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[ 14. Mar 2006 ]

Prozess gegen HOSI-Wien-Aktivisten

SOS Meinungsfreiheit

Der von Walter Tancsits (ÖVP) gegen die HOSI-Wien Aktivisten Christian Högl und Kurt Krickler angestrengte Prozess wurde in der Verhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien auf 21. April 2006 vertagt.

 

Der vom ÖVP-Nationalratsabgeordneten Walter Tancsits gegen die HOSI-Wien-Aktivisten Christian Högl und Kurt Krickler angestrengte Ehrenbeleidigungsprozess ging heute in Wien in eine weitere Runde. Nachdem die beiden Beklagten am 28. April 2005 in erster Instanz vom Landesgericht für Strafsachen Wien freigesprochen worden waren, legte Tancsits dagegen Berufung ein. Das Oberlandesgericht Wien hat daraufhin am 30. Jänner 2006 der Berufung "Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung die neuerliche Entscheidung aufgetragen".

Ergreift Oberlandesgericht Partei für Tancsits?


Der dreiköpfige RichterInnensenat des Oberlandesgerichts vertrat in seinem Urteil die Auffassung, Högl und Krickler hätten mit ihren Äußerungen einen Wertungsexzess vorgenommen, nicht zuletzt auch dadurch, dass sie nicht vollständig über Tancsits' Haltung berichtet hätten, etwa dass er damals im Parlament sehr wohl gemeint habe, durch das Nationalfondsgesetz bestehe bereits eine symbolische Anerkennung der homosexuellen NS-Opfer und er eine individuelle (Einzelfall-)Anerkennung einer neuerlichen kollektiven Anerkennung im Opferfürsorgegesetz (OFG) vorziehe.

Diese Einschätzung zeigt deutlich, dass auch die drei RichterInnen am OLG offenbar nicht verstanden haben (oder nicht verstehen wollten), dass das Nationalfondsgesetz im Gegensatz zum OFG gar keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung vorsieht und es ohne einen solchen Rechtsanspruch im OFG weder eine kollektive noch eine individuelle Wiedergutmachung geben kann. Rechtsanwalt Thomas Höhne, der die HOSI Wien in diesem Verfahren vertritt, hat in seiner Gegenausführung zur Berufung diese Aspekte ausführlich dargelegt, aber das OLG hat diese Argumente vollkommen ignoriert. Es drängt sich daher der starke Verdacht auf, dass das OLG hier einseitig für Tancsits Partei ergriffen hat.

Gilt Meinungsfreiheit in Österreich nicht für SchwulenaktivistInnen?


Es erstaunt auch dass in ähnlich gelagerten Fällen prominente Journalisten und Professoren (z. B. Oberschlick, Pelinka), aber auch Politiker sehr wohl Recht bekommen haben und ihre Verfahren entweder schon vor dem OLG oder in Straßburg gewonnen haben, obwohl sie schärfere Aussagen formuliert haben als in diesem Fall die HOSI. Es ist nicht zu übersehen, dass hier mit zweierlei Maß gemessen bzw. geurteilt wird. Offenbar haben SchwulenaktivistInnen in Österreich geringere Meinungsfreiheit.

"Wir sind überrascht über diese Extrarunde vor dem Landesgericht", ergänzt Kurt Krickler. "Das OLG hätte das erstinstanzliche Urteil ja aufheben und uns gleich verurteilen können. Dann hätten wir jetzt gleich nach Straßburg gehen und dieses Urteil dort beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anfechten können. So aber kommen jetzt noch unnötige Kosten für diese Extrarunde sowie danach für die neuerliche Befassung des OLG dazu. Sollten wir jetzt in erster Instanz verurteilt werden, werden wir sicherlich berufen, und vermutlich wird es auch Tancsits tun, sollten wir neuerlich freigesprochen werden, was indes nach der OLG-Entscheidung vom Jänner unwahrscheinlich ist."

"Sollte es die ÖVP darauf angelegt haben - oder gar das OLG, was wir indes nicht annehmen wollen -, die HOSI Wien mit diesem Verfahren finanziell ruinieren zu wollen, dann wird ihr das nicht gelingen", so Krickler weiter, "wiewohl inzwischen über 10.000 Euro an Verfahrenskosten angefallen sind. Mit den möglichen Geldstrafen und noch immer drei Instanzen vor uns könnte sich dieser Betrag noch leicht verdoppeln. Die mögliche Absicht der ÖVP, eine ihrer entschiedensten KritikerInnen auf diese Art mundtot machen zu wollen und bei diesem Vorhaben Österreichs Gerichte als willige Vollstrecker zu benutzen, wird trotzdem nicht aufgehen. Wir werden international um Spenden aufrufen und auch in Österreich Benefizveranstaltungen durchführen, um die Verfahrenskosten aufzubringen."

Die HOSI Wien hat sich von Anfang an der Widerstandsbewegung gegen Schwarz-Blau angeschlossen und ruft regelmäßig zur Abwahl der Regierung Schüssel auf. Krickler hat im August 2000 auch eine NGO-Delegation bei ihrem Besuch bei den drei EU-Weisen in Heidelberg angeführt.

"Politisch haben wir die Sache ja auf jeden Fall schon gewonnen", tröstet sich Krickler. "Mit dem Anerkennungsgesetz 2005 wurde ja bekanntlich das OFG novelliert und die wegen ihrer sexuellen Orientierung vom NS-Regime Verfolgten endlich in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen. Auch diesen Umstand hat das Oberlandesgericht übrigens ignoriert, was ein weiteres bezeichnendes Licht auf seine 'sorgfältige' Arbeit wirft! Es wird vielleicht für uns ein teurer Sieg, aber er ist auf jeden Fall diese Kosten wert!"

Quelle:
Homosexuelle Initiative