no-racism.net logo
 
 
interne verweise
Links zum Artikel:
Weitere Artikel zum Thema:
Texte zur Rubrik:

[ 25. May 2001 ]

Aufruf für Gerechtigkeit nach den Ereignissen in Göteborg

GBG 2001 - Logo

Der schwedische Staat und dessen Polizeikräfte haben während der Proteste gegen das EU-Gipfeltreffen in Gothenburg im Juni 2001 provoziert, geschlagen und auf AktivistInnen geschossen. Die Repression ging auch nach den Protesten weiter: Zahlreiche AktivistInnen wurden verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, während die PolizistInnen nicht verf. Die Prozesse zeichneten sich vor allem durch eine sehr dünne Beweislage und harte Urteile aus, die als nachträgliche Legitimation der Repression betrachtet werden können. Ein halbes Jahr nach den Protesten wurde ein Aufruf für Gerechtigkeit verfasst.

 

Wir, die UnterzeichnerInnen dieses Aufrufes, sind sehr besorgt wegen des juristischen Nachspiels der Ereignisse waehrend des EU-Gipfeltreffens in Goeteborg im Juni 2001.

Wir haben festgestellt, dass

-- 50 BuergerInnen im Zusammenhang mit den Ereignissen in Goeteborg angeklagt wurden oder in Gefahr sind angeklagt zu werden. Weitere 450 sind identifizierte Verdaechtige, bei denen noch Ermittlungen folgen.

-- Gleichzeitig hat keine der ueber 100 Anzeigen wegen Polizeibrutalitaet dazu gefuehrt, dass beschleunigt ermittelt wird. Wir wissen, dass nur ein Viertel aller Personen, die nach den Zusammenstoessen in Goeteborg in medizinischer Behandlung waren, Polizeibeamte waren. Wir fragen uns, ob diese Zahlen in Proportion zu den tatsaechlichen Begebenheiten stehen.


Die Inhaftierungszeit vieler beschuldigter junger Personen war - im Gegensatz zum Inhalt des Gesetzes - unverhaeltnismaessig lang (ein bis drei Monate). Die Inhaftierten wurden in der Regel in Einzelhaft gehalten.

Die Strafen fuer Ausschreitungen haben sich ploetzlich verzehnfacht und mehr. Gegenwaertig wurden 30 junge DemonstrantInnen wegen Ausschreitungen in Goeteborg verurteilt. In der Vergangenheit wurden hier Strafen ausgesprochen, die sich im Rahmen von Arbeitsauflagen, Bewaehrungsstrafe oder ein paar Monaten Gefaengnis bewegten. Die durchschnittliche Strafe fuer die Ereignisse in Goeteborg liegt jedoch bei einem Jahr und neun Monaten. So wurden z.B. vier Teenager zu Strafen zwischen zwei und drei Jahren verurteilt. In Berufungsverhandlungen wurden diese haerteren Urteile bestaetigt.

-- In mehreren Faellen wurden Angeklagte mit aehnlichen Anklagen und identischen Auswirkungen kollektiv verurteilt (bis zu acht Personen mit bis zu vier Jahren Haft). Alle wurden angeklagt, ohne dass ihre individuellen Verfehlungen dokumentiert waren oder nachgewiesen wurden. Dieser Mangel an individuellen Nachweisen zeigt beispielhaft, dass es keine Gerechtigkeit gibt.

-- Die Staatsanwaelte haben jede Moeglichkeit genutzt, die Angeklagten mit politischen Aktivitaeten und Organisationen in Verbindung zu bringen und dabei die gesamte Bandbreite von tatsaechlicher Mitgliedschaft bis zum angeblichen Sympathisantentum genutzt.

-- Viele ZeugInnen, die fuer Angeklagte haetten aussagen koennen, haben es vorgezogen, nicht auszusagen, weil sie Angst hatten, selbst angeklagt zu werden und eine aehnlich erniedrigende Behandlung von der Polizei und von seiten der Justiz zu erfahren.

-- Von ZeugInnen aufgenommenes Film- und Fotomaterial wurde von der Polizei beschlagnahmt und ist dann - Aussagen derselben Polizei zufolge - verloren gegangen und kann daher nicht als Beweismaterial verwendet werden. Als Strafverteidiger beantragten, das von der Polizei an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten selbst erstellte Material als Beweis einzubringen, beschied die Polizei sie, das
solches Material nicht existiert. Gleichzeitig ist aber die Staatsanwaltschaft in der Lage, solches Filmmaterial in anderen Faellen vorzulegen.

-- Waehrend mehrerer Verfahren durfte die Staatsanwaltschaft einen emotionsgeladenen Film von den Szenen der schlimmsten Ausschreitungen als Beweismittel einsetzen, selbst wenn die Angeklagten in diesen Faellen ueberhaupt nicht in der Naehe der im Film gezeigten Ereignisse waren.

