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[ 22. Jun 2006 ]

Fremdenrecht 2005: Aufatmen für binationale Paare?

Bei einem Gespräch mit Beamten des Innenministeriums wurde der seit mehreren Monaten protestierenden Initiative Ehe ohne Grenzen ein "unmoralisches Angebot" gemacht. Dies sieht vor, dass manche EhepartnerInnen von österreichischen StaatsbürgerInnen von fremdenpolizeilichen Maßnahmen ausgenommen werden.

 

Mag. Berndt Körner Leiter der Abteilung II/3 Fremdenpolizei und Grenzkontrolle teilte VertreterInnen der Initiative bei einem persönlichen Termin am 13. Juni 2006 mit, dass ab sofort alle Fremdenpolizeilichen Maßnahmen für drittstaatsangehörige EhepartnerInnen von ÖsterreicherInnen ab sofort ausgesetzt sind, wenn diese vor Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Jänner 2006 geheiratet haben.

Was soviel heißt wie: Drittstaatsangehörige die 2005 ÖsterreicherInnen geheiratet haben, Antrag auf Niederlassungsbewilligung stellten, dazu ihren Asylantrag zurückziehen mussten und sich dadurch seit 1. Jänner 2006 illegalisiert in Österreich aufhalten, werden ab sofort nicht in Schubhaft genommen oder abgeschoben.

Die wöchentlichen Kundgebungen der Initiative Ehe ohne Grenzen gehen trotz des Angebotes des Innenministeriums weiter: Jeden Mittwoch von 17:00-18:00 vor dem Innenministerium in der Herrengasse 7, 1010 Wien. Am 28. Juni 2006 zur Frage: :: "Papa, warum will die Innenministerin, dass du gehst?"

Und auch die Unterschriftenkampagne der Initiative kann weiter unterstütz werden: :: online unterzeichnen!

Im folgenden dokumentieren wir eine (leicht bearbeitete) Aussendung der Initiative Ehe ohne Grenzen zur Pressekonferenz am 22. Juni 2006 in Wien:


Gnadenakt statt Rechtsanspruch

Seit Monaten suchte die Initiative Ehe ohne Grenzen verzweifelt das Gespräch mit Liese Prokop. Vergangen Dienstag war es soweit, die Ministerin lies sich zwar weiter entschuldigen, Spitzenbeamte empfingen eine Delegation der Betroffenen unterstützt durch Peter Marhold, Fremdenrechtsexperten und Beraterinnen des Vereins FIBEL.


Mit dem Mut der Verzweifelten

"Seit fünf Monaten suchten wir verzweifelt das Gespräch mit Frau Innenministerin Liese Prokop. Schließlich sahen wir keine andere Chance als durch wöchentliche Kundgebungen vor dem Innenministerium auf uns aufmerksam zu machen. Doch selbst so stießen wir nur auf taube Ohren". So Angela Magenheimer die Sprecherin der Initiative. Erst als wir eine Pressekonferenz des Innenminsiteriums besuchten und die Ministerin dort direkt, vor JournalistInnen, auf unser Leid ansprachen geschah das Wunder. "Eine Stunde nach der Pressekonferenz läutete mein Telefon und das Wunder geschah, drei Spitzenbeamte des Ministeriums waren plötzlich zu einem Gespräch bereit", berichtet Magenheimer weiter. Mag. Körner, Mag. Bezdeka und Dr. Vogl waren bereit uns an 13.6.2006 im kleinen Sitzungssaal im Innenministerium zu empfangen.


Unmoralisches Angebot?

Das Resultat des rund dreistündigen Gesprächs war das Angebot des Ministeriums, sich der Fälle der Betroffenen der Initiative anzunehmen und sie einer genauen Prüfung zu unterziehen. "Wenn man bedenkt das hier manche Paare seit über einem Jahr auf Bescheide der Behörden warten, wird das was einmal Recht war nun zu einem Gnadenakt" so die Sprecherin von Ehe ohne Grenzen Angela Magenheimer. Nun sollen alle Daten der Betroffenen von Ehe ohne Grenzen in Form einer Liste an die zuständige Abteilung im Ministerium übergeben werden. Diese Liste werden wir dem Ministerium so schnell als möglich zukommen lassen.

In Anbetracht der Situation findet Ehe ohne Grenzen dieses Angebot höchst unmoralisch. Die 160 Betroffenen der Initiative sind sicher nur die Spitze des Eisbergs. Wir fragen uns ob hier laute und unangenehme Betroffene beschwichtigt werden sollen. Hat außerdem nicht jeder Mensch in Österreich ein Recht auf ein faires und schnelles verfahren?

