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[ 13. Nov 2003 ]

Zweifelhaftes Gutachten stellt fest: Kreislaufversagen und Herzfehler

Fast vier Monate nach dem Tod von Seibane W. ist das letzte gerichtsmedizinische Gutachten fertig.

 

Fast vier Monate nach dem Tod von Seibane W. ist das letzte gerichtsmedizinische Gutachten fertig. Es hätte klären sollen, was letztendlich ausschlaggebend war, doch genau diese entscheidende Frage lässt der Gutachter Dr. Risser offen, angeblich sei Seibane Wague an Kreislaufversagen sowie aufgrund eines Herzfehlers gestorben, es wurden jedoch auch Prellungen und Verletzungen im Nackenbereich festgestellt, die auf die Misshandlungen der Polizei Rückschliessen lassen.
Ein Amateurvideo des Einsatzes in der Nacht auf den 15. Juli zeigte Seibane Wague gefesselt in Bauchlage am Boden. Eine Polizistin und SaniTäter knieten auf ihm. Der Notarzt gab ihm eine Beruhigungsspritze. Wenig später war der Mann tot.
Ein Bericht über das Gutachten und die Forderungen des Menschenrechtskomittee Seibane.


Bericht über das Gutachten von Dr. Risser

Der Falter veröffentlichte das gerichtsmedizinische Gutachten im Fall des im Stadtpark unter mysteriÃŒsen Umständen zu Tode gekommenen Mauretaniers Seibane Wague. Die wesentlichen Punkte des gerichtsmedizinischen Gutachtens laut Falter-Aussendung:
- Tod durch schwaches und krankes Herz
- keine harten Drogen im Blut
- "nur" Haschisch
- Verletzungen und Blutunterlaufungen im Nackenbereich
- Wesentliche Fragen der Justiz bleiben unbeantwortet
- Amtshandlung wird trotz Video falsch geschildert

Der Afrikaner, so Rechtsmediziner Danielle Risser in seiner Expertise, "ist im nicht beherrschbaren Kreislaufversagen gestorben." Risser fand bei der Obduktion einen "offenbar angeborenen Herzklappenfehler", der bereits "durch viele Jahre zu einer massiven Schädigung des Herzens mit zunehmender Reduktion der Herzleistungsfähigkeit geführt hatte".

Der Mitarbeiter des sogenannten Afrikadorfes hatte am Abend seines Todes allerdings "zweifelsfrei" (Gutachten) und heftig an einer Haschzigarette gezogen. Da Seibane Wague dabei "überdurchschnittlich gutes Haschisch" (aus dem Protokoll) verwendet hatte, war mit "intensiven Nebenwirkungen zu rechnen". Weil Wague ein krankhaft vergrößertes und äußerst schwaches Herz hatte, habe er die hektische nächtliche Amtshandlung nicht überlebt.

Nadja Lorenz, die anwältin der Witwe Wagues kritisiert im Falter, dass wesentliche Fragen der Justiz im Gutachten "völlig unbeantwortet" bleiben: Die Untätigkeit des Notarztes und die umstrittene Fixierung in Bauchlage werden nicht thematisiert. Der Rechtsmediziner habe nachweislich falsche Polizeiprotokolle verwendet. In seinem Gutachten hält Risser lapidar fest: "Es heißt dann weiter, Wague habe im Rettungswagen das Bewusstsein verloren und danach seien eben im Rettungswagen Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet worden."
für Lorenz wäre es wünschenswert, wenn die Todesursache noch durch weitere medizinische Sachverständige untersucht würde.

Das Video zeigt indes völlig andere Szenen. Minutenlang liegt da Wague regungslos unter den Füßen der Einsatzkräfte. Das Gutachten bleibt auch in anderen wesentlichen Fragen unklar: "Der enge zeitliche Zusammenhang zum inkriminierten Geschehen legt nahe, dass hier auch ein ursächlicher Konnex zum tatsächlich eingetretenen tödlichen Ausgang besteht.", so Risser. Seibane Wague sei den "massiven körperlichen, wie auch geistig seelischen Belastungen im Zuge des Geschehensablaufes offenbar nicht gewachsen" gewesen.

