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[ 01. Feb 2004 ]

Nicht eine Stellungnahme // eine Nichtstellungnahme

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Zwei Personen von der "Plattform für eine Welt ohne Rassismus" und "Volxtheater" haben in Reaktion auf einen sexistischen Übergriff während des Österreichischen Sozialforums 2003 in Hallein, einen Text bezüglich Sexismus in unseren politischen Zusammenhängen verfasst.

 

Pre Face


Während des Austrian Social Forum (ASF) Anfang des Sommers 2003 kam es zu einem sexistischen Übergriff von einem Mann der der "Plattform für eine Welt ohne Rassismus" zugerechnet werden kann. Die Wen-do-Gruppe veröffentlichte daraufhin einen Text der sich mit diesem Vorfall auseinandersetzte (http://tatblatt.net/203/203-17-wendo.htm ). Es hat lange gedauert und es ist uns nicht leicht gefallen eine Antwort zu schreiben. Vor allem eben weil wir dem Text nichts hinzuzufügen haben. Teile unserer Antwort sind sehr offen über die inneren Zusammenhänge der Plattform für eine Welt ohne Rassismus und der VolxtheaterKarawane. Sie sind nicht als Outing oder Sozialpornographie zu verstehen, sondern lassen sich in so ziemlich jeder politischen Gruppe immer und immer wieder antreffen. Ob ASF, EKH oder in anderen geheiligten Hallen einer "Szene".

nicht eine Stellungnahme // eine Nichtstellungnahme


Dem Text der Wen Do Gruppe ist in voller Hinsicht beizupflichten, es gibt nichts zu widersprechen. Der Text bringt in eindringlicher Weise ans Tageslicht, was immer diskutiert werden muss. Es gibt sie nicht, die machtfreien räume, die Orte an denen sich die Unterdrückungsmechanismen wie von selbst aufheben. Parolen wie "wir sind die Guten" haben keine reale Basis und insgesamt sind wir weit davon entfernt, dass die "Szene", das was wir "die Linke" nennen, Sensibilität entwickelt hat und mit vorhandenen Differenzen konstruktiven Umgang finden kann. Vielleicht ist eines der Probleme die bewältigt werden müssen eben dieser Bezug auf eine "Szene", die angeblich schon viel weiter als die sog. "Restbevölkerung" in der Behandlung von Machtstrukturen wie Sexismen, Rassismen etc. ist - ein arroganter, elitärer Ansatz der Rituale und Umgangsweisen weiterproduziert und in einen sehr engen Rahmen an Handlungsmöglichkeiten presst.

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person1: ich finde das Militärische Konzept der Stadtguerilla, das Kriegführen gegen einen übermächtigen Feind ist an sich schon männlich geprägt. In Idee und Durchführung, als politischer Ansatz, ist es nicht zu trennen von Kriegslogik und Heldentum.
person2: aber da sind viele Frauen dabei. man kann nicht sagen, dass das männlich ist.
person1: was hat das damit zu tun?

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Wir haben ein wenig in alten Wiener Stadtzeitungen geblättert. In den 70er und frühen 80er Jahren wurde vieles in der Szene noch ganz anders diskutiert. Kaum was zu sehen von Debatten um Antisemitismen, von Debatten um Machtstrukturen die anders Verlaufen als an glasklaren Linien von "Oben" und "Unten", die ein differenzierteres Bild von Machtstrukturen vermitteln.

Nur eine Diskussion konnte in den schon leicht vergilbten Heften verfolgt werden, als Wären sie aus dem Jahr 2004. In beinahe jedem Jahrgang ließ sich ein Text finden, der sich kritisch mit dem Sexismus der Szene auseinander setzte. Alle Texte beschäftigten sich mit dem Thema aus Sicht von Frauen die auf ein Ereignis reagierten. Immer erst nachdem etwas eskaliert war, waren offensichtlich die Szenen und ihre Medien bereit dem Thema Sexismen Raum zu geben. Darauf folgte eine Stellungnahme der "betroffenen" Männer. Das Thema war vom Tisch, es hatten sich alle verhalten wie es die linken Rituale verlangten.

Das hinterlässt immer wieder den Anschein des Katholischen. Nach der begangenen Sünde wird gebüßt, das heißt die betroffenen Männer (meist aus der Umgebung des Täters, beinahe nie die Täter selbst) schreiben ihre Stellungnahme um nach aussen zu signalisieren: wir haben uns jetzt damit auseinandergesetzt, jetzt sind wir wieder gut. Jetzt gehören wir wieder zu unserer imaginierten Gemeinschaft der Besseren, der quasi Erleuchteten.

Andererseits sind diese Stellungnahmen natürlich ein Signal, dass sexistische/sexuelle Übergriffe nicht zu tolerieren sind, nicht hingenommen werden können und haben deshalb eine nicht zu unterschätzende Wichtigkeit. Es bleibt der Widerspruch zwischen wünschenswerter Praxis und unser aller Unfähigkeit.

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person1 (in leicht betrunkener Stimmung): morgen ist das Fußballspiel. Wenn ihr gewinnen wollt, gibt es heute keinen Alkohol und keine Frauen.

(uuups, da wird wohl so mancheR übel dabei. Die Frau als ein Objekt, das konsumierbar ist, das wir (Männer, selbstverständlich) heute nicht anfassen dürfen, denn morgen ist Sport.)

