Am 14. Juli 2011 wurde das autonome Zentrum im besetzten Lobmeyrhof in Wien Ottakring von der Polizei geräumt. Das für 15. Juli 2011 um 15:00 geplante Fest in Erinnerung an den kürzlich verstorbenen Dieter Schrage findet nun vor dem Haus in der Lorenz- Mandl- Gasse, Ecke Wernhardtstraße statt.
Wien, 15.07.2011 - Gestern früh wurde der seit Anfang Juli besetzte Lobmeyrhof in Wien Ottakring von Polizei und WEGA geräumt. Wir bauten innerhalb kürzester Zeit einen Raum auf, in dem verschiedenste Initiativen entstanden, Menschen selbstbestimmt wohnen konnten und bereits in kurzer Zeit viele soziale und kollektive Projekte entstanden. Gleichzeitig war der Hof ein vibrierender Anlaufpunkt für unzählige Menschen, die für die Verwirklichung ihrer Ideen akuten Raumbedarf haben.
Wir fordern von der Stadt Wien, einer Öffnung und selbstverwalteten Nutzung des Gebäudes nicht länger im Wege zu stehen.
Laut SPÖ-Wohnbaustadtrat Ludwig Lügner gingen die BesetzerInnen freiwillig aus den Häusern, was jedoch in keiner Weise richtig ist. Der zuständige Stadtrat lügt hier bewusst und mit Kalkül: Anbrüllen, Beleidigungen, Würgegriffe und Schläge gehörten zur Begleitmusik der Räumung. Weder die behauptete Kontaktaufnahme durch Wiener Wohnen entspricht der Wahrheit, noch die letzte Ankündigung, am 14.7. mit uns einen Verhandlungstermin einzugehen. Auch die Behauptung von Ludwigs Sprecher Hanno Csisinko, die Mieterhöhungen wären sozial verträglich, kann wohl kaum als richtig bezeichnet werden. Nach Aussagen von MieterInnen, die sich auf Angaben von Wiener Wohnen beziehen, würden diese rund 50 % betragen, was in etwa dem Wert entspricht, den ehemalige BewohnerInnen nun für die von der Stadt zugewiesenen Ersatzobjekte mehr zahlen.
Den scheinbar fix und fertigen Sanierungsplänen der Stadt ist auch nicht unhinterfragt Glauben zu schenken. Die Erfahrung zeigt, dass viele Gebäude mutwillig dem Verfall preisgegeben werden, um Neubauten Platz zu machen. Dabei werden die meisten BewohnerInnen vertrieben, da sie sich die erhöhten Mieten in den aufgewerteten Gebäuden nicht mehr leisten können.
Als Reaktion auf die Räumung haben wir gestern die Parteizentrale der Wiener Grünen in der Lindengasse besetzt. Den Kuschelkurs den sie seit Jahren mit autonomen und anarchistischen Initiativen fahren, haben wir satt. Durch Solidaritätserklärungen geben sie vor sich auf unsere Seite zu stellen. Mittlerweile schaffen sie es nicht einmal mehr, grundlegende Kritik gegenüber der SPÖ zu üben. Dass sie selbstorganisierte Alternativbewegungen nicht aktiv unterstützen, und ihre vor allem rhetorische Solidarität trotzdem auf ihre Fahnen heften, können wir so nicht länger akzeptieren.
Wir wollen die Grünen an ihre Verantwortung erinnern, zu gesellschaftlichen Alternativen Farbe zu bekennen und sich aktiv für selbstverwaltete Räume einzusetzen.
Am Begräbnis des Anarchisten und langjährigen Förderers herrschaftsfreier Räume Dieter Schrage, waren seitens grüner FunktionärInnen noch wohlwollende Worte zum Lobmeyrhof zu hören. Außer Lippenbekenntnissen kam jedoch wenig von der Grünen Partei, welche im Koalitionsabkommen mit der SPÖ auch eine Zwischennutzung leer stehender Objekte vorgesehen hat.
In Erinnerung an den unbequemen und kritischen Geist Dieter Schrage, findet heute ab 15:00 Uhr vor dem bis Donnerstag besetzten Lobmeyrhof in der Lorenz-Mandl-Gasse ein Straßenfest statt. Obwohl Schrage einer der zentralen Figuren bei den Grünen SeniorInnen war, sind die Grünen heute nicht einmal bereit, uns ein paar Bierbänke auszuleihen, obwohl sie uns gestern noch Honig um's Maul geschmiert. Wir laden trotzdem zur szenischen Lesung, Musik und Spektakel. Voller Herz, Wut und Unbeugsamkeit. Erdäpfelgulasch inbegriffen.
