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[ 12. Nov 2005 ]

Protestschreiben zur Operation Spring - Dokumentation Teil 2

Als Reaktion auf den Film "Operation Spring" wurde u.a. eine Protestkampagne insziniert. Im Folgenden Teil 2 der Dokumentation der Protestschreiben und Antworten aus dem Justizministerium. Daraus geht hervor, dass sich die Anfragen an die offiziellen Stellen häufen, während der letzte offene Prozess zur "Operation Spring" weiter geht.

 

Offensichtlich zeigen die anhaltenden Proteste und Anfragen rund um die Operation Spring Wirkung. Einige LeserInnen von no-racism.net haben uns ihre Briefe an die zuständigen Ministerien und deren Antworten zugesandt. Wir sagen Danke! Über weitere Zusendungen und auch die Reaktionen der PolitikerInnen freuen wir uns. Schickt sie uns bitte über das :: Kontaktformular.

Die Protestschreiben von P.S. an die Justizministerin wurden einige Zeit ignoriert. Erst nach mehrmaligen zuerst höflichen und dann etwas direkteren Formulierungen kam nach drei Wochen des Wartens unten stehende Antwort von Pressesprecher Christoph Pöchinger, aus der hervorgeht, dass es schon einige Anfragen an die Ministerin gab.

Im Anschluss daran dokumentieren wir ein Protestschreiben von M.G. an das Bundesministerium für Justiz, in dem sie ihre Eindrücke nach Sehen des Filmes und von einer :: Diskussionsveranstaltung zum Thema zusammenfasst und auf Aussagen des offensichtlich derzeit viel mit der Operation Spring befassten Pressesprechers von Justizministerin Gastinger (BZÖ) eingeht. Den Abschluss bildet dessen Antwort darauf.

Weiters wollen wir darauf hinweisen, dass in den kommenden Tagen die Möglichkeit besteht, dem letzten offenen Operation Spring Prozess beizuwohnen. Die :: Verhandlungen gegen Emmanuel Chukwujiekwu finden an folgenden Tagen statt (das Ende der Verhandlungen ist jeweils offen):

Mittwoch, 16. November 2005, 9.15 Uhr, Saal 305
Mittwoch, 23. November 2005, 9.15 Uhr, Saal 305
Donnerstag, 24. November 2005, 9.15 Uhr, Saal 303 (voraussichtlich Urteilsverkündung)

Am Landesgericht für Strafsachen, Wickenburggasse 18-20, 1080 Wien

Bei der letzten :: Verhandlung am 5. Oktober 2005 bestand reges Publikumsinteresse. Einige Leute mussten vor der Tür warten, doch hingehen lohnt sich auf alle Fälle.



Antwort des Justizministeriums auf Protestschreiben von P.S.


Sg. Herr S.

Die Frau Bundesministerin hat mich beauftragt Ihnen auf Ihr email zu anworten.

Dass die Antwort nicht sofort erfolgte, liegt daran, dass ein Minister erstens nicht die Zeit hat seine emails jeden Tag zu lesen und zu beantworten. Weiters wird die Ministerin und auch ihr Kabinett gerade im Fall "Operation Spring" mit vielen Anfragen konfrontiert.

Es ist nicht nur schade, dass Sie der Meinung sind, dass der österreichischen Justiz ein schlechtes Image anlastet, sondern auch falsch. Internationale Vergleiche und Studien belegen, Gott sei Dank, dass Sie irren.

Ich kann Ihnen versichern, dass die Justizministerin in keinem Bereich Ungerechtigkeiten duldet. Auch und gerade nicht im vorliegenden Fall. Aber wie bereits den Medien zu entnehmen war, ist noch immer ein Verfahren in dieser Sache anhängig, sodass die Ministerin unbedingt vermeiden muss, durch Handlungen oder Kommentare ein Präjudiz zu schaffen.

Sie hat dennoch sofort reagiert und eine Beratungsrunde einberufen um verschieden Fakten zu klären. Sollten weitere Schritte nötig sein, wird die Ministerin diese zur gegebenen Zeit veranlassen.