Angela Magenheimer ruft nun alle Betroffenen des Fremdengesetzes, alle Mitglieder der Initiative Ehe ohne Grenzen auf, sich zu melden. Nehmt euer Recht auf eine faire und schnelle Bearbeitung in Anspruch, so ihr Appell an die Betroffenen


Überforderte Behörden, unrichtige Aussagen

Die nicht gut vorbereitete Übergabe vieler Agenden an Bezirkshauptmannschaften und Magistrate führt zu sehr unterschiedlichen und oft unrichtigen Aussagen der überforderten Behörden. "Im Zweifel legen die Beamten das Gesetz restriktiver aus als notwendig", fasst Peter Marhold die Gesprächsergebnisse mit dem BMI zusammen, "es ist deshalb äußerst wichtig, nicht alle Auskünfte ungeprüft zu glauben, sondern kompetenten Rat einzuholen". Die Auskünfte betreffen Zulässigkeit der Antragstellung, Art der Unterhaltsnachweise, erforderliche Höhe des Unterhalts oder prozedurale Fragen. Die vom BMI angeboten (Nach-)Schulung wäre den Behörden dringendst zu empfehlen, auch wenn die MA 20 lt. BMI keinen Bedarf sieht.


"InänderInnendiskriminierung"

EhegattInnen österreichischer Staatsangehöriger wird das Recht auf Inlandsantragstellung im Gegensatz zu den Ehegatten "zugewanderter" EU-BürgerInnen verweigert. Nach wie vor beharrt das BMI darauf, dass die Inländerdiskriminierung zulässig sei. Dazu Marhold: "Der Verfassungsgerichtshof hat schon 1997 nicht nur einen Gesetzeswortlaut, sondern die diskriminierende Anwendung derartiger Bestimmungen als unsachlich untersagt." Es ist nicht verständlich, weshalb es die Republik erneut auf eine Verurteilung anlegt; allerdings ist mit der ersten Erkenntnis im November 2006, also nach den Nationalratswahlen, zu rechnen.


Behörden bieten "Scheinlösungen" - Beratungsaufwand vervierfacht!

FIBEL hat schon auf der ersten Pressekonferenz vor rund einem halben Jahr zu den Folgen des NAG 2005 für binationale Paare Stellung bezogen. Damals konnten wir nur konstatieren, dass wir Ratsuchenden lediglich ein gutes Durchhaltevermögen empfehlen können. Heute - rund 6 Monate später - hat sich an der Situation nichts grundsätzliches verändert. Unser Beratungsaufwand hat sich allerdings seither aufgrund der für binationale Paare bedrohlichen Rechtslage vervierfacht!

Von Behördenseite her werden bestenfalls Scheinlösungen angeboten - wie etwa völlig unrealistische Vorverträge mit ArbeitgeberInnen oder Unterhaltsbestätigungen von Eltern, wenn der österreichische Teil den erforderlichen Unterhaltsnachweis nicht erbringen kann. Auch der Hinweis, humanitäre Gründe für eine Inlandsantragstellung geltend zu machen, kann nur als Gnadenakt gewertet werden.

Auch wir als Beratende der FIBEL befürworten daher eine möglichst rasche Rücknahme jener Bestimmungen, durch die eine freie Partnerwahl und das Familienleben binationaler Paare gefährdet und belastet werden.


Mag. Anja Maria Ezirim-Platz, eine Betroffene, beschreibt ihre Situation:

Kleines Aufatmen

Als vom neuen Fremdengesetz und Behördenchaos Betroffene bin ich seit dem Gespräch im BMI sehr, sehr erleichtert, dass der Leiter der Abteilung für Fremdenpolizei und Grenzschutz, Hr. Mag. Berndt Körner, uns ausdrücklich versichert hat, dass ab sofort alle fremdenpolizeilichen Maßnahmen für Ehepartner, deren Antrag auf Aufenthaltstitel im Laufen oder in der Berufung ist, ausgesetzt sind!

Lebensplanung unmöglich

Nach den vielen Monaten in ständiger Angst vor Trennung, Gefängnis und Abschiebung können wir ein bisschen aufatmen.

Mein Mann und ich wünschen uns Kinder, aber das scheint unmöglich, da ich weiterverdienen muss, um das Mindesteinkommen von EUR 1056,- aufzubringen. Wenn ich, wie es viele Frauen bereits betrifft, doch schwanger werden sollte, wüsste ich gerne, ob Frau Minister Prokop mir zur Abtreibung raten würde, da ich das Mindesteinkommen nicht mehr aufbringen könnte?

Mein Mann möchte nichts mehr als arbeiten zu können, aber er darf nicht. Die seit langem andauernde Untätigkeit belastet ihn sehr.



Menschenrechtswidrig & Familen verhinderndes Gesetz

Allerdings steht Innenministerin Prokop, Ministerin einer christlichen Familienpartei, nach wie vor hinter diesem Menschenrechtswidrigen und Familien verhinderndem Gesetz. Dies wurde schon zu Beginn des Gesprächs im Ministerium, von ihren Mitarbeitern, immer wieder betont.


Angst vor Repressalien

Auch wenn uns mehrmals versichert wurde das die Weitergabe unserer Daten nicht zu unserem Schaden gereicht, steckt vielen Betroffenen die monatelange Angst vor Schubhaft und Abschiebung noch in den Knochen. "Sollte einem Betroffenen der Initiative in den nächsten Tagen/Wochen derartiges widerfahren bauen wir weiterhin auf die gute Zusammenarbeit mit JournalistInnen." So Angela Magenheimer die Sprecherin der Initiative abschließend.