-- Die Staatsanwaltschaft hat in mindestens einem Verfahren einen Film als Beweis eingesetzt, dessen Soundtrack manipuliert war. Nachforschungen zum Ursprung dieses Films haben ergeben, dass die Manipulation waehrend der Zeit vorgenommen wurde, in der der Film entweder von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft bearbeitet wurde.

-- Weitere Angeklagte haben unabhaengig voneinander ebenfalls ausgesagt, dass die Beweismittel gegen sie gefaelscht wurden.

-- Die Staatsanwaltschaft hat den Polizeiueberfall auf die Schillerschule, bei dem kartenspielende und schlafende Jugendliche auf den Schulhof geschleift und die fuenf Stunden Polizeigewahrsam fuer einen friedlichen Protest in Jaerntorget als "gewalttaetige Ausschreitungen" kategorisiert. Diese Einordnung fuehrt dazu, dass moegliche ZeugInnen oder Personen, die Beschwerde einlegen wollen, nun Anklagen wegen Teilnahme an diesen "gewalttaetigen Ausschreitungen" riskieren.

-- Waehrend des EU-Gipfels in Goeteborg wurde kein Versuch unternommen, das Treffen mit gewalttaetigen Mitteln zu sprengen oder zu stoppen. In allen Dokumenten, von den Anklageschriften der Staatsanwaltschaft bis hin zu den Urteilsbegruendungen, ist davon die Rede, dass die Angeklagten versucht haben sollen, den demokratischen Prozess zu stoeren, indem sie den EU-Gipfel sprengen. Dies entbehrt jeglicher Tatsache.

-- Weder bei den Angeklagten noch bei den anderen 30.000-40.000 schwedischen und auslaendischen TeilnehmerInnen, die vom 14.-16. Juni 2001 in Goeteborg ihre Meinung zum Ausdruck brachten, wurden Feuerwaffen oder Explosivstoffe gefunden

-- Der Oberste Gerichtshof hat bisher keine Berufung gegen irgendeinen der Prozesse zu den Ereignissen in Goeteborg verhandelt.


Wir stellen folgende Forderungen:

-- Wegen der mutmasslichen Manipulation von Beweisen durch die Staatsanwaltschaft muss mit hoechster Dringlichkeit ermittelt werden.

-- Der Oberste Gerichtshof muss die Berufungen in mehreren Faellen verhandeln; hierbei muss besonders die Angemessenheit der verhaengten Strafen geprueft werden.

-- Sollten Beweise dafuer gefunden werden, dass Beweismittel manipuliert wurden und/oder der Oberste Gerichtshof befinden, dass unverhaeltnismaessig scharfe Urteile verhaengt wurden, muessen alle wegen der Ereignisse in Goeteborg durchgefuehrten Verfahren von Berufungsinstanzen neu verhandelt werden.


Wir verlangen ausserdem:

Alle gegen die Polizei vorgebrachten Beschwerden und Beschuldigungen muessen von einer besonderen, unabhaengigen Kommission untersucht werden. Sollte die Einsetzung einer solchen Kommission der Aenderung bestehender Gesetze beduerfen, empfehlen wir, dass entsprechende Aenderungen erlassen werden.

-- Das gesamte Filmmaterial der Polizei muss den Strafverteidigern zugaenglich gemacht werden.

-- Die Faelle der Angeklagten muessen einzeln verhandeln und beurteilt werden.

-- Die Staatsanwaltschaft muss die Einordnung der Ereignisse in der Schillerschule und in Jaerntorget am 16. Juni als "gewalttaetige Ausschreitungen" rueckgaengig machen.

-- Die Meinungsfreiheit jedeR BuergerIn muss respektiert werden und politische Meinungen duerfen vor Gericht nicht als Beweismittel gegen die Angeklagten verwendet werden.

-- Die Gerichtsverfahren muessen vor unabhaengigen Gerichten und in neutralen Staedten durchgefuehrt werden, was bedeutet, vor Gerichten, die weit entfernt von Goeteborg liegen.

Wir bitten alle BuergerInnen und Organisationen dringend, unabhaengig von ihren politischen Einstellungen, diesen Aufruf zur Verteidigung der Gerechtigkeit zu unterstuetzen


Name
Ort
Land


Senden Sie diese Angaben bitte an:
Erik Wijk, e-mail: erik.wijk (at) odata.se
Eine Webseite unter der Adresse: http://www.manifest.se/upprop ist in Konstruktion.

Leute, die den Aufruf unterstuetzen wollen, sollten sich mit erik.wijk (at) odata.se, in Verbindung setzen. Zur Unterstützung genügt es, Name, Ort und Land anzugeben.