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[ 31. May 2000 ]

Gegenschrift der Polizei zur Razzia in der Sonnwendgasse

Die Gegenschrift der BPD Wien Kriminalbeamteninspektorat beteuert in einer schriftlichen Stellungnahme an den UVS, dass die Razzia rechtens war und kein Fehlverhalten der einschreitenden Beamten vorlag.

 

BUNDESPOLIZEIDIREKTION WIEN
1010 Wien, Schottenring 7-9, Tel.: 31 310-0 *

An den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien
Muthgasse 64 1190 WIEN
AZ.: (Bitte bei Antwort angeben) P349/a/00
Sachbearbeiter Rat Dr. W. Nebenstelle 7175
Datum 31.5.2000
Betreff: GZ.: UVS-02/11/2626/2000/2

Beschwerdeführer: mj. A. E. C. vertreten durch J. L. S.
Sonnwendgasse 22/4/407 1100 Wien vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Wolfgang RAINER 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74

Belangte behörde: Bundespolizeidirektion Wien 1010 Wien, Schottenring 7-9
A. ÄUSSERUNG B. GEGENSCHRIFT - Seite 2 -
A. Die Bundespolizeidirektion Wien zweifelt die Vertretungsmacht des Einschreiters an und ersucht daher, von diesem die Vorlage seiner Vollmacht zu verlangen.

B. Die Bundespolizeidirektion Wien verweist zunächst auf ihre Gegenschrift zu GZ: UVS-02/32/2663/2000, mit der die bezughabenden Verwaltungsakten dem UVS Wien übermittelt worden sind. Weiters erstattet die Bundespolizeidirektion Wien nachfolgende GEGENSCHRIFT.

I. SACHVERHALT

Die belangte Behörde erhielt von einem Informanten detaillierte Hinweise über eine ca. 15-Köpfige Tätergruppe, die vom Objekt Wien 10., Sonnwendgasse 22 aus Suchtgifthandel betrieb. Mitglieder dieser Tätergruppe waren namentlich bekannt. Der JGH Wien erteilte daraufhin am 16.2.2000 (zunächst nur mündlich) einen Hausdurchsuchungsbefehl für mehrere in dem o.a. Haus gelegene räume. Unter diesen räumen befand sich auch das Zimmer der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: "BF"). In den Morgenstunden des 17.2.2000 nahmen Kriminalbeamte unter der Leitung des SicherheitsBüros die gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchungen vor. Angehörige der Alarmabteilung wirkten an der Amtshandlung mit. Der Versuch einer Nachsperre mittels eines passenden Zimmerschlüssels scheiterte, weshalb die ZimmerTür von den SWB W. S., M. L. und G. S. gewaltsam geÖffnet wurde. Das Zimmer wurde anschließend von den Krb Bzl H. und L. durchsucht. Die weibliche Krb Insp W. visitierte die BF. Die Personsdurchsuchung erfolgte in einem Duschraum bei geschlossener Tür und ohne Anwesenheit eines männlichen Beamten. Weder der Mutter der BF und schon gar nicht dieser selbst wurde aufgetragen, vor ihrem Zimmer stehenzubleiben. Auch wurde weder der Mutter der BF und schon gar nicht dieser selbst verboten, für zwei Stunden ihr Zimmer zu betreten. Vielmehr waren beide Personen nur während des zur Durchsuchung notwendigen Zeitraums an der Benützung des Zimmers gehindert. Beweis: vorgelegter Verwaltungsakt

II. RECHTSLAGE

Die BF erachtet sich durch die Durchsuchung ihres Zimmers, durch die behaupteten Freiheitsbeschränkungen während der Dauer des Einsatzes sowie durch die Personsdurchsuchung in ihren Rechten verletzt.

l. Die Judikatur des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofs qualifiziert ein faktisches Organhandeln dann als AusÃŒbung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang auc und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Voraussetzung für die Qualifikation als unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehlsund Zwangsgewalt ist daher das Vorliegen eines Aktes einer Verwaltungsbehörde. Akte der Gerichtsbarkeit unterliegen nicht der überPrüfung durch den UVS gemäß Art. 129a Abs. l Z 2 B-VG (vgl. Judikatur des VfGH-zur Art. 144 B-VG vor der B-VG-Novelle 1988: VfSIg. 4006, 4210, 8627). Insbesondere ist in der Erlassung eines Hausdurchsuchungsbefehls seitens des Gerichts ein Akt der Gerichtsbarkeit zu erblicken (VfSIg. 8248).

Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, wurde die gegenständliche Hausdurchsuchung vom JGH Wien angeordnet. Die Tatsache der Durchsuchung des verfahrensgegenständlichen Zimmers ist daher nicht mittels maßnahmenbeschwerde bekämpfbar. Erfolgt eine Hausdurchsuchung aufgrund eines richterlichen Befehls, so ist auch die diesbezügliche Vorgangsweise dem Gericht zuzurechnen und daher vom UVS nicht überprüfbar. Die Modalitäten und die näheren Umstände, unter denen die Hausdurchsuchung erfolgte, sind keine vor dem UVS selbständig bekämpfbaren maßnahmen. Diese Auffassung entspricht der ständigen Judikatur des VfGH (VfSIg. 11098, 11783), der auch der VwGH folgt (VwGH 23.9.1998,97/01/1084, 1085 und 1087).

Zur Personsdurchsuchung ist auszuführen, daß diese Teil der gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung war. Der VfGH hat in diesem Zusammenhang ausgesprochen, daß es zur ordnungsgemäßen Vornahme einer Hausdurchsuchung gehört, alles zu verhindern, was geeignet wäre, den Zweck der Durchsuchung zu vereiteln, insbesondere zu verhindern, daß Gegenstände beiseite geschafft werden, auf deren Zustandebringung die Durchsuchung gerichtet ist. In diesem Sinn kann auch eine aus Anlaß einer Hausdurchsuchung durchgeführte Personsdurchsuchung innerhalb der durch den richterlichen Auftrag erteilten Ermächtigung liegen (VfSIg. 9585). Gerade einen solchen Fall stellt der vorliegende Sachverhalt dar. Auch die Personsdurchsuchung liegt daher nicht in der Kognitionsbefugnis des UVS.

2. Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, wurde die BF, außer für die kurze Zeit der Personsdurchsuchung, nicht dazu verhalten, an einem bestimmten Ort zu bleiben oder ihr Zimmer für zwei Stunden nicht zu betreten. Die Bundespolizeidirektion Wien stellt daher den ANTRAG, die Beschwerde kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen. Beantragt wird weiters der Zuspruch des Schriftsatzaufwands gemäß § l der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der AusÃŒbung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Aufwandersatzverordnung UVS), BGB1. Nr. 855/1995, verzeichnet.

für den Polizeipräsidenten
Dr. PURSTL


BUNDESPOLIZEIDIREKTION WIEN Kriminalbeamteninspektorat
Zahl: KI-3-305/2/2000


An Rechtsanwalt Dr. Wolfgang RAINER
Schwedenplatz 2/74 1010 Wien

Wien, am 20. Juni 2000

Referent: WINKLER, Hptm.

Telefon: 313-10/7796
Fax: 313 10/7977

EINGELANGT 2 3, Juni 2000
Frist Betreff: V. L., A. E. C., C. N., M. N., M. L., J. L. S.
Amtshandlung vom 17.02.2000 - Hausdurchsuchung in Wien 10., Sonnwendgasse 22 behauptete Richtlinienverletzung Sachverhaltsmitteilung.

Bezug: P267/f/00 Zu den vorliegenden Beschwerden vom 24.03.2000, 26.03.2000 und 29.03.2000 wurde unbeschadet der maßnahmenbeschwerde, welche ein Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Folge hat, bezüglich den behaupteten Richtlinienverletzungen zunächst eine Klaglosstellung gem. § 89/3 SPG zu erwirken versucht. Da eine Klaglosstellung mit den Beschwerdeführern nicht erreicht werden konnte, siehe beiliegenden Aktenvermerk, wird Ihnen, als Rechtsvertreter der Beschwerdeführer, folgende Sachverhaltsdarstellung gem. § 89/2 SPG durch das Kriminalbeamteninspektorat übermittelt:

Bei der gegenständlichen Amtshandlung handelte es sich um die Vollziehung eines gerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehles des Jugendgerichtshofes Wien zur Zahl: 5 VR 51/00 (Aktenzahl des SB: II- 22.432/SB/OO) gegen M. T. u.a. wegen § 28ffSMG Zu den einzelnen Beschwerdepunkten betreffend angeblicher Verletzung der Richtlinienverordnung wird Ihnen folgendes mitgeteilt:

1. angeblich durchgeführte Anal- und Vaginalvisitation bei BV C. N.T, M. L.:

Es ist richtig, daß bei M. L. und C. N. Personsdurchsuchungen durchgeführt wurden. Diese Durchsuchungen wurden von weiblichen Exekutivbeamtinnen vollzogen. Im Zuge der Durchsuchungen wurden M. L und C. N. von den einschreitenden Beamtinnen aufgefordert, sich zu entkleiden. Dies insbesondere deshalb, da es bei einer Amtshandlung wegen Verdachtes auf Suchmittelhandel bzw. Suchtmittelmißbrauches aufgrund der polizeilichen Praxis davon ausgegegangen werden muß, daß die mit dieser Amtshandlung in Zusammenhang stehende Personen an ihrem körper Suchtmittel verstecken. Diese Durchsuchungen wurden unter Beachtung der notwendigen Schicklichkeit und des Anstandes durchgeführt. Während der Durchsuchungen blieben auch die Türen verschlossen und kein männlicher Beamter hat Einsicht genommen. Es ist widerspricht aber jeder polizeilichen Praxis, daß bei einer Personsdurchsuchung eine Anal- oder Vaginalvisitation durchgeführt wird. Dies darf nur von einem Amstarzt durchgeführt werden. Dies ist Bestandteil jeder polizeilichen Ausbildung und kann auch davon ausgegangen werden, daß diese an sich eher unangenehme tätigkeit ganz sicher nicht von den einschreitenden Beamtinnen von sich aus durchgeführt wurde.

