eine rasche "Mobilisierung" hat so auch in der Filmszene die
Möglichkeiten einer aktiven Gegenöffentlichkeit aufgezeigt. Die
Festivalliste reicht von Nyon nach Berlin, bis London.
Phase 2 - Andenken neuer Ziele
Der Ausnahmezustand legte sich, der Kreis der Interessierten wurde kleiner. später wurde die Infrastruktur eines Büros und einer Eermittlerin genutzt um anwachsende organisatorische Probleme zu lösen. Die "offizielle" Filmszene nahm das Projekt jedenfalls gespalten auf. Hurch z.B. meinte, die Videos seien größtenteils "...als historische Dokumente und filmisch-Àsthetisch uninteressant"; - auf dieser Ebene anerkennt man intendierten Funktionswechsel und angelegte grenzüberschreitende
Arbeitsweisen nicht. Mittlerweile stellen sich schlichte Probleme von
ErschÃŒpfung, politischer Frustration, Verlagerung von Scihtweisen, Rückzug hinter die Grenzen von Partikularinteressen... (um deren überschreitung es allgemein ginge).
Und trotzdem. Bei den regelmäßigen Treffen der Gruppe versuchten wir trotz aller Organisationsschwierigkeiten die politische Dimensionen und etwaige Weiterentwicklung des Projekts nicht aus den Augen zu verlieren. Primäres Ziel des Projekts muß es einerseits sein (Gegen-)Öffentlichkeit zu schaffen und das Herstellen von Öffentlichkeit als politisch wichtige Selbstermächtigung zu begreifen. Die Videoherstellung und die Veröffentlichung sind als politische HandlungsMöglichkeit zu verstehen. Die Kunst der Stunde ist Wahrnehmungspolitik. Wie können wir gesellschaftliche
Vorgänge erfassen, begreifen und als soziale Praxis denken, wie
intervenieren? Andererseits geht es inhaltlich um die Erweiterung des Analysespektrums: Kann es dem Film gelingen, über die Dokumentation des Unmuts hinaus zu den konkreten gesellschaftlichen Themen vorzudringen, um so zu einem längerfristigen Diskurs beizutragen? An diese Frage schließt auch die von Thomas Korschil und Eva Simmler kuratierte dreiteilige Filmreihe "Politik bilden!" (Videoarbeiten als geselllschaftliche Praxis) bei der Diagonale 2001 an. Das Projekt der "Kunst der Stunde ist Widerstand" war Ausgangspunkt für Recherchen und
Programmierung: nach dem Politischen im Film abseits der offiziellen
Filmszene wird gesucht.
Videoarbeiten:
Das Spektrum der Videoarbeiten ist vielfältig und gibt sogleich Auskunft über kontextuelle Hintergründe und damit auch ihrer jeweiligen unterschiedlichen Funktionen (auch im verhältnis zum "offiziellen" Film). Alle suchen sie nach politischen Sichtweisen in der Wahrnehmung: Bei den meisten sogenannten "Demofilmen" wird das Video als Mittel von kritischer Beobachtung von Öffentlichkeit eingesetzt. Die Anwesenheit von Kamera nützt oft im Geschehen, daß eine breite Öffentlichkeit nicht sieht. Die Spate "Interviews und Essays" hingegen gibt intimeren Meinungen Raum um Positionen verständlicher zu machen. Bei den Videos, die sich mit
Medieninszenierungen beschäftigen wird zumeist der Zwiespalt zwischen Sprache und politischen und sozialen Gestus verdeutlicht. Aber auch Spots und Commercials sind stark im Spektrum vertreten. Waren es anfangs Spots gegen Schwarz-Blau die für die Mobilisierung von Gegenöffentlichkeit gefragt waren, wird die Tendenz zunehmend konkreter, Forderungsorientierter. Z.B.
laufen von get to attack regelmäßig Spots (u.a. zu Antidiskriminierung, und MigranntInnenwahlrecht) in den Kinos.
In der "Kategorie" experimenteller und künstlerischer Videos sind viele Filme die ausgesprochen medienreflexiv arbeiten vertreten, die
offensichtliche Strukturangriffe auf mediale Gewohnheiten starten. Dagegen stehen konkrete Momentaufnahmen von kreativen oder theatralischen Widerstandsaktionen und ihre Positionierung im öffentlichen Rahmen.
März Diagonale 2001
Die heurigen Videoarbeiten zur Diagonale-"Kunst der Stunde ist Widerstand" am 20.3. spiegeln widerum eine Vielfalt von politischer Phantasie in Spektrum und Positionierung. Sie dokumentieren einerseits Geschehnisse, Protestformen des Widerstands im letzten Jahr, andererseits entwickeln sich experimentelle Formen weiter. Trotz "Normalisierung" wurden wieder zahlreiche Arbeiten eingereicht, die den "Normalzustand" zu skandalisieren suchen und in ihrem rebellischen Ausdruck das flexibel handhabbare Videoformat wählen. Das Video ist schlicht und die BearbeitungsMöglichkeiten
verbreitern sich. Hatten vor allem die ersten Arbeiten letztes Jahr noch einen vorrangig ironischen, beissenden Unterton, war der Eindruck dieses Jahr bei der gemeinsamen Sichtung der Videoarbeiten anfang März beklemmend. Sie zeigen kein Selbstmitleid, aber sie spiegeln dennoch einen zunehmend unerträglichen Zustand.
Die Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl bemerkt dazu in der Reflexion "Seit einem Jahr wird gegen die blau-schwarze Regierung demonstriert": "Neuerdings entwickelt der Protest jedoch ein gewisses Faible für aussichtslose Anliegen, sowie Talent, auch das Scheitern mit Stil zu bewältigen. Im letzten Jahr wurde zwar nicht die Regierung beseitigt, dafür aber das Selbstmitleid. Das ist schon ein Anfang."
Im letzten Jahr hat sich die Normalität weiter nach Rechts verschoben. Bei der Demo "Ein Jahr Widerstand" war von einer Massenbewegung nicht mehr viel übrig. Liberale Gruppierungen, Intellektuelle und Künstler blieben den Demos zunehmend fern. Nach der anfänglichen Vernetzung spalten sich die liberalen
und die radikaleren, antirassistischen Fronten. Medien und Polizei hetzen fleiÃig mit. Die Politisierung derjenigen, die jetzt noch demonstrieren hat sich verändert: Es geht nicht nur um die Regierungsbeteiligung der FPÖ, sondern darum eine anti-nationale, antirassistische Position zu beziehen.
Das Video-Kollektiv "Die Kunst der Stunde ist Widerstand" fordert eine offensive anti-nationale und anti-rassistische Politik gegen die Made in Austria ein: für ein AusländerInnenwahlrecht, ein
Anti-Diskriminierungsgesetz, für offene Grenzen, ein offenes Kärnten, ein offenes Europa.
20. März, Diagonale 2001, Schubertkino II, 21h - GRAZ