Ein paar Worte findet Risser zur vermuteten Erstickung in Bauchlage: "Zu überlegen wäre (...) ob eine Kompression des Brustkorbes stattgefunden hat, die über eine Behinderung der Atmung wirksam geworden sein könnte." Doch Risser winkt vier Zeilen weiter gleich wieder ab: ein "entsprechendes pathologisch- anatomisches Korrelat (....) in Form so genannter Stauungszeichen ist nicht hervorgekommen."

Brisant ist das Gutachten aber für die Polizei, die Wague laut Zeugenaussagen mit Schlägen auf den Hinterkopf misshandelt haben soll. Risser protokollierte nicht nur seitenweise "Blutunterlaufungen" an Armen und Beinen, sondern auch "blutige DurchtrÀnkungen" in der Nackenregion. Nun liegt der Fall bei der Justiz. Die Untersuchungsrichterin hat bis heute keinen einzigen Zeugen des Vorfalles persönlich einvernommen.

Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass sie das letzte gerichtsmedizinische Gutachten erhalten hat. Zum Inhalt gibt man sich allerdings bedeckt. Auf Grundlage des Gutachtens müssten jetzt der Notarzt und einige Zeugen einvernommen werden. Erst dann werde entschieden, ob und gegen wen Anklage erhoben wird. Diese Entscheidung soll noch heuer fallen.

Derzeit laufen Vorerhebungen gegen den diensthabenden Notarzt und gegen unbekannte Täter. Es besteht der Verdacht der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Umständen.


Das Menschenrechtskomittee Seibane stellt nach Veröffentlichung der Berichte über das Gutachten von Dr. Risser folgende Forderungen:

- Die falsche Darstellung des Gutachtens, wonach Seibane Wague erst im Rettungsauto das Bewusstesein verloren habe, ist umgehend ein Gutachten von einem unbefangenen Gerichtsmediziner, der außerhalb von Österreich wirkt, einzuholen.

- Das Gutachten ist in vollem Umfang zu veröffentlichen, ebenso die weiteren in Auftrag gegebenen.

- Die im Gutachten erwähnten Verletzungen im Nackenbereich stimmen mit den Zeugenaussagen überein. Die Anzeige gegen unbekannt hat demzufolge in Anzeige gegen die amtshandelnden PolizistInnen umgehend abgeändert zu werden.

- Der Rettungsarzt, der angegeben hat, dass die Sicherheitskräfte ihn an seiner Handlung gehindert hätten, hat selbst Klärungsbedarf: Warum hat er nicht umgehend am 16. Juli eine Sachverhaltsdarstellung gegeben und die Behinderung zur Anzeige gebracht? Welche maßnahmen hat er trotz Behinderung ergriffen, um die SauerstoffsÀttingung des Blutes zu überccen, wie es den Vorschriften entspricht?

- Der Innenminister wird aufgefordert, die Namen der Exekutivorgane zu nennen, die in der Amtshandlung am Heumarkt beteiligt waren und zu klären, welche ident mit jenen sind, die in der Amtshandlung vom März dieses Jahres in der Innenstadt eine Amtshandlung zu verantworten haben, die eine Lungenblutung zur Folge hatten.

Weiters ist die Beantwortung der Anfrage der Grünen durch den Innenminister erfolgt: Er schreibt darin u.a.: "Die Fixierung einer in Bauchlage befindlichen Person mit den FÃŒssen bzw. Beinen ist den Vorschriften zum "Einsatztraining/Instruktionen für die Exekutive in Österreich - Kapitel Fixiertechniken" vorgesehen.

Diese Aussage des Innenministers entspricht nicht den Tatsachen: Entweder kennt er die Vorschriften nicht, die er selbst herausgibt oder Er lÃŒgt.

- Da davon auzugehen ist, dass der Innenminister seine Vorschriften kennt, ist davon auszugehen, dass strafffrei gesagt werden darf:

Innenminister Dr. Ernst Strasser ist ein LÃŒgner

Er soll zurücktreten.

Im Übrigen gilt, dass Menschenrechte nur in Bananenrepubliken nach Gutdünken gewährt werden. In Demokratien sind die Menschenrechte Bestandteil geltender Gesetze.