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[ 13. Mar 2001 ]

'e-border' - ganzheitliches Bordermanagement?

Bei "e-border" handelt es sich um ein Kontrollsystem, dass mithilfe eines elektronischen "Verifiers" einem "intelligenten Lesegerät", die Echtheit von Ausweisen und Sichtvermerken unmittelbar feststellen kann und außerdem die Kombination mit biometrischen Verfahren, zum Beispiel zur Gesichtserkennung erlaubt.

 

Wenn sich ein ehrwürdiges Unternehmen wie die Bundesdruckerei den Herausforderungen der Globalisierung stellt, kann das erstaunliche Blüten treiben. Auf der CEBIT will der ehemalige Staatsbetrieb, der längst nicht mehr nur Geld und Pässe druckt, "gleich eine Vielzahl von Messeneuheiten" vorstellen. Das Glanzstück liegt nun wirklich voll im Trend und heisst: "Ganzheitliches Bordermanagement".

Mit "e-border" wäre das bestimmt nicht passiert: Mehrere Stunden wurde Makongoro Nyerere am 20. Februar auf dem Münchner Flughafen von Beamten des Bundesgrenzschutzes festgehalten. Der Sohn des ersten tansanischen Präsidenten war auf Einladung des Münchner Kulturreferats angereist, um an einer Konferenz im Rahmen von Okwui Enwezors Ausstellung "Short Century" über Menschenrechte zu referieren. Doch der BGS musste erst einmal eingehend prüfen, ob kein Fall von "Visumserschleichung" vorlag. Sowas kann dauern und in diesem Zusammenhang wurden dann von den Beamten auch eher grundsätzliche Fragen aufgeworfen wie: "Was will der hier überhaupt, der Schwarze aus Afrika?" Nyerere hatte Glück, dass ihn seine Abholerin, eine Vertreterin des Kulturreferates nach über zwei Stunden endlich ausfindig machen und aus dem Polizeigewahrsam befreien konnte. Das Münchner Kulturreferat prüft nun rechtliche Schritte und Oberbürgermeister Ude verlangt eine Aufklärung des Vorfalls.

"Racial Profiling" heißen solche Polizeimethoden im angelsächsischen
Sprachraum und selbst US-Präsident Bush wies kürzlich seine
Administration an, nach geeigneten juristischen Schritten zu suchen, um Kontrollen auf der Basis einschlägiger ethnischer Vorurteile zu stoppen. Auch in der EU gibt es eine Richtlinie, nach der derlei Diskriminierungen eigentlich als Dienstvergehen geahndet werden müssten. Nicht in Deutschland und erst recht nicht an Flughäfen, Bahnhöfen oder wo sonst noch die zur Schleierfahndung ausgeweiteten Grenzkontrollen stattfinden. Dort lautet das Prinzip offenbar: Je dunkler der Teint, desto größer die Wahrscheinlichkeit, einige Zeit in Obhut der allgegenwärtigen Grenzschützer zu verbringen.

Die Bundesdruckerei scheint hier nun eine Marktlücke entdeckt zu haben. Ihr neues Produkt "e-border" verspricht nichts weniger als eine "Revolution" des Grenzwesens. Dabei handelt es sich um Kontrollen, die mithilfe eines elektronischen "Verifiers" erst richtig effizient gemacht werden sollen und derzeit in ersten Pilotversuchen getestet werden. Der "Verifier" sei ein "intelligentes Lesegerät", das die Echtheit von Ausweisen und Sichtvermerken unmittelbar feststellen kann und außerdem die Kombination mit biometrischen Verfahren, zum Beispiel zur Gesichtserkennung erlaubt.

"Von der elektronisch unterstützten Organisation der Passagierströme haben alle Beteiligten Vorteile", preist die Bundesdruckerei ihre Grenz-Innovation. "Die Wartezeiten am Check-in Schalter auf Flughäfen und bei Grenzkontrollen verringern sich, die Sicherheitsbeamten werden entlastet." Der Ansatz von "e-border" sei "ganzheitlich", was zunächst einmal daran zu erkennen ist, dass die Bundesdruckerei zugleich Hersteller der Dokumente wie der Überprüfungssysteme ist und dadurch eine wirklich "einzigartige Kompetenz" aufweist.

Die "Ganzheitlichkeit" der elektronifizierten Grenzen dürfte vor allem
darin bestehen, dass Kontrollen künftig in Echtzeit durchzuführen sind. Es gehört nicht viel dazu, vorauszusagen, dass sich dadurch die gesamte Logik der Überwachung verschiebt und es bald nicht mehr darum gehen wird, anhand subjektiver Kriterien Einzelpersonen im Strom der Passagiere Passanten auszumachen, um sie dann einer langwierigen Sonderbehandlung zu unterwerfen. Die Kontrollen werden verdachtsunabhängig, insofern sie alle Passanten gleichermassen treffen, und ohne, dass diese davon noch viel mitkriegen.

Darüber, wer sich wo und wie lange aufhalten darf, entscheiden dank "e-border" und jeder Menge anderer Hard- und Software wohl bald neue Profile: Nutzerprofile, die nicht nur alle möglichen Gewohnheiten und Vorlieben enthalten, sondern vor allem über eines Aufschluss geben sollen: Wer nützlich ist und wer nicht. Mithilfe entsprechender "Cookies" dürfte es ein Leichtes sein, sofort den Business-Nomaden, der aus wirtschaftlichen Gründen willkommen ist, von nutzlosen Gesellen zu trennen, die eine Grenze aus eher undurchsichtigen Motiven überschreiten wollen. Gleichzeitig sind derlei Kontrollen heute schon längst nicht mehr auf die Grenzen der Nationalstaaten beschränkt, sondern überziehen Innenstädte, Verkehrsknotenpunkte und überregionale Verkehrswege gleichermaßen wie halb- oder nichtöffentliche Räume, zum Beispiel den Arbeitsplatz. Diese neuen Grenzen sind virtuell, nicht nur weil jederzeit mit einer Kontrolle gerechnet werden muss, sondern der physikalische Raum kurzgeschlossen wird mit Datenbanken und Datenströmen, aus denen die entsprechenden Zugangsberechtigungen bezogen werden. Traditionelle Grundrechte wie Bewegungsfreiheit und Freizügigkeit werden so immer enger verknüpft werden mit der Frage nach informationeller Selbstbestimmung.

Bis es aber soweit ist, hat sich eine Gruppe beherzter Aachener einer aktuellen Herausforderung gestellt: "Bürger beobachten den
Bundesgrenzschutz" heisst ein Bündnis, das nach dem Vorbild der
us-amerikanische "Copwatch"- Initiativen ins Leben gerufen wurde, "um gegen den alltäglichen Rassismus am Aachener Hauptbahnhof, der zentralen Einsatzstelle des BGS, vorzugehen". Übergriffe und Kontrollen, die auf offenbar "racial profiling" basieren, sollen den Aktivisten gemeldet werden, um erfasst und analysiert zu werden.

Florian Schneider