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[ 03. Feb 2001 ]

Zdravstvuite tovarischi!

Rede von Ljubomir Bratic bei der Abschlusskundgebung der Demonstration "1 Jahr Regierung - 1 Jahr Widerstand" am Ballhausplatz am 03.02.2001

 

1961 ist die Raab-Olah-Vereinbarung unterzeichnet worden. In trauter Freundschaft, so die überlieferungen, haben damals Julius Raab, der präsident der Wirtschaftskammer, und Franz Olah, der präsident des Gewerkschaftsbundes, die Vereinbarung unterzeichnet, in der stand, dass Österreich bereit ist, 47.000 MigrantInnen aufzunehmen. Die MigrantInnen hießen damals "Gastarbeiter". Die Gewerkschaft, die eigentlich dagegen war, gab nach ein paar Zugeständnissen seitens der Wirtschaftskammer ihr Njet auf. So rieben sich alle die Hände, und es beginnt die vierzigjährige Geschichte der Migration nach Österreich, in der sich die oben genannten Vereine nach wie vor zufrieden die Hände reiben.

Die MigrantInnen aber stehen nach wie vor dort, wo sie am Anfang waren. Sie haben keine Rechte auf Rechte. Zu 70% arbeiten sie in drei Niedriglohnbranchen, im Baugewerbe, im Gastgewerbe und Reinigungsgewerbe. Und auch dort nur als HilfsarbeiterInnen. Sie verdienen bedingt durch das rassistische Ausländerbeschäftigungsgesetz durchschnittlich 15% weniger als lokal people und zahlen durch die Exklusivreservierung der Gemeindebauten für die lokal people 15% mehr für ihre Wohnungen.

Das sind ungefähr die rassistischen verhältnisse, aus denen das Austrian Network against Racism (ANAR) und die Wiener Wahl Partie entsprungen ist.

NaTürlich sind da auch die Ereignisse im letzten Jahr, der gemeinsame Kampf gegen die rechtsrassistische Regierung, die zu dieser Koalition der Szenen der Minderheiten, politisierten Künstlerschaft, AntirassistInnen, MigrantInnen und ihrer Kinder, der Zweiten Generation, geführt hat.

Aber diesen Boden hat man lange vorbereitet.

Dieser Boden ist der rassistische Konsens, in dem sich ein breiter Bevölkerungsteil Österreichs bereit erklärt hat, die MigrantInnen auszubeuten.

Auf diesem Boden sind alle sogenannten "Ausländergesetze" entstanden.

Auf diesem Boden herrscht ein Konsens darüber, dass die MigrantInnen überwacht gehören, dass es für sie notwendig ist, spezielle polizeiliche Einheiten zu schaffen, dass man in ihre Wohnungen und Unterkünfte wann man will eindringen kann, dass sie ununterbrochen und überall ihr Ausländerdasein mit einem Pass vorzuweisen haben, usw. Diese Liste lässt sich noch seitenweise fortsetzen, ohne dass wir dabei nur mit einem einzigen Wort die Benachteiligungen im sozialen, im kulturellen, im medialen, im wirtschaftlichen usw. Bereich erwähnen. Nicht einmal die Österreichische StudentInnenschaft, die demnächst vom 15. bis 17. Mai wählen wird, diese vermeintlichen Fahnenträger des intellektuellen Österreichs hat es bisher gewagt, ihren KollegInnen ohne Staatsbürgerschaft das passive Wahlrecht zu gewähren. Auch dort genießen die MigrantInnen einen marginalisierten Status in den sogenannten "Ausländerreferaten".

Die Rolle der Gewerkschaft, die eigentlich in anderen EU-ländern die Vorantreiber der Eingliederung der MigrantInnen in der Gesellschaft sind, ist durch das oben erwähnte, vor 40 Jahren begonnene Interessentechtelmechtel mit der Wirtschaftskammer in der Migrationspolitik verheerend. Bis heute kann man von diesem Verein behaupten, dass er ethnisch rein ist. Sie verweigern bis heute den MigrantInnen ein passives Betriebsratswahlrecht. Ich glaube, ich brauche hier nicht zu erwähnen, daß die BetriebsrätInnen die Sprungsbretter in alle gewerkschaftliche Funktionen sind.