Weitere Informationen:
Blog: http://autonomizethecity.blogsport.eu
Feature: https://at.indymedia.org/node/20901
Kontakt:
email: autonomeszentrum (at) riseup.net
Infotelefon: 0699 144 56 187
Trotz Räumung: Ein Fest für Dieter Schrage
Der Lobmeyerhof wurde soeben geräumt, alle Anwesenden erkennungsdienstlich behandelt. Die rotgrüne Stadtregierung hat ihr ordentliches Gesicht gezeigt:
Ein leerstehender Hof darf nicht einmal einen Sommer lang von Leuten benützt werden, um Leben ins Grätzel zu bringen, Kunst und Kultur zu produzieren, ein Zusammenleben auszuprobieren, in dem nicht alles auf Geschäft und Gegengeschäft beruht. (Das wären ja eventuell wieder ein paar Hundert Leute, die in dieser großen Schule des Lebens, die so eine Besetzung darstellt, lernen, miteinander ohne Polizei und Befehlskette und Hierarchie und Unterwerfung gut zurechtzukommen. Solche Selbstbefreiung aus der Unmündigkeit können Herrschende nie brauchen, auch rotgrün Herrschende natürlich nicht.)
Die großmäulige Ansage des Kulturstadtrates vor der Wahl, Zwischennutzungen leerstehender Gebäude für Kunst.- und Kultur seien erwünscht, war nur eine Wahlkampflüge.
Schmerzlich wird der Verlust des großen Vermittlers zwischen den politischen Welten, Dieter Schrage, bewusst.
Natürlich wird im Sinne Dieter Schrages die Lesung seines Theaterstückes "Die Tat des Anarchisten Lucheni oder È finita la commedia" morgen trotzdem dort stattfinden.
Um 18.30 auf dem großen Parkplatz vor dem Lobmeyerhof in der Lorenz Mandl Gasse wird Lucheni erklären warum er Sissi erdolchte.... oder besser: erfeilte...
Die Lesung wurde von uns als Kundgebung angemeldet und es wird "Wiener Kartoffelgulasch à la Dieter Schrage" geben!
Ab 15 Uhr werden die Erdäpfel geschält, Erinnerungen an Dieter ausgetauscht, Pläne für den weiteren Sommer der Anarchie geschmiedet etcetc...
Bis morgen!
P.S.
Protestmails an
maria.vassilakou (at) wien.gv.at
und
michael.ludwig (at) wien.gv.at
und
andi.mailath (at) gku.wien.gv.at
können nicht schaden...
DIETER SCHRAGE, 28.6.1935 - 29.6.2011
Dieter Schrage war von allen Unbequemen dieser Stadt der Liebenswürdigste: Unermüdlich und doch stets verschmitzt in Bewegung für die Schaffung herrschaftsfreier Räume entwarf er das Freie Kino, bastelte an der besetzten Arena mit, kuratierte sozialkritische Kunst, unterstützte alle möglichen Hausbesetzungsbewegungen und -bestrebungen, hielt Vorträge, Reden, Seminare und ging mit Obdachlosen ins Museum, etc., etc. Und bei all dem war er ein nicht aus der Ruhe zu bringender Pazifist und widmete sich dem, was Pierre Ramus - dem er eine ganze Gesellschaft gründete - so formulierte: "Die Umgestaltung der Gesellschaft durch die gewaltlose Revolution, mit den Mitteln des Wortes, hin zu wahrer Herrschaftslosigkeit". Sein Herz, das immer offen war für Kritik und Subversion, ist nun völlig unerwartet stehen geblieben.
In Erinnerung an Dieter werden wir am Freitag , den 15.Juli 2011
im frisch besetzten Lobmeyer-Hof in der Roseggergasse 1-7 in Ottakring
ein Fest für Dieter Schrage
veranstalten.
Programm:
15-18.30 Uhr: Picknick oder Chillen im parkähnlichen Hinterhof, Unterstützung der BesetzerInnen durch tatkräftige Mithilfe, Ideen, Eure Beiträge zum Gedenken an Dieter.....
18.30 szenische Lesung von Dieter Schrages Theaterstück über den italienischen Anarchisten Luigi Lucheni, der Kaiserin Sissi erstach
"Die Tat des Anarchisten Lucheni oder È finita la commedia"
durch das VOLXTHEATER FAVORITEN
Anschließend Musik.
Informationen zur Besetzung unter: Infotelefon: 069914456187
Anfahrt: U 3 Kendlerstraße,
Straßenbahn 46 und Bus 48 A Joachimsthalerplatz,
Straßenbahn 10 Gutraterplatz
Quellen: Aussendungen der BesetzerInnen vom 15. und 14. Juli 2011, Einladung zum Fest für Dieter Schrage vom 12. Juli 2011.