Sie sollten sich vielleicht dazu überwinden, der Justiz mehr Objektivität zuzusprechen als einem Kinofilm, denn genau das ist in diesem Fall angebracht.

Wir danken Ihnen aber dafür, dass auch Sie dazu beitragen, dass sich die Justiz immer wieder kritisch hinterfragt und so der Rechtsstaat Österreich und die Objektivität der österreichische Rechtssprechung gesichert bleiben.

Christoph Pöchinger
Pressesprecher

Bundesministerium für Justiz
Museumstraße 7
1070 Wien

Telefon: 01/52 1 52 - 2734
Mobil: 0676/ 898912734
Fax: 01/ 52 1 52 - 2828



Protestschreiben von M.G. und Antwort des Bundesministeriums für Justiz


Protestmail von M.G., gesendet am 13., 14. und 19. Okt 2005


Sehr geehrte Frau Bundesministerin Gastinger,

Ich wende mich in der Sache "Operation Spring" an Sie.

Eines gleich vorweg: Ich kann und möchte Sie nicht für Ereignisse verantwortlich machen, die sich vor Ihrer Amtszeit zugetragen haben.

Ich sehe es jedoch als Ihre Aufgabe an, justizpolitische Fälle aus der Vergangenheit kritisch und unvoreingenommen überprüfen zu lassen, wenn berechtigte Zweifel an deren Richtigkeit aufkommen. Der Fall der "Operation Spring" ist ein solcher.

Es ist Ihnen zugute zu halten, dass Sie in Reaktion auf den gleichnamigen Dokumentarfilm eine Expertenrunde einberufen haben, die etwaige Zweifel diskutieren sollte. Wünschenswert wäre es dann jedoch gewesen, der Öffentlichkeit die genauen Ergebnisse dieser Expertenrunde zugänglich zu machen. Die bloße Äußerung Ihres Pressesprechers es gäbe für Sie keinen Grund, an den rechtskräftigen Urteilen zu zweifeln ist in Anbetracht der Fülle der von vielen Seiten gegen das Verfahren vorgebrachten Zweifel sehr dürftig.

Das ebenfalls geäußerte Argument, dass in das noch laufende Verfahren gegen Emanuel Chukwujekwu auf keinen Fall präjudizierend eingegriffen werden wolle ist wesentlich nachvollziehbarer. Bedenklich ist hierbei jedoch, dass damit dem mit dem Fall Chukwujekwu betrauten Richter Willhelm Mende indirekt mitgeteilt wurde: "Auch Sie sollten besser keine Zweifel haben, ansonsten sehen wir uns letztlich unter dem Druck der Öffentlichkeit noch gezwungen, über hundert Wiederaufnahmen zu veranlassen." Die richterliche Unabhängigkeit nützt einem unter Umständen mehr ökonomisch als menschenrechtlich urteilenden Richter da wenig.

De facto haben Sie mit der Aussage, es bestehen keine Zweifel EBEN SCHON PRÄJUDIZIELL EINGEGRIFFEN, nur eben GEGEN Herrn Chukwujekwu. Diesen Punkt haben Sie entweder übersehen, was zu kritisieren wäre, oder aber sie die Äußerung ganz bewusst getätigt, was es in meinen Augen erst recht und in aller Schärfe zu kritisieren gälte.

Zu den bereits von vielen Seiten an den "Operation Spring"-Verfahren geäußerten Verfahrensmängeln möchte ich hier nicht viel sagen, gehe ich doch davon aus, dass Ihnen die meisten vertraut sind, wenn Sie sich, wie ich voraussetze, mit der Materie eingehend befasst haben.

Für zwei Bemerkungen möchte ich mir aber noch Zeit nehmen:

Zum Einen: Ihr Sprecher gibt zu bedenken, dass im Film "Operation Spring" die belastende Seite ausgespart werde und dass eben diese zu den bisher gefällten Urteilen geführt habe. Das bloße Zuhören bei der Podiumsdiskussion am 12.10. im Juridikum hat bei mir jedoch vielmehr den Eindruck hinterlassen, dass gewisse Vorwürfe im Film viel zu sanft hervorgebracht wurden und dass es weit mehr an den Verfahren zu kritisieren gibt.

