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[ 17. Apr 2006 ]

Flüchtlinge auf Malta: Von Zuständigkeiten und Haftzentren

Malta geriet in den letzten Wochen unter Druck. Kritisiert wurden u.a. lange Haftzeiten für AsylwerberInnen und die Bedingungen in den Haftzentren. Nun wurde von der Regierung Maltas und dem EU-Parlament eine Änderung der Zuständigkeitsregelung bei Aslyverfahren, der Dublin II Verordnung, gefordert.

 

Die Regelungen der EU-Flüchtlingspolitik sehen vor, dass jenes Land für die Abwicklung eines Asylverfahrens zuständig ist, in dem sich Flüchtlinge zum ersten mal aufhalten. Hintergrund dieser Bestimmung ist, dass Flüchtlinge dazu angehalten werden, dass eben dort um Asyl ansuchen sollen, wo sie nach Ansicht von BürokratInnen als erstes "Schutz" erhalten. Und da davon ausgegangen wird, dass Flüchtlingen in allen Staaten der EU Schutz gewährt wird, da alle Staaten die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziet haben, ist die logische Schlussfolgerung, dass genau jenes Land zuständig ist, das von den AsylwerberInnen zum ersten mal betreten wird.

Angemerkt muss hier außerdem werden, dass auch zahlreiche Länder, die die EU umgeben, als sogenannte sichere Drittstaaten gelten. Und reisen Flüchtlinge über ein "sicheres Drittland" in die EU ein, werden diese für zuständig erklärt und die Flüchtlinge dorthin zurückgeschoben. Dazu haben die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU zahlreiche bilaterale Rücknahme- und Durchführungsvereinbahrungen mit AnrainerInnenstaaten abgeschlossen. In vielen Fällen erwartet die Leute in den Staaten, in die sie abgeschoben werden, jedoch kein Asyl(verfahren), sondern eine weitere Abschiebung, bis hin in jenes Land, aus dem sie geflohen sind.

Haft für MigrantInnen auf Malta

In Malta, das seit Juni 2004 Mitglied der EU ist, stellen zahlreiche Flüchtlinge einen Asylantrag. Die meisten erreichen die Mittelmeerinsel mit Booten. Dort müssen sie, wie in vielen anderen Ländern, die Zeit während eines Asylverfahrens in Lagern verbringen. Zuletzt gab es Kritik aufgrund der :: Haftbedingungen von MigrantInnen und der langen Haftzeiten für AsylwerberInnen auf Malta. So zeigten sich die Mitglieder einer EU-Parlamentsdelegation, die zwei Lager inspizierten, "schockiert und entsetzt" über die vorgefundenen Zustände. Auf Malta werden Flüchtlinge bis zu 18 Monaten eingesperrt, wärhend sie auf den Ausgang des Asylverfahrens warten.

The Malta Independent Online schrieb laut :: Flüchtingsrat Hamburg dazu: "Im Endeffekt könnte die Kritik an den Haftbedingungen in den Anstalten für illegale Immigranten ein Segen für die maltesische Regierung sein. (...) Die Delegation des Europaparlaments hat Malta einen großen Gefallen getan. Die Kritik ist hart - vermutlich härter, als viele erwartet haben und ließ uns erröten. Und doch gibt sie der Regierung, die im Gegensatz zu manch anderem meint, illegale Einwanderung sei kein nationales sondern ein europäisches Problem, großen Auftrieb. Der Besuch vom Freitag könnte für Malta besser sein als 100 Ratstreffen in Brüssel. Jetzt muss die Regierung den Augenblick nutzen und angesichts der Kritik dringend notwendige Hilfe einfordern."

Rechtfertigungen

PolitikerInnen aus Malta begründen die Praxis des Einsperrens mit dem Druck der italienischen Regierung. Diese verlange von Malta, undokumentierte MigrantInnen nicht weiterreisen zu lassen. Deshalb würden viele AsylbewerberInnen eingesperrt. Maltas Präsident Fenech-Adami äußerte laut einer APA-Meldung vom 5. April 2006 rechtfertigend dazu: "Wir denken, die Haft ist nötig, um andere Probleme abzuwenden." Weiters räumte er ein, 18 Monate Haft seien "zu lang". Die Behörden hätten aber nicht die Mittel, die Asylanträge schneller zu bearbeiten.

