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[ 02. Sep 2004 ]

Antisemitismus bei den olympischen Spielen

Olympische Ringe

Rund 200 Gäste waren in der israelischen Botschaft in Athen gekommen, um des blutigen Attentats von palästinensischen Terroristen auf die israelischen Olympia-AthletInnen 1972 in München zu gedenken. Das IOC lehnt bis heute jede Genkveranstaltung im Rahmen der offiziellen Spiele ab.

 

Es flossen Tränen auf der Gedenkfeier in der israelischen Botschaft in Athen. 200 Gäste waren gekommen, um des blutigen Attentats von palästinensischen Terroristen auf die israelischen Olympia-AthletInnen 1972 in München zu gedenken. Erstmals nahm mit Jacques Rogge ein IOC-präsident an der Zeremonie teil. Doch für die Hinterbliebenen der Opfer ist dies nur ein schwacher Trost. 32 Jahre lang versuchten sie vergebens, von Deutschland Entschädigungszahlungen einzuklagen. Und auch ihren Wunsch, der Opfer während der offiziellen Eröffnungszeremonie zu gedenken, lehnt das IOC regelmäßig ab. So traf man sich also auch diesmal in Athen wieder abseits des Geschehens im BotschaftsGebäude Israels. "Warum stehen wir hier?" fragte enttÀuscht die Witwe des damals getöteten Fechttrainers Andre Spitzer: "Das ist kein israelisches Thema, das betrifft die ganze olympische Familie."

An vielen Orten dieser Welt fließt Blut, herrscht Unterdrückung, Krieg und Not, aber auch bei diesen olympischen Spielen in Griechenland dreht sich wieder einmal alles nur um Israel. Während der Eröffnungszeremonie wurde nicht etwa der Opfer von 1972 gedacht, stattdessen war die einzige politische Ąußerung an jenem Abend das stolz in den Himmel gereckte Victory-Zeichen der palästinensischen Fahnenträgerin beim Einmarsch der Athleten. Wie muss das auf die Hinterbliebenen von 1972 gewirkt haben?

Solidarität mit den Palästinensern in ihrem Kampf gegen Israel wollte auch die griechische Lokalpolitikerin und ehemalige Speerwerferin Sofia Sakorafan beweisen, indem sie für das palästinensische Team antreten wollte (Jungle World, 35/04). Ihr Vorhaben scheiterte jedoch, weil sie sechs Meter unter der Qualifikationsweite blieb.

Den nächsten Eklat gab es, als der iranische Judoka Arash Miresmaeili bekannt gab, nicht gegen den israelischen Kontrahenten Ehud Vaks antreten zu wollen. Der zweimalige WM-Gewinner und Favorit im Halbleichtgewicht Miresmaeili war als Fahnenträger des Iran in Athen aufgelaufen und hatte bereits zuvor erklärt, er werde den Wettkampf mit Vaks boykottieren, weil "ich mit den unterdrückten Menschen in Palästina sympathisiere". Dass dies nicht der spontane Einfall eines Athleten war, zeigte sich, als die iranische Regierung daraufhin ihre Sportler dazu aufrief, alle Wettkämpfe gegen Israelis zu boykottieren. "Es ist unsere Politik, das zionistische Regime nicht anzuerkennen", erklärte der iranische Regierungssprecher Abdollah Ramazanzadeh in Teheran. Athleten wie Miresmaeili seien die "wahren nationalen Champions und Helden des Friedens". Und sogar der iranische Staatspräsident Mohammed Khatami, der zurzeit einen Konfrontationskurs gegen Israel fährt, mischte sich ein und erklärte: "Der Name von Arash Miresmaeili wird in die iranische Geschichte eingehen als eine Quelle des Stolzes für das Land."

Für das IOC und den Judo-Weltverband ergibt sich trotz dieser offensichtlichen politischen Funktionalisierung der olympischen Spiele kein Handlungsbedarf, weil der iranische Elitesportler offiziell nicht wegen seiner Boykott-Ankündigung, sondern wegen übergewichts am Wettkampftag disqualifiziert wurde. Eine peinliche Farce, um den politischen Skandal zu übertünchen.

Die Feinde Israels haben es auch bei diesen olympischen Spielen geschafft, den Nahostkonflikt in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit zu Rücken und die Palästinenser zu Befreiungskämpfern zu stilisieren. Anders als 1972, ohne Massaker. Die antisemitischen Motive sind jedoch dieselben.

Dieser Artikel ist von Ivo Bozic und erschien erstmals in der Jungle World Nr. 34 vom 25. August 2004.