2. angeblich keine Inkenntnissetums der BV C. N., M. L. und L. J. S. über ihr Recht auf Verständigung oder Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes

übereinstimmend wurde von den einschreitenden Beamten angegeben, daß die o.a. Beschwerdeführer teilweise in Deutsch, teilweise in Englisch über ihre Verständigungsrechte und des Rechtes auf Beiziehung einer Vertrauensperson in Kenntnis gesetzt wurden. Dies erscheint deshalb absolut glaubwürdig, da schon im Zuge der Vorbesprechung bei der Unterweisung durch die Leitenden Beamten auf die Sensibilität der Amsthandlung hingewiesen wurde. Aufgrund dieser Unterweisung wurde von den Beamten im besonderen maß darauf bedacht genommen, nicht den geringsten Anlaß für eine Beschwerde zu geben. Es ist aber nicht möglich, bei einer gerichtlich angeordneten Zwangsmaßnahme, die Muttersprache der betroffenen Personen vor dem Einschreitungszeitpunkt zu erheben.

3. die einschreitenden Organe erweckten angeblich bei der BV C. N., M. L. den Eindruck von Voreingenommenheit aufgrund ihrer Hautfarbe bzw. Herkunft und verabsäumten die Einhaitung der ihr gegenüber gebotenen Höflichkeit.

übereinstimmend wurde von den einschreitenden Beamten angegeben, daß die Amtshandlung völlig korrekt und ohne diskriminierende Voreingenommenheit durchgeführt wurde. Dies erscheint deshalb absolut glaubwürdig, da zum einen im Zuge der Vorbesprechung bei der Unterweisung durch die Leitenden Beamten auf die Sensibilität der Amtshandlung hingewiesen wurde. Aufgrund dieser Unterweisung wurde von den Beamten im besonderen maß darauf bedacht genommen, nicht den geringsten Anlaß für eine Beschwerde zu geben Zum anderen war den einschreitenden Beamten bekannt, daß während der Amtshandlung ein Medienvertreter anwesend war. Zu dem behaupteten barschen und unccichen Umgangston der in den Worten "shut up" bei M. L. und C. N. zum Ausdruck gekommen sein soll, wird bemerkt, daß die betreffenden Beamten ausdrücklich angeben, daß diese Worte sicher nicht ihrem Umgangston entsprechen. außerdem waren sie bemüht, die Amtshandlung mit der gebotenen Ruhe und Sachlichkeit durchzuführen, besonders im Hinblick und mit Rücksicht auf die anwesenden Kleinkinder. Der behauptete Umgangston wäre dieser Bemühung sicherlich kontraproduktiv gewesen.

4. angebliche Nichtverwendung der gebotenen Höflichkeitsform

Die eingesetzten Beamten waren aus den o.a. Gründen bemüht, die Amtshandlung im Hinblick und mit Rücksicht auf die anwesenden Kleinkinder mit der gebotenen Ruhe und Sachlichkeit durchzuführen. Weiters wurde von den Beamten im besonderen maß darauf bedacht genommen, nicht den geringsten Anlaß für eine Beschwerde zu geben. Eine Verwendung des DU-Wortes bei M. L. wäre dieser Bemühung sicherlich kontraproduktiv gewesen. Es wird darauf hingewiesen, daß die eingesetzten Kräfte mit den Beschwerdeführern teilweise in Deutsch und teilweise in Englisch kommunizierten. Da es in der englischen Sprache nur eine Anredeform, nämlich "You", gibt, wäre es durchaus möglich, daß dies die Beschwerdeführer mißverstanden haben.

5. es wurde angeblich der BV M. L. trotz entsprechenden Verlangens weder Anlaß noch Zweck des Einschreitens mitgeteilt.

übereinstimmend wurde von den einschreitenden Beamten angegeben, daß die o.a. Beschwerdeführerin teilweise in Deutsch, teilweise in Englisch über Anlaß und Zweck des Einschreitens in Kenntnis gesetzt wurden. Es ist aber nicht möglich, bei einer gerichtlich angeordneten Zwangsmaßnahme, die Muttersprache der betroffenen Personen vor dem Einschreitungszeitpunkt zu erheben. Nach Ansicht des Kriminalbeamteninspektorates liegt kein Fehlverhalten der einschreitenden Beamten vor.

Leiter des Kriminalbeamteninspektorates Mag. Dr. Michael LEPUSCHITZ