Wohlgemerkt, ich rede hier nicht über Wirtschaft, ich rede auch nicht über die NachfolgerInnen von dem Antisemiten Karl Lueger und nicht über die offen rassistischen VertreterInnen der Partei, die vor eine Woche in der Kurhalle Oberla ihre Schlacht um Wien begonnen hat. Ich rede über den ganz normalen, von den meisten relevanten politischen Kräften vertretenen, rassistischen Wahnsinn.

Das ist der Boden, auf dem sich die MigrantInnen bis jetzt behauptet haben und auf dem sie sich in Zukunft auch behaupten werden. Denn der migrantische Widerstand ist da, auch wenn er, weil wir in verschiedenen Welten leben, von den VertreterInnen der ersten Welt der lokal people kaum oder ganz wenig wahrgenommen wird.

Dieser Widerstand hat verschiedene Formen gehabt und hat dazu geführt, daß wir, trotz der Herren, die eine überflutung Österreichs vermeiden wollen, und auch der Juristinnen darunter, die meinen, dass die MigrantInnen aus Afrika von Geburt aus kriminell und aggressiv sind, eine permanent steigende Kettenmigration in diesem Land haben. Da helfen keine rÃŒstigen Soldaten auf der Grenze, auch wenn sie alle zwei Meter Wache halten würden.

Da hilft nur die Bekämpfung und Abschaffung des Rassismus und zwar in allen Formen, in dem er uns begegnet. Und wir sollen da keinen Unterschied zwischen denen da drÃŒben im Parlament und denen, die sich hinter Ihnen verstecken und gleichzeitig ein rassistisches Gesetz nach dem anderen produzieren, machen.

Nicht die FPÖ hat Markus Omofuma umgebracht, und auch Lubomir B., Imre B und Richard Ibeque nicht, sie haben auch nicht die Operation Spring durchgeführt, sondern das oben beschriebene rassistische Konsensdenken, an dem alle relevanten politischen Kräfte partizipiert haben.

Das Ziel des Antirassismus ist, diesen Wahnsinn zu stoppen und die Wiener Wahl Partie macht das jetzt in Wien, was morgen auf der gesamten Bundesebene gemacht gehört. ANAR und die Wiener Wahl Partie, in der es erstmals in der Geschichte Österreich zu einer Koalition zwischen den antirassistischen, künstlerischen, MigratInnen der Ersten und Zweiten Generation und der Minderheiten kommt, fordert:

- Das Wahlrecht für alle in Österreich lebenden Menschen.

- Das passive Wahlrecht für Betriebsrats-, Arbeiterkammer- und Hochschülerschaftswahlen

- Zugang zu allen Berufen im öffentlichen Sektor

- Gezielte Personalzusammensetzungs- und Förderungspläne zugunsten diskriminierter Minderheiten

- Zugang zu Wohnungen im öffentlichen Wohnbau und zu WohnbauFörderung

- Gleichstellung bei allen Sozialleistungen

- Ein ehrliches Antidiskriminierungsgesetz

- Arbeitsbewilligungen für Flüchtlinge

- Erleichterung bei der Staatsbürgerschaftsvergabe sowie Forcierung einer Wohnbürgerschaft

- Besetzung der leitenden Funktionen im Integrationsbereich mit MigrantInnen

Abschließend möchte ich noch auf die Unterschriftenaktion der Bunten Demokratie für Alle hinweisen. Das ist ein Petitionsbrief an die Integrationsstadträtin und die gesamte SPÖ. Es ist genug mit Versprechen und leeren Worten. Jetzt haben sie die Gelegenheit, das Wahlrecht für die MigrantInnen auf der Bezirksebene einzuführen. Jetzt ist die Koalitionstreue zur ÖVP keine Ausrede mehr. Entsprechende politische Schritte sind schon getan worden. Zur Zeit weigert sich die SPÖ, den Ausschuss einzuberufen, wo das beschlossen werden kann. Das heißt für uns wieder nur Lippenbekenntnisse. Wir fordern Wahlrecht für die MigrantInnen und zwar jetzt und hier. Und wir akzeptieren keine Ausreden mehr. Wer das jetzt nicht tut, zeigt damit sein bzw. ihr wahres Gesicht. Wer sich dem Wahrecht für MigrantInnen in den Weg stellt, ist ein(e) RassistIn.

Gegen Rassismus, gegen Sexismus, gegen Klassismus!

für eine Gesellschaft, in der alle Menschen gleich sind!

Ljubomir Bratic ist Bundessprecher von ANAR. Dieser Text ist Teil der kampagne der Wiener Wahl Partie (WWP). www.wwp.at