Hier möchte ich nicht zuletzt auf die von RA Bischoff geäußerten Probleme hinweisen, sowie auf die von der im Film interviewten Schöffin, die bei der Podiumsdiskussion im Publikum anwesend war. Sie brachte hier noch deutlicher als im Film ganz prinzipielle und vor allem durch die gerichtliche Praxis verursachte Probleme schöffengerichtlicher Verfahren vor, die in den "Operation Spring"-Prozessen in sehr bedenklicher Weise Eingang gefunden haben.

Zum Zweiten möchte ich betonen, dass es in der massiven öffentlichen Kritik an den Verfahren keinesfalls um die prinzipielle Schuld der Verurteilten bzw des Angeklagten Chukwujekwu geht. Es werden mit großer Wahrscheinlichkeit einige Dealer unter den Verurteilten sein - deren angeblich hohen Rang in der Drogenszene es aber mit Recht zu bezweifeln gilt. Die Kritik richtet sich jedoch vor allem gegen die ART DER VERFAHRENSFÜHRUNG, die, betrachtet man die Verfahren in einer GESAMTSCHAU, an Rechtsstaatlichkeit vermissen lässt.

Nachdem die Kritik der Verfahren sich zu großen Teilen aus dem Zusammenhang aller Prozesse und der unwahrscheinlich hohen Dichte von Verurteilungen ergibt, möchte ich Sie, Frau Ministerin Gastinger dringend dazu aufrufen, SYSTEMATISCHE, ZUSAMMENHÄNGENDE Überprüfungen der Urteile zu veranlassen. Es ist nachvollziehbar, wenn Sie den Urteilsausgang im Fall Chukwujekwu noch abwarten wollen. Spätestens aber ab der Urteilsverkündung am 24.11.2005 erwarte ich, dass Sie sich konkreter und fundierter zu der Sache äußern und nicht ruhen, bis es zu Wideraufnahmen kommt.

Ich bin mir nicht zuletzt seit der Podiumsdiskussion im Juridikum sicher, dass eine breite Öffentlichkeit ein großes Interesse an den "Operation Spring"-Prozessen hat und Informationen und Taten Ihrerseits erwartet.

Auch wenn der Mai 1999 vor Ihrer Amtszeit lag, die Aufarbeitung der darauf folgenden Prozesse ist nun auch Ihre Angelegenheit.

Mit freundlichen Grüßen, M.G.


Die Antwort des Pressesprechers des BMJ an M.G. vom 19. Okt 2005:


Sg. G.!

Bundesministerin Gastinger hat mich beauftragt, Ihnen für Ihr mail zu danken. Es ist für eine Justiz die sich auch an ihrer Bürgernähe mißt, sehr wichtig auch Meinungen von "außen" wahrzunehmen.

Zu Ihrer Kritik möchte ich festhalten, dass ich gegenüber der APA alles zum Ausdruck brachte, was man während eines noch laufenden Verfahrens sagen kann ohne dabei ein Präjudiz zu schaffen. Ihre Meinung, dass gerade dadurch ein solches von mir geschaffen wurde, teile ich nicht.

Desweiteren möchte ich Ihnen versichern, dass die Justizministerin alles in Ihrer Macht stehende tut, um Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Und das jeden Tag, weil dies wie Sie richtig sagten, eine ihrer Aufgaben ist.

Dennoch ist der Eingriff durch den Minister in den Rechtsweg, den Instanzenzug und in rechtsgültige Urteile in einem Rechtsstaat nicht möglich, und das ist auch gut so. Ich bitte Sie also auch meine Argumentation zu akzeptieren, dass im vorliegenden Fall die vorgelegten Indizien eben ein entsprechendes Urteil initiiert haben.

Sollten Sie Zweifel haben an den damaligen Ermittlungsmethoden der Polizei haben, bitte ich Sie das Innenministerium damit zu konfrontieren.

mit freundlichen Grüßen!

Christoph Pöchinger
Pressesprecher

Bundesministerium für Justiz
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