'Solidarität ist nicht immer laut, sie ist auch dann stark, wenn sie leise ist.'
Am 4. Februar 2005 jährte sich zum 10. mal der rassistische Mordanschlag von Oberwart, bei dem vier Menschen den Tod fanden. Anlässlich dieses traurigen Jubiläums fanden in Oberwart zahlreiche Veranstaltungen in Gedenken an die Ermordeten statt, bei denen die Verfolgung der Roma insgesamt thematisiert wurde. Aufgrund des großem Interesses werden die Roma | Wochen | Oberwart | 2005 um zwei Wochen verlängert. (Bildergalerie)
Die Ausstellung "Ein Güterweg und eine Fracht" sowie zahlreiche Veranstaltungen setzen sich mit Aspekten des rassistischen Alltages in Österreich auseinander. Am Jahrestag, dem 4. Februar treten zahlreiche Bands auf, gestalten einen festlichen Rahmen. Zwischendurch erinnern Reden und eingespielte Videos an die gemeinsame musikalische Geschichte, in der die Trennung zwischen den Roma und der Mehrheitsbevölkerung nicht jene Rolle einnimmt, wie im Alltag. Und sie erinnern an die Geschehnisse vor 10 Jahren.
Den Höhepunkt des Gedenkens bildet ein Fackelzug, der genau zehn Jahre nach dem Zeitpunkt des Attentates durch Oberwart, vorbei am Ortsschild am Ende der Stadt über einen mittlerweile asphaltierten Güterweg hin zur im Abseits liegenden Siedlung der Roma von Oberwart führt. Dort, wo am 4. Februar 1995 um ca. 23:45 Peter Sarküzi, Josef Simon, Erwin Horvath und Karl Horvath den Tot fanden, ist ein großes Feuer entfacht worden, um das sich die Gedenkenden in der kalten Winternacht versammeln. Damals, vor zehn Jahren, hörten einige BewohnerInnen der Siedlung verdächtige Geräusche. Und da Übergriffe im Leben der Roma keine Besonderheit darstellen, machten sich vier Männer auf den Weg, um nachzusehen. Sie fanden auf der Mitte eines Güterweges eine Tafel mit der Aufschrigt "Roma zurück nach Indien", gingen hin und wollten sie entfernen. Die Detonation der Rohrbombe war tödlich...
Jetzt, 10 Jahre später hat sich die Situation der Roma in Oberwart, bzw. im Burgenland verbessert. Auseinandersetzungen mit der rassistischen Vergangenheit im Burgenland, zahlreiche dunkle Kapitel vor allem aus der Zeit vor und während der Naziherrschaft, aber auch die andauernde Ausgrenzung nach 1945 haben dazu beigetragen. Doch auch die Gegenwart ist von Rassismen geprägt. Die Vorurteile gegen Roma bestehen immer noch. Viele sehen nicht die Menschen, die oft als "ZigeunerInnen" bezeichnet werden, sondern sie sehen Menschen, die ihrem vorgefertigten Bild des/der "ZigeunerIn" entsprechen; suchen Bestätigung ihrer Vorurteile.
Und auch die mediale Aufmerksamkeit zielt meist nicht auf eine Aufarbeitung des Geschehenen und der noch immer vorhandenen Diskriminierungen, sondern will die Sensation ins Bild Rücken. So kommen in diesen Tagen ReporterInnen verschiedener kommerziellen Medien zehn Jahre danach mit einem Anliegen zurück nach Oberwart: sie wollen die "Sensation" festhalten. Dies ist ihre Form der Aufarbeitung. Es ist die Szene des Mordes, die das Interesse der sensationsgierigen Journaille auf sich zieht: nur zu gerne hätten sie die Szene an jenem Ort, an dem sich nun ein Denkmal in Erinnerung an die Verstorbenen befindet, nachgestellt. Jene, die ihnen Auskunft geben können und wollen, erscheinen uninteressant. Sie passen nicht in das Bild des Opfers. Doch jene, die ins Bild gerückt werden sollen, die Angehörigen, die Opfer, wollen nicht ins Bild gerückt, sie wollen respektiert werden. Die Erinnerung ist noch wach.
In der Gedenknacht versammeln sich ca. 100 Menschen am Rande der Roma-Siedlung, um die Morde nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und der Toten zu gedenken. Jedoch nicht, ohne dabei kritisch beobachtet zu werden. Die Polizei, die damlas - als erste Reaktion auf das Attentat - die Häuser der Ermordeten untersuchte, war in zivil und uniformiert gekommen; nicht einfach, um den mitternächtlichen Verkehr zu regeln, sondern um - wohl in alter Tradition - das Geschehen zu überwachen.
Sie beobachten Menschen, die mit Fackeln in einer kalten Nacht durch den Ort ziehen, sich unterhalten, Erfahrungen austauschen. Sie können sehen, wie die am Ort des Attentats Angekommenen die mitgebrachten Fackeln nach und nach in den Schnee stecken. Sie hören nicht aufmerksam hin, unterhalten sich, während eine Frau eine kurze Rede hält. Wir sind ruhig rausgegangen, zur selben Zeit, als das Attentat geschah. Im Vorfeld wurde der Wunsch, die Frage laut: Gehören Kampfparolen her? solidarität ist nicht immer laut, sie ist auch dann stark, wenn sie leise ist. Der weit auseinander gezogene Zug symbolisiert einen Weg, einen langen, einen gemeinsamen Weg. In den vergangenen 10 Jahren ist viel geschehen, hat sich sehr viel bewegt. Dann eine Gedenkminute.
Anschließend kommen die Anwesenden der Einladung nach, im wärmenden Zelt und rund ums Feuer gemeinsam wärmenden Tee zu trinken, oder ein Gulasch zu essen. Es ist eine gemütliche Atmosphäre. Und ob des traurigen Anlasses ist die Stimmung nicht traurig. Die Leute unterhalten sich miteinander, tauschen sich aus. Roma und Gatsche. Irgendwann verschwinden die Zivilpolizisten. Die Gespräche gehen weiter. Einige Leute gehen, ander kommen. Manche verbringen die Nacht am Ort des Attentats, dass vor zehn Jahren nicht nur die Roma in Oberwart erschütterte, sondern zu einer Verschärfung des rassistischen Klimas in Österreich beitrug.
Jetzt, 10 Jahre nachdem eine Serie von Brief- und Rohrbomben Österreich erschütterte und vier Menschen das Leben kostete, ist der rassistische Alltag in Österreich, in Europa mehr und mehr via Gesetze institutionalisiert worden. Jetzt sind es die "AusländerInnen", für die Sondergesetze erlassen, die interniert und deportiert werden. Und deren Leben manchmal weniger zählt, als die gewaltsam durchgeführte Zwangsmaßnahme. In Oberwart hat sich in den vergangenen zehn Jahren einiges bewegt, wurden einige alte Gräben überwunden. Und es kam im Rahmen der Gedenkfeierlichkeiten zu zahlreichen Begegnungen. Während die Gedenkveranstaltungen in den nächsten Tagen und Wochen weiter gehen, bleibt die Zukunft dieser Begegnungen offen.