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[ 12. Jun 2006 ]

Erneutes Todesopfer der deutschen Abschiebemaschinerie

Demonstration gegen das Abschiebelager in Neuss, November 2005

Mit Verspätung von einem Monat wurde ein Selbstmord am 7. Mai 2006 in der Abschiebehaftanstalt Neuss bekannt. Der Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V." fordert die ersatzlose Schließung der JVA Neuss.

 

In den Nachmittagsstunden des 7. Mai 2006 erhängte sich eine 57-jährige Frau, der die Deportation nach China drohte, im Neusser Abschiebegefängnis. Als die Beamten der JVA die Frau entdeckten, alarmierten sie sofort einen Notarzt, der die Frau wiederbeleben konnte. Doch in den Morgenstunden des 8. Mai starb sie im Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss an den Folgen des Suizides.

Dieser tragische Vorfall macht wieder einmal deutlich, wie verzweifelt oft Menschen sind, die auf ihre Abschiebung warten müssen. Obwohl für die Frau noch kein Abschiebetermin feststand, hatte sie anscheinend so große Angst vor der Abschiebung nach China, dass sie bereit war, sich das Leben zu nehmen. Über das Fluchtschicksal und die Hintergründe liegen keine weiteren Informationen vor, allerdings gehört China zu den Ländern, in denen die meisten Todesurteile vollstreckt werden und wo es noch immer eine starke Verfolgung von Oppositionellen gibt.

Da es keine Gruppe von politisch aktiven Menschen gibt, die zu der JVA Neuss arbeiten, wurde der Suizid der Frau nur durch Zufall bekannt. Dieser Fall macht wieder einmal deutlich, wie undurchsichtig die Mauern der Abschiebehaft für die Öffentlichkeit sind. Insgesamt konnten seit dem Jahr 1993 in Deutschland 49 Suizide in Abschiebehaft dokumentiert werden (Quelle: :: ARI Berlin (pdf)), die Dunkelziffer dürfte jedoch erheblich höher liegen, da es keine offiziellen Statistiken gibt.

Nach Plänen der Landesregierung soll die JVA Neuss Anfang 2007 geschlossen werden. Die Frauen werden dann in dem Abschiebegefängnis Büren inhaftiert, wo sie mit wesentlich längeren Haftzeiten und schlechteren Haftbedingungen rechnen müssen. Der Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren" fordert daher die Landesregierung auf, den Beschluss, die Frauen von Neuss nach Büren zu verlegen, zu revidieren. "Mit Wut, Zorn und Trauer erfüllt uns die Nachricht, dass es einen erneuten Todesfall in der Abschiebehaft gibt. Wie viele Menschen müssen sich noch das Leben nehmen, bevor die Bundesregierung lernt, dass nicht in Krisengebiete abgeschoben werden darf", so der Vorsitzende des Bürener Hilfsvereins, Frank Gockel. "Die JVA Neuss muss ersatzlos geschlossen werden, nur dass wäre ein Schritt zu einer humaneren Flüchtlingspolitik."


Proteste gegen das Abschiebegefängnis in Neuss


Die Justizvollzugsanstalt Neuss (NRW) ist seit 1993 als einziges reines Abschiebegefängnis für Frauen in der Bundesrepublik Deutschland in Betrieb. Seit einigen Jahren werden am 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, Demonstrationen gegen das Frauenabschiebegefängnis in Neuss organisiert, bei denen u.a. die Schließung gefordert wird.

Siehe dazu einen :: Bericht von 2005, :: Infos zur Demo 2004, :: Aufruf, Berichte, Links aus dem Jahr 2003, :: Aufruf zur Demo im November 2002 und ein :: Reader zur Demo 2001 (pdf).

In einer Dokumentation eines Fachgesprächs vom 12. November 2004 mit dem Titel: :: Abschiebungshaft - Alles nach Recht und Gesetz? (pdf) vom Bündnis 90/Die Grünen findet sich der Beitrag: "Zur Situation in der Abschiebehaftanstalt Neuss: Werden Frauen aus Sicht der Frauenberatungsstelle ohne ausreichende Begründung inhaftiert?"

Im Jahr 2004 wurde auch im Rahmen der :: Anti-Lager Action Tour gegen das Abschiebegefängnis in Neuss protestiert. Im Aufruf dazu heißt es: Der Knast liegt mitten in der Neusser Innenstadt in einer ruhigen Wohnstraße und wird kaschiert durch eine unauffällige Fassade. In dem Knast sind momentan zwischen 60-80 Frauen eingesperrt, darunter immer wieder Schwangere und Minderjährige. Die Frauen werden willkürlich in Zweier- und Sechserzellen gesperrt. Gegessen wird in den 9 m² kleinen Zellen. Auch das Waschbecken und die Toilette befinden sich in der Zelle, nur durch einen Vorhang abgetrennt. Die medizinische Versorgung ist unzulänglich. Einen psychologischen Dienst gibt es für sie nicht, auch keine hauptamtliche Sozialarbeiterin und keine juristische Beratung. Der einzige Grund für die Inhaftierung der Frauen ist ihre Migration in die BRD.

Als Quelle für diesen Beitrag dienten u.a. die :: Büren-Gruppe Paderborn - Für ein Leben ohne Knäste und Grenzen! und die :: Vernetzung gegen Abschiebehaft.