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[ 16. Oct 2005 ]

Selbstmorde in Schubhaft - eine Chronologie

Für Menschen in Schubhaft steht - wie bei allen Formen der zwangsmäßigen Anhaltung - die Gefährdung des eigenen Körpers an der Tagesordnung. Diese reicht von Hungerstreiks und Selbstverstümmelungen bis hin zu Selbstmord. In Österreich sind uns in den letzten Jahren mehrere Fälle von Selbstmorden in Schubhaft bekannt.

 

Es gibt keine (öffentlich zugängigen) Statistiken über Tote in Schubhaft. Das Bundesministerium für Inneres wird schon wissen, warum diese Zahlen möglichst geheim gehalten werden, soll doch Kritik an der Praxis der Zwangsinternierung in Form von Schubhaft möglichst vermieden werden. Einer parlamentarischen Anfragebeantwortung vom Mai 2005 (2748/AB XXII. GP) zufolge werden: "Medienmitteilungen und Presseverlautbarungen nach Suiziden (...) zur Verhinderung von Nachahmungen sowie im Hinblick auf die Privatsphäre äußerst restriktiv behandelt."

Offizielle Stellen gehen davon aus, dass es in Folge der Gesetzesverschärfung durch die :: Asyl- und Fremdenrechtsnovelle 2005 zu einer Zunahme von Selbstmorden bzw. Selbstmordversuchen im Bereich der Schubhaft kommen wird.

Wir haben im Folgenden uns bekannte Informationen zusammengetragen. Es ist davon auszugehen, dass es zu wesentlich mehr Selbstmorden bzw. Toten aufgrund ungeklärter Todesursache kam, als im folgenden unter Angabe der jeweilgen Quelle aufgelistet. Wobei angemerkt werden muss, dass nicht immer klar ist, wann es sich um Selbstmorde handelte, da die Todesursache oft verschleiert wird und Informationen von Obduktionen meist nicht veröffentlicht werden.

Wir ersuchen darum, uns weitere Informationen über derartige oder ähnlich gelagerte Fälle zukommen zu lassen - :: Kontaktformular.

Chronologisch


22. Februar 2005: Selbstmord im PAZ Hernalser Gürtel?

Am 22. Februar 2005 wurde der algerische Schubhäftling Ben Habra Saharaoui tot in einer Einzelzelle im Polizeigefangenenhaus Hernalser Gürtel aufgefunden. Offiziell starb er einen "Tod durch Erhängen". Es gibt Vorwürfe der Misshandlung, die offizielle Version eines Selbstmordes wird in Zweifel gezogen. (siehe Berichte vom :: 12. März 2005 und vom :: 08. März 2005)


23. Juli 2004: Toter in Schubhaft im PAZ Rossauer Lände

Zeitungsmeldungen zu Folge (Der Standard, 20. Oktober 2005) kam es am 23. Juli 2004 zu einem Selbstmord eines 35-jährigen Schubhäftlings im PAZ Rossauer Lände in Wien.

(Anm. in einem Bericht des :: Menschenrechtsbeirates (MBR) wird von einem (weiteren?) Fall am 23. August 2004 berichtet, es könnte aber auch sein, dass es sich dabei um einen Fehler in der Datumsangabe handelt.)


3. August 2002: Toter in Schubhaft in Bludenz

Medienberichten zufolge wird in den frühen Morgenstunden des 3. August 2002 ein Schubhäftling in einer Zelle entdeckt. Angaben der Polizei zufolge soll es sich nicht um Selbstmord gehandelt haben, zur Klärung der Todesursache wird die Leiche Anfang kommender Woche obduziert. (siehe :: Bericht auf auf no-racism.net)


23. September 2001: Selbstmord in den Anhalteräumen am Flughafen Wien/Schwechat

Im "Zwischenbericht des MRB zur Umsetzung der Empfehlungen zum 'Scherpunktthema medizinische Problemlagen'", Quartal III/2003. stellt der MRB in seiner Empfehlung (Stand Juni 2002, Nr. 85, S. 18) für erforderliche Maßnahmen zur Anhaltung in Schubhaft fest:

"Der tragische Selbstmord eines Schubhäftlings hat drastisch vor Augen geführt, dass bei einer Überlegung nicht von den erfoderlichen Betreuuungsmöglichkeiten ausgegangen werden kann. Darüber hinaus widerspricht die Überlegung dem diesbezüglichen Erlass, der eine Reduktion der Kapazitäten auf max. vier Haftplätze vorsieht (am Tag des Selbstmordes, 23.09.2001, waren insgesmat 9 Personen angehalten)."


1996 bis 1998

Nach einer parlamentarischen Anfragebeantwortung an den damaligen Innenminister Schlögl kam es von 1996 bis 1998 zu insgesamt 305 "Selbstbeschädigungen". Als Selbstmordversuche wurde davon 48 Fälle gewertet. Da die Bewertung der im Einzelfall "nicht immer einfach" ist, kann durchaus von einer höheren Zahl ausgegangen werden. Die von Selbstbeschädigung betroffenen kommen aus 20 Staaten, unter ihnen 13 Frauen und 14 Minderjährige.
In der Anfragebeantwortung wird von einem Selbstmord im Jahr 1996 berichtet.