Kritische Worte kamen auch von EU-Parlamentspräsident Borrell: "Europa kann nicht akzeptieren, dass Menschen 18 Monate lang gefangen gehalten werden, um auf die Entscheidung über ihren Asylantrag zu warten." Hier sollte jedoch auch gefragt werden, warum Flüchtlinge überhaupt eingesperrt werden. Schon jetzt ist es gängige Parxis, dass Menschen oft jahrelang in unterschiedlichsten Lagern und Gefängnissen eingesperrt werden. Und die Pläne der EU für die künftige Gestaltung einer gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik sehen die Errichtung zusätzlicher Lager und Haftzentren vor, was den Schluss nahe legt, dass noch mehr Menschen noch länger eingesperrt werden sollen.

Änderung der Dublin II Verordnung gefordert

Malta gibt an, mit der derzeitigen Lage überfordert zu sein und will nun Flüchtlinge an andere EU-Staaten weiterreichen. Um dies zu ermöglichen, forderte der maltesische Präsident Edward Fenech-Adami Anfang April 2006 in einer Sitzung des Europäischen Parlaments in Strassburg, dass die EU-Verordnungen zur Asylpolitik geändert werden. Denn, so wird argumentiert, befänden sich derzeit 2.000 Flüchtlinge auf Malta, die in andere Teile Europas weiterreisen möchten.

Das EU-Parlament hat laut Medienberichten eine Resolution verabschiedet, in der es den Wunsch Maltas nach eine dringende Änderung der europäischen Asylpolitik unterstützt. Diese Resolution ist allerdings nicht verbindlich. Die geforderte Änderung betrifft konkret die Dublin-II-Verordnung, derzufolge das erste Ankunftsland in der EU für die Abwicklung eines Asylverfahrens zuständig ist. Eine Änderung würde es Malta ermöglichen, AsylwerberInnen an andere EU-Staaten weiterzureichen.

Migrationsmanagement als Lösung?

Die EU-Komission setzte sich bereits im Dezember 2005 anlässlich der anhaltenden Meldungen über Tote im Mittelmeer zusammen und beriet über Maßnahmen zur Lösung von "Migrationsproblemen" aufgrund der Ereignisse in Ceuta und Melilla sowie die Situation in Lampedusa und Malta (Bootsflüchtlinge). Herausgekommen sind dabei jedoch keine "Lösungen", sondern vielmehr weitere Vorschläge zur Steuerung von Migration. Laut :: migrationsrecht.net werden in der entsprechenden Mitteilung der Komission "drei Kategorien von Maßnahmen" genannt:

1. Verstärkung der Zusammenarbeit und der Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Bereich Migration: Es wird unter anderem vorgeschlagen, dass die EU prüfen sollte, ob ein Überwachungssystem und ein Mittelmeer-Küstenpatrouillennetz geschaffen werden können, die sich schließlich auf das gesamte Mittelmeer erstrecken würden; somit könnten die Instrumente bereitgestellt werden, die für die Aufdeckung illegaler Einwanderung und die Rettung von Menschenleben auf hoher See erforderlich sind.

2. Zusammenarbeit mit den wichtigsten Herkunftsländern in Afrika: Die EU sollte vor allem die Armut weiter bekämpfen. Darüber hinaus ist es aber auch wichtig, dass die EU-Mitgliedstaaten und die wichtigsten Drittländer gemeinsam eine Strategie und eine operative Zusammenarbeit zwischen den Herkunfts-, Transit- und Zielländern entwickeln, um die Migration unter Berücksichtigung der wichtigsten Migrationsrouten effizienter steuern zu können.

3. Zusammenarbeit mit Nachbarländern: Die Euromed-Partner müssen ihre Anstrengungen im Geiste einer konstruktiven Partnerschaft intensivieren, um die Migration besser zu steuern. Innerhalb des nun bestehenden politischen Rahmens wird die EU mit den nordafrikanischen Ländern zusammenarbeiten, um ihnen dabei zu helfen, die Migrations- und Flüchtlingsbewegungen besser zu steuern, den Menschenhandel zu bekämpfen und legale Migrationsmöglichkeiten zu fördern.