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Männergruppen


Ähnlich ritualhaft sind die "antisexistischen" Männergruppen
(wie "Antipat und Kuchen" an der wir uns beide auch selbst beteiligten). Es wird der Wille, alles anders machen zu wollen, kolportiert um gleich in die nächste Falle zu tappen. Wieder eine rein männlich dominierte Struktur. Panisch versuchen Transparenz zu schaffen und sich in psychologisierenden Ritualen ergeben. Die "Täter" sind von diesen Gruppen fast immer ausgeschlossen, da mann ja unter sich sein will, unter den Besseren. Hier stellt sich die Frage, ob nicht ein offensiver Umgang zielführender wäre. Eine Struktur, die die "Täter" nicht als anders oder "noch nicht so weit", oder "eben sexistisch" definiert, sondern als Teil des Ganzen, zu dem ja der "aufgeklärte Mann" auch gehört. Dann Wären Diskussionen auf gleicher Ebene möglich ohne in die Falle der präventiven Hierarchisierung zu tappen - hier die "Guten", dort die "Bösen". Und es wäre die Chance dem moralisierenden Sumpf zu entkommen der den Blick darauf verstellt, dass wir alle eine patriarchale Hetero-Gesellschaft reproduzieren, die sich durch alle erdenklichen Bereiche zieht.

Wir schließen daraus alles andere, als dass kein Handlungsbedarf besteht, dass sexistischen/sexuellen Übergriffen nicht entschieden entgegen getreten werden muss. Wir fragen uns welche Konsequenzen eigentlich Sinn machen können. Den Ausschluss forcieren, der letztlich immer nur darauf abzielt die imaginierte Gemeinschaft sauber zu halten. Andere Diskurse neu erfinden. Die Tatsache einer Sexismusdebatte innerhalb der Plattform an der sich ca. 12 Männer beteiligen und genauestens darauf achteten ob es dem Täter gelingt einen antisexistischen Satz zu artikulieren (mit dem kleinen Unterschied, dass der als Täter identifizierte Mann kein Native-Speaker ist ... als einziger im Raum) Nicht nur, aber auch an dieser Frage ist die "Plattform für eine Welt ohne Rassismus" zerbrochen.

In der letzten Performance des VolxTheaters, "Bukaka says: another war is possible" haben wir versucht uns mit Geschlechteridentitäten und der Überwindung dieser konstruierten Identitäten zu beschäftigt. Die Realität sieht freilich etwas anders aus. Gelingt es aus einer Debatte um Identitäten etwas ganz persönliches, etwas neues schöpfen zu können oder verliert sich die Diskussion in sich selbst. Gibt es ja alles gar nicht, ist ja alles nur konstruiert. Diese Diskussion kann schnell in einer Beliebigkeit enden die ihrem eigentlichen Ansatz diametral entgegengesetzt ist.

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Bukaka Probe (das neue Stück des Volxtheaters, das eine Auseinandersetzung um Body, Gender und Identity sein kann)
peson1: es gibt in dem stück keine Identitäten mehr, wir sind alle gleich, alle normal.
person2: das Normale ist also das Männliche?

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Zum Geschlechterverhältnis in der VolxtheaterKarawane:
Ouotenregelungen bleiben in den Kategorien von Geschlecht verhaftet. Wenn wir glauben, dass alles alleine durch Partizipation (die zweifelsohne sehr wichtig ist) aufgelöst werden kann wird sich in bezug auf Geschlechteridentitäten nichts tun.

nicht Männer, sondern Nichtfrauen


Was bleibt ist das Gefühl an den immer gleichen Fallen hängen zu bleiben. In jeder Debatte kommen sie zurück. Aussagen wie "für mich als Mann ... (was auch immer)" bleiben in den alten Kategorien verhaftet und versuchen nicht eine neue Realität zu schaffen die sich auf diese Kategorien von Geschlecht und Sexualität nicht mehr beziehen muss. Das wird dann verlangt anstatt es zu versuchen. Sich eben nicht als Mann zu begreifen. Sich eingestehen, dass es diese Identität nur gibt um Unterdrückung ausleben zu können, um die Differenz zwischen Macht und Nichtmacht festschreiben zu können. Vielleicht nicht als Mann sondern als "Nichtfrau" oder ganz anders, oder ganz neu ...

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person1: ich kann nicht mitfahren um mich in der Schweiz um die Computer zu kümmern.
person2: ich mach das dort.

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(anm: mit völliger Selbstverständlichkeit wird die Arbeit von "mann1" an "mann2" übertragen. Imagined community, oder Computer verbinden. Es hat nicht funktioniert. In betrieb genommen wurde der Bus schließlich von zwei Frauen in der Schweiz, die sich erstmal durch den ganzen Krampf von männlichen Technikwundern kämpfen mussten um die wenigen Infos einfach mitgeteilt zu kriegen, die nötig waren um das Ding zum laufen zu kriegen.)

snip und snap


sind wunderbare Wörter. Sie symbolisieren etwas von Ausschneiden bzw. schöner gesagt von Abschneiden. Das Abschneiden ist es auch, das erst die Möglichkeit eröffnet, sich identitär anders zu begreifen. Sich nicht als Mann, sondern als Nichtfrau zu sehen. Die dem was "Mannsein" bedeutet entfliehen will, und trotzdem klar sieht, dass es von einem sexistischen Normalzustand nicht betroffen wird, sondern profitiert. in diesem sinne: Schwanz ab!

zwei von Plattform und Volxtheater